Versicherungen & Recht

Gekündigt im Minijob? Warum viele Chefs hier einen fatalen Fehler machen!

Winterberg 2025. 10. 30. 03:06

Kündigungsschutz bei Minijob – was viele nicht wissen

Zuletzt aktualisiert: 30.10.2025

🔹 Worum es heute geht: Die oft unbekannten Rechte von Minijobbern beim Kündigungsschutz und wie man sie durchsetzt
🔹 Was wir gelernt haben: Minijobber haben deutlich mehr Rechte als viele denken – das Kündigungsschutzgesetz gilt auch für sie
🔹 Was Leser:innen davon haben: Konkrete Handlungsanleitungen für den Kündigungsfall und Mustervorlagen für den Widerspruch

An einem verregneten Donnerstagnachmittag saß meine Schwägerin Sabine weinend an unserem Küchentisch. In der Hand hielt sie ein schmuckloses Schreiben, zwei Sätze nur: „Hiermit kündigen wir Ihnen zum 31.10.2025. Wir danken für Ihre Mitarbeit." Keine Begründung, kein persönliches Wort – nach drei Jahren im Blumenladen einfach raus. „Ist halt nur ein Minijob", schluchzte sie, „da haben die das Recht dazu, oder?" Markus und ich tauschten Blicke. Ehrlich gesagt wussten wir es auch nicht genau. 520 Euro im Monat, zwölf Stunden die Woche – da galten doch andere Regeln, oder? Was wir in den folgenden Wochen herausfanden, überraschte nicht nur uns. Es stellte sich heraus, dass Sabine sehr wohl Kündigungsschutz hatte und ihre Chefin einen kapitalen Fehler gemacht hatte.

Als erstes googelten wir natürlich wie verrückt. Die Ergebnisse waren verwirrend – mal hieß es, Minijobber hätten die gleichen Rechte wie alle anderen, mal stand da was von Sonderregelungen. Sabine war verzweifelt: „Drei Jahre habe ich jeden Samstag im Laden gestanden, bei jedem Wetter, habe Überstunden gemacht wenn Not am Mann war, und jetzt das." Der Blumenladen beschäftigte neben der Chefin noch zwei Vollzeitkräfte, drei weitere Minijobber und zwei Azubis. Macht zusammen neun Leute – oder doch mehr? Diese Zählung sollte später noch wichtig werden.

In den ersten Tagen nach der Kündigung schwankte Sabine zwischen Wut und Resignation. „Vielleicht ist es ja auch besser so", sagte sie beim Abendessen. „Die Stimmung war eh schlecht in letzter Zeit." Aber dann kam die Empörung: „Weißt du was? Die Neue, die sie eingestellt haben, ist die Nichte der Chefin. Die hat null Erfahrung!" Da wurde uns klar: Hier ging es nicht um betriebsbedingte Gründe, sondern um eine klassische Vetternwirtschaft. Aber hatte Sabine als Minijobberin überhaupt eine Chance, sich zu wehren?

Der erste wichtige Schritt war der Gang zur Rechtsberatung beim örtlichen Amtsgericht. Für 15 Euro (Gebühr kann je nach Bundesland variieren, Stand: 2025) bekam Sabine eine Ersteinschätzung. Der Rechtspfleger machte große Augen, als er die Unterlagen sah: „Die Kündigung ist formal nicht korrekt. Haben Sie Widerspruch eingelegt?" Sabine schüttelte den Kopf. „Das müssen Sie innerhalb von drei Wochen nach Zugang tun, sonst gilt die Kündigung als wirksam – auch wenn sie rechtswidrig war!" Uns lief es kalt den Rücken runter. Von den drei Wochen waren schon zehn Tage vergangen.

