Scheidung nach 20 Jahren – und jetzt soll auch die Betriebsrente geteilt werden?!

Betriebsrente bei Scheidung – was wird aufgeteilt?
Als sich meine Freundin nach zwanzig Ehejahren scheiden ließ, fragte sie mich völlig verzweifelt: „Muss ich jetzt auch seine Betriebsrente teilen?" Ich hatte keine Ahnung – wer denkt schon daran? Später erfuhr sie: Ja, alles, was während der Ehe angespart wurde, zählt dazu. Klingt gerecht, fühlt sich aber oft anders an. Sie sagte: „Man teilt nicht nur Geld, man teilt ein ganzes Leben." Seitdem sehe ich dieses Thema mit anderen Augen – Zahlen sind das eine, Erinnerungen das andere.
Zuletzt aktualisiert: 03.11.2025
🔹 Worum es heute geht: Wie Betriebsrenten und andere Altersvorsorge bei einer Scheidung aufgeteilt werden – und welche rechtlichen und emotionalen Herausforderungen dabei entstehen.
🔹 Was wir gelernt haben: Der Versorgungsausgleich teilt alle während der Ehe erworbenen Rentenansprüche hälftig – egal, wer sie erarbeitet hat. Das ist gesetzlich so vorgesehen und gilt automatisch.
🔹 Was Leser:innen davon haben: Fundiertes Wissen über den Versorgungsausgleich, praktische Checklisten und realistische Einschätzungen, was finanziell und organisatorisch auf Betroffene zukommt.
An diesem Novemberabend saß meine Freundin Claudia bei uns am Küchentisch und weinte. Nicht laut, nicht dramatisch – eher diese stillen Tränen, die zeigen, dass jemand am Ende seiner Kräfte ist. Sie und ihr Mann Martin hatten sich nach zwanzig Jahren Ehe getrennt. Keine große Affäre, kein Skandal – sie waren einfach auseinandergelebt, wie sie sagte. Die Kinder waren aus dem Haus, und plötzlich merkten sie, dass sie nichts mehr gemeinsam hatten. Die Entscheidung zur Scheidung war einvernehmlich gefallen, aber jetzt, wo es um die Details ging, wurde es kompliziert.
Ganz ehrlich, ich hatte vorher nie über Versorgungsausgleich nachgedacht. Das klang nach Juristendeutsch, nach Paragrafen und Gerichtsterminen – nach etwas, das einen selbst nie betreffen würde. Aber als Claudia mir erzählte, was auf sie zukommt, wurde mir klar: Das ist ein riesiges Thema, von dem die meisten Menschen kaum etwas wissen. Bis es sie selbst trifft. Sie sagte: „Martin hat seine Betriebsrente, die er seit Jahren anspart. Und jetzt sagt mein Anwalt, die muss geteilt werden. Dabei habe ich die nicht erwirtschaftet!"
In den ersten Wochen nach dieser Unterhaltung habe ich viel recherchiert. Nicht nur für Claudia, sondern auch, weil mich das Thema nicht mehr losließ. Was ich herausgefunden habe: Der Versorgungsausgleich ist ein zentraler Bestandteil jeder Scheidung in Deutschland. Er regelt die Aufteilung aller Rentenansprüche, die während der Ehe erworben wurden – gesetzliche Rente, Betriebsrente, private Altersvorsorge, Riester, Rürup, alles. Das Prinzip dahinter: Beide Partner haben gemeinsam für die Familie gearbeitet, auch wenn vielleicht nur einer erwerbstätig war oder mehr verdient hat. Daher sollen beide im Alter gleich gut abgesichert sein.
Das klingt erstmal fair und nachvollziehbar. Aber in der Praxis ist es emotional oft schwer zu akzeptieren. Martin hatte während der Ehe Vollzeit gearbeitet, Claudia hatte nach der Geburt der Kinder ihre Stunden reduziert und jahrelang nur Teilzeit gearbeitet, um sich um Familie und Haushalt zu kümmern. Das bedeutete: Sie hatte deutlich weniger in ihre eigene Rentenversicherung eingezahlt, dafür aber mehr unbezahlte Care-Arbeit geleistet. Der Versorgungsausgleich sollte genau diese Ungleichheit ausgleichen. Trotzdem fühlte es sich für beide zunächst ungerecht an – jeder aus seiner Perspektive.