Was wir dann erfuhren, sollte jeder Minijobber wissen: Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) gilt grundsätzlich auch für geringfügig Beschäftigte. Die entscheidenden Voraussetzungen sind: Der Arbeitnehmer muss länger als sechs Monate im Betrieb beschäftigt sein, und der Betrieb muss regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigen (§ 1 und § 23 KSchG, Stand: 2025). Bei der Berechnung der Betriebsgröße werden alle Arbeitnehmer gezählt, allerdings mit unterschiedlicher Gewichtung: Vollzeitkräfte zählen voll, Teilzeitkräfte mit bis zu 20 Wochenstunden zählen mit 0,5 und solche mit bis zu 30 Stunden mit 0,75. Auszubildende werden nicht mitgezählt (Berechnungsmethode nach § 23 KSchG, kann im Einzelfall komplex sein).

Die Berechnung im Fall von Sabines Blumenladen war knifflig. Die Chefin selbst zählte nicht mit, die zwei Vollzeitkräfte ergaben 2,0, die vier Minijobber (inklusive Sabine) je 0,5 macht 2,0, die zwei Azubis zählten gar nicht. Macht zusammen nur 4,0 – deutlich unter zehn. Aber halt! Bei genauerer Recherche stellte sich heraus, dass eine der vermeintlichen Minijobberinnen regelmäßig 25 Stunden arbeitete, also mit 0,75 zu zählen war. Und die Chefin hatte noch einen zweiten Laden in der Nachbarstadt mit weiteren Angestellten. Die Frage war nun: Zählen beide Läden als ein Betrieb?

Parallel zur rechtlichen Klärung musste Sabine schnell handeln. Wir halfen ihr, eine Kündigungsschutzklage vorzubereiten. Die muss binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht eingereicht werden (§ 4 KSchG, Stand: 2025). Das Formular gibt es online oder direkt beim Arbeitsgericht. Die Klage selbst kostet erst einmal nichts – das Arbeitsgericht erhebt keine Gebühren für die erste Instanz. Allerdings trägt jede Partei ihre eigenen Anwaltskosten, egal wie der Prozess ausgeht (Kostenregelung nach § 12a ArbGG, Stand: 2025).

Die Formulierung der Klage war einfacher als gedacht. Im Grunde musste Sabine nur schreiben: „Ich erhebe Klage gegen die Kündigung vom [Datum]. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt." Mehr nicht. Die Begründung kommt später im Verfahren. Wichtig war nur, die Frist einzuhalten. Wir fuhren noch am selben Tag zum Arbeitsgericht und gaben die Klage persönlich ab. Die Dame am Empfang war freundlich: „Minijobber? Ja, die vergessen oft, dass sie auch Rechte haben. Gut, dass Sie sich wehren!"

Nach Einreichung der Klage kam erstmal Funkstille. Dann, nach etwa drei Wochen, flatterte die Ladung zum Gütetermin ins Haus. Das Arbeitsgericht (Arbeitsgericht Mannheim, Stand: 2025) setzte einen Termin in sechs Wochen an. In der Zwischenzeit suchte sich Sabine anwaltliche Unterstützung. Die Anwältin, spezialisiert auf Arbeitsrecht, nahm 250 Euro pro Stunde (Stundensatz kann regional variieren). „Keine Sorge", sagte sie, „die meisten Fälle werden im Gütetermin verglichen. Rechnen Sie mit Gesamtkosten von etwa 800 bis 1.200 Euro."

Was dann kam, war eine Lektion in Sachen Arbeitsrecht. Die Anwältin erklärte: „Ihre Chefin hätte die Kündigung begründen müssen. Es gibt drei mögliche Kündigungsgründe: personenbedingt, verhaltensbedingt oder betriebsbedingt." Personenbedingt wäre zum Beispiel eine Langzeiterkrankung, verhaltensbedingt etwa Diebstahl oder wiederholtes Zuspätkommen, betriebsbedingt ein Umsatzrückgang oder Betriebsschließung. „In Ihrem Fall liegt keiner dieser Gründe vor. Die Chefin hat einfach jemand anderen eingestellt – das ist kein Kündigungsgrund."

Besonders interessant war die Frage der Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen. Selbst wenn betriebliche Gründe vorgelegen hätten, hätte die Chefin eine Sozialauswahl treffen müssen. Dabei spielen Kriterien wie Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung eine Rolle (§ 1 Abs. 3 KSchG, Stand: 2025). Sabine, alleinerziehend mit zwei Kindern und drei Jahren Betriebszugehörigkeit, hätte dabei gute Karten gehabt.