Später haben wir verstanden, wie das System funktioniert. Bei einer Scheidung prüft das Familiengericht automatisch alle Versorgungsanrechte, die beide Partner während der Ehezeit aufgebaut haben. Dazu gehören die gesetzliche Rentenversicherung, betriebliche Altersversorgung, berufsständische Versorgungswerke (etwa für Ärzte oder Anwälte), private Rentenversicherungen und staatlich geförderte Altersvorsorge wie Riester oder Rürup. Die Ehezeit beginnt mit dem ersten Tag des Monats der Eheschließung und endet mit dem letzten Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags. (Quelle: Versorgungsausgleichsgesetz § 3, Stand: 2025)
Was viele nicht wissen: Der Versorgungsausgleich erfolgt grundsätzlich hälftig. Das bedeutet: Alle Rentenansprüche, die in der Ehezeit entstanden sind, werden zusammengerechnet, und jeder Partner bekommt die Hälfte. Dabei spielt es keine Rolle, wer wie viel verdient hat oder wer zu Hause geblieben ist. Das Gesetz geht davon aus, dass beide Partner gleichberechtigt zur Lebensgemeinschaft beigetragen haben – der eine durch Erwerbsarbeit, der andere durch Haushaltsführung und Kinderbetreuung. Dieser Gedanke ist wichtig, um das System zu verstehen.
In Claudias Fall sah die Rechnung ungefähr so aus: Martin hatte in zwanzig Ehejahren Rentenansprüche von etwa 800 Euro monatlich erworben – gesetzliche Rente plus Betriebsrente zusammen. Claudia hatte aufgrund ihrer Teilzeitarbeit nur etwa 350 Euro monatlich aufgebaut. Die Differenz betrug also 450 Euro. Diese Differenz wurde halbiert: 225 Euro. Das bedeutete, dass Martin künftig 225 Euro weniger Rente bekommen würde, dafür Claudia 225 Euro mehr. Am Ende hätten beide die gleiche Rentenhöhe aus der Ehezeit – jeweils 575 Euro. (Beispielrechnung – tatsächliche Beträge variieren stark je nach Einzelfall)
Für Martin war das ein Schock. Er hatte sich all die Jahre in seinem Job abgerackert, Überstunden gemacht, war auf Dienstreisen gewesen – und jetzt sollte er einen erheblichen Teil seiner Altersvorsorge abgeben. „Ich verstehe das Prinzip", sagte er zu Claudia, „aber es fühlt sich falsch an." Claudia wiederum hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie das Gefühl hatte, etwas zu bekommen, das ihr nicht zustand. „Ich habe diese Betriebsrente nicht verdient", meinte sie zu mir. Ich versuchte ihr klarzumachen: Doch, hat sie – durch ihre Arbeit zu Hause, die es Martin überhaupt erst ermöglicht hat, Vollzeit zu arbeiten.
Eine Tabelle zur Übersicht über verschiedene Versorgungsarten im Versorgungsausgleich:
| Versorgungsart | Häufigkeit | Ausgleich | Besonderheiten |
| Gesetzliche Rente | Sehr häufig | Hälftige Teilung | Wird direkt bei der Rentenversicherung durchgeführt*¹ |
| Betriebsrente | Häufig | Hälftige Teilung | Kann intern oder extern ausgeglichen werden*² |
| Riester-Rente | Mittel | Hälftige Teilung | Zulagen und Förderungen werden berücksichtigt*³ |
| Private Rentenversicherung | Mittel | Hälftige Teilung | Oft komplexe Berechnungen nötig |
| Berufsständische Versorgung | Seltener | Hälftige Teilung | Gilt für freie Berufe (Ärzte, Anwälte etc.) |
¹ Die Deutsche Rentenversicherung führt die Teilung direkt durch, keine eigenen Zahlungen zwischen Ex-Partnern.
² Interner Ausgleich bedeutet, beide bekommen Ansprüche beim gleichen Versorgungsträger; extern bedeutet, eigene Versicherung wird aufgebaut.
³ Steuerliche Auswirkungen können komplex sein – Beratung empfohlen (Stand: 2025).
Was uns besonders überrascht hat: Der Versorgungsausgleich ist kein finanzieller Ausgleich im Hier und Jetzt. Claudia bekommt die 225 Euro nicht sofort überwiesen. Stattdessen werden ihre künftigen Rentenansprüche erhöht und Martins entsprechend gekürzt – und das erst, wenn beide das Rentenalter erreichen. Bis dahin ändert sich faktisch nichts. Das ist für viele Menschen schwer zu begreifen, besonders wenn die Rente noch Jahrzehnte entfernt ist. Claudia ist 48, Martin 52 – bis zur Rente vergehen noch mindestens 15 Jahre. Trotzdem wird der Ausgleich jetzt schon festgelegt.
Später haben wir auch erfahren, dass es Ausnahmen gibt. Unter bestimmten Umständen kann auf den Versorgungsausgleich verzichtet werden – etwa wenn die Ehe sehr kurz war (weniger als drei Jahre) oder wenn beide Partner vereinbaren, darauf zu verzichten. Letzteres muss allerdings notariell beurkundet werden und wird vom Gericht nur akzeptiert, wenn es für keinen Partner zu einer offensichtlichen Benachteiligung führt. In Claudias Fall kam ein Verzicht nicht infrage – die Ehe hatte zwanzig Jahre gedauert, und die Unterschiede bei den Rentenansprüchen waren erheblich.
Ein Aspekt, der oft übersehen wird: auch private Altersvorsorge wird geteilt. Das betrifft nicht nur die klassische private Rentenversicherung, sondern auch Kapitallebensversicherungen mit Sparanteil, fondsgebundene Rentenversicherungen oder sogar bestimmte Formen von Investmentfonds, wenn sie eindeutig für die Altersvorsorge gedacht waren. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) weist darauf hin, dass bei solchen Versicherungen oft komplexe Bewertungen nötig sind, weil der Wert zum Zeitpunkt der Scheidung ermittelt werden muss – was bei schwankenden Märkten nicht immer einfach ist. (Quelle: GDV – Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, https://www.gdv.de, Stand: 2025)
Was viele auch nicht wissen: Betriebsrenten können unterschiedlich ausgestaltet sein. Es gibt Direktzusagen des Arbeitgebers, Unterstützungskassen, Pensionskassen, Pensionsfonds und Direktversicherungen. Jede dieser Formen hat ihre eigenen Regeln, und nicht alle sind gleich einfach aufzuteilen. In Martins Fall handelte es sich um eine Direktversicherung, bei der sein Arbeitgeber über die Jahre Beiträge in eine Rentenversicherung eingezahlt hatte. Diese konnte relativ unkompliziert geteilt werden. Bei Direktzusagen, wo der Arbeitgeber direkt zahlt, kann es komplizierter werden.
Ein weiteres Thema, das uns beschäftigt hat: der sogenannte schuldrechtliche Versorgungsausgleich. Das ist eine Alternative, die zum Einsatz kommt, wenn die normale Teilung nicht möglich oder sinnvoll ist – etwa weil einer der Partner bereits in Rente ist oder weil es sich um eine ausländische Versorgung handelt. In solchen Fällen wird nicht die Rente selbst geteilt, sondern der ausgleichspflichtige Partner muss dem anderen später eine monatliche Zahlung leisten. Das kann praktisch sein, führt aber zu einer dauerhaften finanziellen Verbindung zwischen den Ex-Partnern, was emotional oft belastend ist.
Inzwischen sind Claudia und Martin seit über einem Jahr geschieden. Der Versorgungsausgleich wurde vom Gericht durchgeführt, die Rentenansprüche sind entsprechend angepasst. Beide haben inzwischen Frieden damit gemacht – oder zumindest so etwas wie Akzeptanz gefunden. Claudia sagt heute: „Es ist fair. Ich habe all die Jahre auf Karriere verzichtet, damit Martin arbeiten konnte und die Kinder versorgt waren. Ohne mich hätte er diese Betriebsrente nicht aufbauen können." Martin nickt, wenn sie das sagt. Es hat lange gedauert, bis er das so sehen konnte, aber heute versteht er es.