Ein weiterer Aspekt, den viele nicht kennen: Auch die Form der Kündigung muss stimmen. Sie muss schriftlich erfolgen, das Original muss unterschrieben sein (keine Kopie, kein Fax, keine E-Mail), und der Kündigungsberechtigte muss unterschreiben (§ 623 BGB, Stand: 2025). In größeren Betrieben ist das oft nicht der Chef selbst, sondern jemand mit Personalverantwortung oder entsprechender Vollmacht. Bei Sabine hatte die Chefin selbst unterschrieben – das passte.

Während der Vorbereitungen erfuhren wir noch mehr überraschende Details. Minijobber haben Anspruch auf bezahlten Urlaub – bei einer 3-Tage-Woche sind das mindestens 12 Urlaubstage im Jahr (§ 3 BUrlG, Stand: 2025, berechnet anteilig). Sie haben Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für bis zu sechs Wochen. Sie müssen für Feiertage bezahlt werden, wenn sie an diesem Wochentag regulär arbeiten würden. All das hatte Sabine bekommen, aber viele ihrer Minijob-Kolleginnen wussten nichts davon.

Der Gütetermin beim Arbeitsgericht war eine Erfahrung für sich. Der Raum war klein, die Atmosphäre sachlich. Der Richter, ein älterer Herr mit jahrzehntelanger Erfahrung, ging routiniert vor: „So, mal sehen, was wir hier haben. Kündigung ohne Angabe von Gründen, keine vorherige Abmahnung, Klägerin seit drei Jahren im Betrieb... Frau Müller", wandte er sich an die Chefin, „wie begründen Sie denn die Kündigung?" Die Chefin stammelte etwas von „betrieblichen Erfordernissen" und „Umstrukturierung". Der Richter runzelte die Stirn: „Aber Sie haben doch eine neue Mitarbeiterin eingestellt?" Stille im Raum.

Was folgte, war ein klassisches Vergleichsgespräch. Der Richter machte beiden Seiten klar, wie er den Fall sieht: „Die Kündigung ist wahrscheinlich unwirksam. Aber wollen Sie, Frau Schmidt, wirklich in den Betrieb zurück, wo man Sie nicht haben will? Und Sie, Frau Müller, wollen Sie wirklich einen Prozess riskieren mit ungewissem Ausgang?" Er schlug einen Vergleich vor: Die Kündigung wird in eine einvernehmliche Auflösung umgewandelt, Sabine bekommt eine Abfindung.

Die Verhandlung über die Abfindungshöhe war zäh. Als Faustformel gilt: ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr (Übliche Praxis, rechtlich nicht verbindlich, Stand: 2025). Bei Sabine wären das 1,5 × 520 Euro = 780 Euro gewesen. Die Chefin bot 500 Euro, Sabines Anwältin forderte 2.000 Euro. Nach einer Stunde Hin und Her einigten sie sich auf 1.300 Euro plus ein wohlwollendes Arbeitszeugnis. Sabine war zufrieden: „Mehr als ich erwartet hatte, und ehrlich gesagt will ich da auch nicht mehr arbeiten."

Kündigungsart Kündigungsfrist Minijob Besonderheit
Arbeitgeber kündigt (0-6 Monate) 2 Wochen zum Monatsende Kein Kündigungsschutz nach KSchG*
Arbeitgeber kündigt (7-24 Monate) 1 Monat zum Monatsende Kündigungsschutz wenn Betrieb >10 MA
Arbeitgeber kündigt (>2 Jahre) Mind. 2 Monate zum Monatsende Frist steigt mit Betriebszugehörigkeit
Arbeitnehmer kündigt 4 Wochen zum 15. oder Monatsende Immer gleich, außer vertraglich anders

(Angaben nach § 622 BGB, Stand: 2025, können durch Arbeits- oder Tarifvertrag abweichen)

Ein wichtiger Punkt, der oft übersehen wird: Die Kündigungsfristen gelten auch für Minijobber. Viele denken, man könnte sie von heute auf morgen entlassen – das stimmt nicht. Die gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 622 BGB gelten für alle Arbeitnehmer. In der Probezeit (maximal sechs Monate) beträgt die Frist zwei Wochen, danach mindestens vier Wochen zum 15. oder zum Monatsende. Bei längerer Betriebszugehörigkeit verlängern sich die Fristen für den Arbeitgeber (Fristen können durch Tarifvertrag abweichen).