Was uns im Rückblick auch bewusst wurde: Prävention ist wichtig. Wer heiratet, sollte sich – so unromantisch das klingt – auch über die finanziellen Folgen im Klaren sein. Ein Ehevertrag kann helfen, bestimmte Dinge zu regeln, auch den Versorgungsausgleich. Allerdings sind die Grenzen hier eng: Das Gesetz schützt den wirtschaftlich schwächeren Partner stark, und Gerichte kippen Eheverträge, die als sittenwidrig oder unangemessen angesehen werden. Man kann also nicht einfach alles ausschließen. Aber man kann etwa regeln, dass bestimmte Vermögenswerte oder Versorgungen anders behandelt werden. (Stand: 2025, rechtliche Beratung dringend empfohlen)
Die Stiftung Warentest hat in mehreren Analysen zum Thema Scheidung und Versorgungsausgleich darauf hingewiesen, dass viele Menschen die langfristigen Folgen unterschätzen. Eine Scheidung kostet nicht nur emotional, sondern auch finanziell – durch Anwalts- und Gerichtskosten, durch die Aufteilung von Vermögen und eben durch den Versorgungsausgleich. Die Stiftung Warentest rät daher, frühzeitig professionelle Beratung einzuholen und sich über alle Optionen zu informieren. Oft gibt es Gestaltungsmöglichkeiten, die auf den ersten Blick nicht ersichtlich sind. (Quelle: Stiftung Warentest, https://www.test.de, Stand: 2025)
Ein Thema, das in diesem Zusammenhang oft auftaucht: die Altersarmut von Frauen. Statistisch gesehen sind Frauen im Alter deutlich häufiger von Armut betroffen als Männer – unter anderem, weil sie während der Erwerbsphase weniger verdienen, öfter in Teilzeit arbeiten und häufiger Erziehungs- und Pflegezeiten übernehmen. Der Versorgungsausgleich ist ein wichtiges Instrument, um dieser Ungleichheit entgegenzuwirken. Ohne ihn wären viele geschiedene Frauen im Alter existenziell gefährdet. Das Europäische Parlament hat in mehreren Resolutionen betont, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen müssen, um die Rentenlücke zwischen Männern und Frauen zu schließen. Der Versorgungsausgleich ist in Deutschland ein Teil dieser Bemühungen. (Quelle: Europäisches Parlament, https://www.europarl.europa.eu, Stand: 2025)
Interessanterweise gibt es auch eine ökologische Perspektive auf das Thema Altersvorsorge. Der BUND – Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland – weist darauf hin, dass viele Rentenversicherungen und Pensionsfonds in umweltschädliche Industrien investieren – fossile Brennstoffe, Massentierhaltung, Rüstung. Wer seine Altersvorsorge plant, sollte auch auf nachhaltige Anlageformen achten. Es gibt inzwischen zahlreiche ökologisch orientierte Rentenversicherungen und Pensionsfonds, die nach ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) investieren. Das ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern oft auch finanziell attraktiv, weil nachhaltige Unternehmen langfristig stabiler wirtschaften. (Quelle: BUND – Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., https://www.bund.net, Stand: 2025)
Auch der NABU – Naturschutzbund Deutschland – hat sich zum Thema geäußert. In einer Stellungnahme aus dem Jahr 2024 wird betont, dass die Rentenversicherungen und Pensionskassen als große institutionelle Investoren eine besondere Verantwortung tragen. Sie könnten durch ihre Anlageentscheidungen maßgeblich dazu beitragen, den Klimawandel zu bremsen oder soziale Standards zu fördern. Der NABU fordert mehr Transparenz darüber, wohin das Geld der Versicherten fließt, und plädiert für strengere Nachhaltigkeitskriterien. (Quelle: NABU – Naturschutzbund Deutschland e.V., https://www.nabu.de, Stand: 2025)
Zurück zu den praktischen Fragen: Wie läuft der Versorgungsausgleich konkret ab? In der Regel kümmert sich das Familiengericht darum, sobald der Scheidungsantrag gestellt wird. Beide Partner müssen Fragebögen ausfüllen, in denen sie alle ihre Versorgungsanrechte angeben. Die Versorgungsträger – also Rentenversicherung, Betriebsrentenkasse, private Versicherungen – werden vom Gericht angeschrieben und müssen Auskunft über die jeweiligen Ansprüche geben. Das kann mehrere Monate dauern. Erst wenn alle Informationen vorliegen, kann das Gericht die Teilung berechnen und beschließen.
Hier kommt unsere praktische Checkliste für den Versorgungsausgleich:
✅ Versorgungsausgleich vorbereiten – 6 Steps
- Unterlagen sammeln: Alle Rentenbescheide, Versicherungspolicen, Betriebsrentenzusagen, Riester-Verträge etc. zusammenstellen und kopieren.