Was uns besonders überraschte: Minijobber haben auch Anspruch auf Gleichbehandlung. Der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" gilt auch hier. Wenn Vollzeitkräfte Weihnachtsgeld bekommen, steht das anteilig auch Minijobbern zu (§ 4 TzBfG, Stand: 2025). Sabine hatte nie Weihnachtsgeld bekommen, obwohl die Vollzeitkräfte jedes Jahr einen Bonus erhielten. „Das hätte ich einklagen können", sagte sie später. „Aber wer denkt denn bei einem Minijob an sowas?"

Die sozialversicherungsrechtliche Seite ist ebenfalls interessant. Seit 2013 sind Minijobber rentenversicherungspflichtig, können sich aber befreien lassen. Wer nicht verzichtet, erwirbt vollwertige Rentenansprüche – die Beiträge sind zwar gering, aber die Zeiten zählen voll für die Wartezeiten (Stand: 2025, Quelle: deutsche-rentenversicherung.de). Sabine hatte sich damals befreien lassen: „520 Euro sind eh schon wenig, da wollte ich nicht noch was abgeben." Im Nachhinein bereut sie es: „Die paar Euro hätten mir später bei der Rente geholfen."

Ein Aspekt, der bei Sabines Fall keine Rolle spielte, aber wichtig ist: Schwangere Minijobberinnen genießen besonderen Kündigungsschutz. Vom Beginn der Schwangerschaft bis vier Monate nach der Geburt darf nicht gekündigt werden (§ 17 MuSchG, Stand: 2025). Eine Bekannte von Sabine, ebenfalls Minijobberin in einer Bäckerei, wurde gekündigt und erfuhr zwei Wochen später, dass sie schwanger war. Die Kündigung war damit automatisch unwirksam – sie bekam ihren Job zurück.

Auch beim Thema Arbeitslosengeld gibt es Überraschungen. Minijobber sind nicht arbeitslosenversichert und bekommen daher kein ALG I. Aber: Wer neben dem Minijob noch einen sozialversicherungspflichtigen Hauptjob hat und diesen verliert, kann unter Umständen den Minijob behalten und trotzdem ALG I beziehen – bis zu 165 Euro monatlich sind anrechnungsfrei (§ 155 SGB III, Stand: 2025, Freibeträge können sich ändern).

Die psychologische Komponente darf man nicht unterschätzen. Viele Minijobber trauen sich nicht, ihre Rechte einzufordern. „Ist ja nur ein Nebenjob", „Für die paar Euro lohnt sich der Ärger nicht", „Ich finde schon was Neues" – solche Sätze hören wir oft. Dabei geht es um mehr als Geld. Es geht um Würde und Respekt. Sabine sagte später: „Das Wichtigste war gar nicht die Abfindung. Es war das Gefühl, mich gewehrt zu haben."

Nach Sabines Fall haben wir in unserem Freundeskreis viel über Minijobs diskutiert. Erschreckend viele kannten ihre Rechte nicht. Eine Freundin arbeitete seit fünf Jahren als Minijobberin in einem Fitnessstudio – ohne schriftlichen Arbeitsvertrag. „Geht das überhaupt?", fragte sie. Ja, es geht, Arbeitsverträge können auch mündlich geschlossen werden. Aber: Der Arbeitgeber muss spätestens einen Monat nach Arbeitsbeginn die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich aushändigen (§ 2 NachwG, Stand: 2025). Dazu gehören: Arbeitsort, Tätigkeitsbeschreibung, Arbeitsbeginn, Arbeitszeit, Vergütung, Urlaub, Kündigungsfristen.

Ein anderer Bekannter, Minijobber in einem Supermarkt, wurde regelmäßig für Überstunden eingeteilt, die dann „schwarz" ausbezahlt wurden. „Ist doch gut, da spare ich Steuern", meinte er. Was er nicht bedachte: Diese Überstunden sind illegal, und im Streitfall hat er keinerlei Nachweis. Außerdem macht sich auch er strafbar. Die 520-Euro-Grenze (Stand: 2025) gilt als Durchschnitt über das Jahr. Gelegentliche Überschreitungen sind erlaubt, aber nur in Ausnahmefällen und maximal drei Monate im Jahr (Regelung kann sich ändern, aktuelle Grenzen bei der Minijob-Zentrale erfragen).

Besonders problematisch wird es, wenn Arbeitgeber versuchen, reguläre Arbeitsverhältnisse in Minijobs aufzuspalten. Eine Bekannte sollte statt 40 Stunden Vollzeit plötzlich zwei Minijobs machen – einen bei der Firma selbst, einen bei einer „Partnerfirma". Das ist nicht zulässig. Werden mehrere Beschäftigungen beim selben Arbeitgeber oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen ausgeübt, werden sie zusammengerechnet (Stand: 2025, Quelle: minijob-zentrale.de).

Die Digitalisierung bringt neue Herausforderungen. Viele Minijobber arbeiten mittlerweile im Homeoffice – als virtuelle Assistenten, Content-Moderatoren oder Datenerfasser. Auch hier gelten die gleichen Rechte, aber die Durchsetzung ist schwieriger. Wie weist man Arbeitszeiten nach, wenn man von zuhause arbeitet? Wie dokumentiert man Überstunden? Die Gerichte haben hier noch wenig Präzedenzfälle geschaffen. Umso wichtiger ist eine klare schriftliche Vereinbarung.

Ein Thema, das oft vergessen wird: Arbeitsschutz. Auch Minijobber haben Anspruch auf einen sicheren Arbeitsplatz. Der Arbeitgeber muss eine Gefährdungsbeurteilung durchführen, Schutzausrüstung stellen, Pausen gewähren. Bei Sabine im Blumenladen gab es keine Handschuhe für die Dornen, keine Rückenschulung für das schwere Heben. „Das war halt schon immer so", sagte sie. Erst durch den Rechtsstreit wurde ihr klar, dass sie diese Dinge hätte einfordern können.

Die europäische Perspektive ist ebenfalls interessant. Die EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen (Richtlinie 2019/1152, Stand: 2025, Quelle: europa.eu) stärkt die Rechte aller Arbeitnehmer, explizit auch die von Minijobbern. Sie haben Anspruch auf klare Information über ihre Arbeitsbedingungen, auf Planbarkeit ihrer Arbeitszeiten und auf Schutz vor missbräuchlichen Praktiken. Deutschland hat die Richtlinie umgesetzt, aber viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer kennen die neuen Rechte noch nicht.

Was würden wir heute anders machen? Definitiv früher professionelle Hilfe suchen. Die 15 Euro für die Rechtsberatung beim Amtsgericht waren gut investiert, aber ein spezialisierter Anwalt von Anfang an wäre noch besser gewesen. Auch hätten wir früher mit anderen Betroffenen sprechen sollen – der Erfahrungsaustausch war Gold wert. Und ganz wichtig: Alles dokumentieren! Jede Überstunde, jede Anweisung, jedes Gespräch. Im Zweifel zählt nur, was man schwarz auf weiß hat.

Die Geschichte hatte noch ein Nachspiel. Drei Monate nach dem Vergleich meldete sich eine ehemalige Kollegin bei Sabine. Sie war auch gekündigt worden – mit der gleichen dürren Begründung. Diesmal war Sabine vorbereitet: Sie gab ihr alle Unterlagen, die Kontaktdaten der Anwältin, erklärte ihr die Fristen. Die Kollegin klagte, bekam Recht und sogar eine höhere Abfindung als Sabine. „Wissen ist Macht", sagte Sabine dazu nur und lächelte.