- Ehezeit berechnen: Genau feststellen, wann die Ehe begonnen hat (erster Tag des Heiratsmonats) und wann der Scheidungsantrag zugestellt wurde (letzter Tag des Vormonats).
- Versorgungsträger kontaktieren: Bei Unklarheiten direkt beim Arbeitgeber, der Rentenversicherung oder der Versicherung nachfragen, welche Ansprüche bestehen.
- Fragebogen gewissenhaft ausfüllen: Alle Angaben vollständig und ehrlich machen – fehlende oder falsche Angaben verzögern das Verfahren erheblich.
- Beratung einholen: Bei komplexen Versorgungssituationen (z. B. internationale Renten, mehrere Betriebsrenten) unbedingt einen Fachanwalt für Familienrecht konsultieren.
- Beschluss prüfen: Wenn das Gericht den Versorgungsausgleich beschlossen hat, die Berechnung genau kontrollieren – bei Fehlern kann man binnen eines Monats Beschwerde einlegen.
Musterschreiben zur Anfrage bei einem Versorgungsträger:
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Rahmen meiner Scheidung benötige ich Auskunft über meine Versorgungsanrechte bei Ihnen für die Ehezeit vom [Datum] bis [Datum].
Bitte senden Sie mir eine Berechnung der während dieser Zeit erworbenen Anwartschaft zu.
Ich benötige die Unterlagen für das Familiengericht [Name, Aktenzeichen].
Mit freundlichen Grüßen, [Name]
Was uns auch klar geworden ist: Der Versorgungsausgleich kann die Scheidung verzögern. Wenn die Auskünfte der Versorgungsträger auf sich warten lassen oder wenn komplizierte Berechnungen nötig sind, kann sich das Verfahren über ein Jahr oder länger hinziehen. In Claudias Fall dauerte es etwa neun Monate von der Antragstellung bis zum rechtskräftigen Scheidungsbeschluss. Das ist emotional belastend, weil man nicht abschließen kann, solange das Verfahren läuft.
Eine Möglichkeit, die Scheidung zu beschleunigen: die Abtrennung des Versorgungsausgleichs. Das bedeutet, dass die Scheidung selbst vorab vollzogen wird und der Versorgungsausgleich später in einem separaten Verfahren geklärt wird. Das ist aber nur in Ausnahmefällen möglich und sinnvoll – etwa wenn die Klärung der Versorgungsansprüche absehbar sehr lange dauert oder wenn besondere Härten vorliegen. Die meisten Gerichte lehnen eine Abtrennung ab, weil der Versorgungsausgleich ein zentraler Bestandteil der Scheidung ist.
Ein weiteres komplexes Thema: internationale Scheidungen. Wenn einer der Partner im Ausland gearbeitet hat oder wenn ausländische Rentenansprüche bestehen, wird es kompliziert. Nicht alle Länder kennen ein System wie den deutschen Versorgungsausgleich, und die Anerkennung und Durchsetzung von Ansprüchen kann schwierig sein. Die EU hat zwar Regelungen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Familiensachen, aber in der Praxis hakt es oft. Wer in einer solchen Situation ist, braucht unbedingt spezialisierte rechtliche Beratung. (Quelle: Europäisches Parlament, diverse Verordnungen zum internationalen Familienrecht, https://www.europarl.europa.eu, Stand: 2025)
Auch die Digitalisierung spielt eine zunehmende Rolle. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) weist darauf hin, dass immer mehr Versorgungsträger digitale Portale anbieten, über die man Auskünfte einholen oder Anträge stellen kann. Das beschleunigt die Prozesse und reduziert Papierkram. Allerdings müssen Nutzer darauf achten, dass diese Portale sicher sind – also verschlüsselte Verbindungen nutzen und sensible Daten schützen. Das BSI empfiehlt, nur offizielle Websites zu nutzen und bei Unsicherheiten telefonisch nachzufragen. (Quelle: BSI – Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, https://www.bsi.bund.de, Stand: 2025)
Was uns emotional am meisten bewegt hat: die Frage nach Gerechtigkeit. Ist es wirklich fair, dass jemand, der sein Leben lang hart gearbeitet hat, einen erheblichen Teil seiner Rente abgeben muss? Ist es umgekehrt fair, dass jemand, der sich um Kinder und Haushalt gekümmert hat, im Alter deutlich schlechter dasteht? Das sind keine einfachen Fragen, und die Antworten hängen oft von der eigenen Perspektive ab. Das Gesetz versucht, einen Ausgleich zu schaffen, der beiden Partnern gerecht wird. Ob das in jedem Einzelfall gelingt, ist eine andere Frage.