Mittlerweile hat Sabine einen neuen Job – wieder ein Minijob, diesmal in einer Buchhandlung. Aber mit einem entscheidenden Unterschied: Sie hat von Anfang an einen ordentlichen Arbeitsvertrag verlangt, ihre Rechte klargestellt und sich nicht mit vagen Versprechen abspeisen lassen. „Nie wieder lass ich mich so behandeln", sagt sie. Die Chefin der Buchhandlung war erst überrascht, dann beeindruckt: „Endlich mal jemand, der weiß, was er wert ist."

Bei Kündigung richtig reagieren – 6 Steps

  1. Kündigungsschreiben prüfen (Datum, Unterschrift, Kündigungstermin notieren)
  2. Frist berechnen (3 Wochen ab Zugang für Kündigungsschutzklage)
  3. Betriebsgröße ermitteln (mehr als 10 Mitarbeiter? Dann greift KSchG)
  4. Beweise sichern (Arbeitsvertrag, Gehaltsabrechnungen, Zeugnisse)
  5. Rechtsberatung suchen (Amtsgericht, Anwalt oder Gewerkschaft)
  6. Kündigungsschutzklage einreichen (Formular beim Arbeitsgericht)

Musterbrief Kündigungsschutzklage:

An das Arbeitsgericht [Ort]

Hiermit erhebe ich Klage gegen die mir am [Datum] zugegangene Kündigung. Die Kündigung vom [Datum] ist sozial ungerechtfertigt. Ich beantrage festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst ist. [Optional: Ich beantrage Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung.] Mit freundlichen Grüßen, [Name]

(Muster sollte an individuelle Situation angepasst werden, rechtliche Beratung empfohlen)

Zum Abschluss noch ein persönlicher Rat: Lasst euch nicht einreden, dass ihr als Minijobber Menschen zweiter Klasse seid. Ihr habt Rechte, und die sind einklagbar. Ja, es kostet Überwindung und manchmal auch Geld. Aber die Alternative ist, sich alles gefallen zu lassen. Und das ist auf Dauer teurer – nicht nur finanziell, sondern vor allem für das Selbstwertgefühl.

Häufig gestellte Fragen

Viele Leser:innen haben uns gefragt, ob das Kündigungsschutzgesetz wirklich auch für Minijobber gilt. Die klare Antwort: Ja, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Das bedeutet konkret: mehr als sechs Monate Betriebszugehörigkeit und mehr als zehn Arbeitnehmer im Betrieb. Die Höhe des Verdienstes spielt keine Rolle – ob 520 Euro Minijob oder 5.000 Euro Vollzeitgehalt, die Rechte sind die gleichen (Voraussetzungen nach § 1 und § 23 KSchG, Stand: 2025).

Eine weitere häufige Frage betrifft die Kündigungsfristen bei Minijobs. Hier herrscht oft Verwirrung, weil viele glauben, Minijobber könnten jederzeit entlassen werden. Das stimmt nicht. Die gesetzlichen Kündigungsfristen gelten auch hier: in der Probezeit zwei Wochen, danach mindestens vier Wochen zum 15. oder Monatsende. Bei längerer Betriebszugehörigkeit verlängern sich die Fristen für den Arbeitgeber stufenweise (Fristen nach § 622 BGB, Stand: 2025, können durch Vertrag oder Tarifvertrag abweichen).

Die dritte große Frage, die uns immer wieder erreicht: Muss ein Minijob-Arbeitsvertrag schriftlich sein? Die überraschende Antwort: Nein, der Vertrag selbst kann mündlich geschlossen werden. Aber der Arbeitgeber muss die wesentlichen Vertragsbedingungen spätestens einen Monat nach Arbeitsbeginn schriftlich aushändigen. Wer das nicht bekommt, sollte es einfordern – zur Not mit Verweis auf das Nachweisgesetz (§ 2 NachwG, Stand: 2025).