Claudia und Martin haben inzwischen beide neue Partner. Claudia lebt mit ihrem neuen Freund zusammen, Martin ist verlobt. Beide haben gelernt, mit der Scheidung umzugehen – finanziell und emotional. Claudia sagt heute: „Der Versorgungsausgleich war richtig. Ich hätte im Alter sonst kaum etwas gehabt. So bin ich wenigstens einigermaßen abgesichert." Martin fügt hinzu: „Es hat wehgetan, aber ich verstehe es. Wir haben gemeinsam gelebt, also sollten wir auch gemeinsam die Früchte unserer Arbeit ernten – oder eben teilen."
Was wir aus dieser Geschichte gelernt haben: Vorsorge ist wichtig. Nicht nur finanziell, sondern auch emotional und organisatorisch. Wer heiratet, sollte sich bewusst sein, dass eine Ehe auch eine wirtschaftliche Gemeinschaft ist. Und wer sich scheiden lässt, sollte sich frühzeitig informieren, was auf einen zukommt. Der Versorgungsausgleich ist kein böser Trick des Gesetzgebers, sondern ein Schutzmechanismus für den wirtschaftlich schwächeren Partner. Das zu verstehen, hilft, die Situation zu akzeptieren.
Abschließend noch ein Gedanke: Der Versorgungsausgleich betrifft nicht nur die Expartner, sondern auch deren neue Partner. Wenn Martin wieder heiratet, wird seine neue Frau eine geringere Witwenrente bekommen, weil seine eigene Rente durch den Versorgungsausgleich geschmälert ist. Das kann zu Spannungen führen, besonders wenn die neue Partnerin sich benachteiligt fühlt. Auch hier ist Kommunikation wichtig: Wer in eine solche Konstellation hineingerät, sollte das Thema offen ansprechen und gemeinsam Lösungen suchen.
In diesem Sinne: Scheidung ist kompliziert, schmerzhaft und oft ungerecht. Aber sie ist auch eine Chance, neu anzufangen – für beide Partner. Der Versorgungsausgleich ist dabei ein Baustein, der dafür sorgen soll, dass niemand im Alter leer ausgeht. Er ist nicht perfekt, aber er ist besser als nichts. Und manchmal ist das, was am Küchentisch am schwierigsten zu besprechen ist, am Ende das, was am meisten Gerechtigkeit schafft.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Viele Leser:innen haben uns nach Claudias Geschichte gefragt, wie der Versorgungsausgleich in verschiedenen Situationen funktioniert. Hier sind die drei häufigsten Fragen:
1. Muss der Versorgungsausgleich immer durchgeführt werden?
In der Regel ja – bei jeder Scheidung führt das Familiengericht den Versorgungsausgleich automatisch durch. Ausnahmen gelten bei sehr kurzen Ehen (unter drei Jahren) oder wenn beide Partner notariell auf den Ausgleich verzichten. Ein solcher Verzicht wird vom Gericht aber nur akzeptiert, wenn er für keinen Partner zu einer unangemessenen Benachteiligung führt. Bei großen Unterschieden in den Rentenansprüchen ist ein Verzicht daher oft nicht möglich. (Quelle: Versorgungsausgleichsgesetz, Stand: 2025)
2. Was passiert mit der Betriebsrente meines Partners, wenn er noch gar nicht in Rente ist?
Die Betriebsrente wird trotzdem geteilt – allerdings nicht als sofortige Zahlung, sondern als zukünftiger Anspruch. Das Gericht berechnet, welchen Wert die Betriebsrente zum Zeitpunkt der Scheidung hat, und teilt diesen Wert hälftig auf beide Partner auf. Wenn beide später in Rente gehen, bekommt jeder seine angepassten Ansprüche ausgezahlt. Bis dahin ändert sich nichts. (Quelle: GDV – Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, https://www.gdv.de, Stand: 2025)
3. Kann ich den Versorgungsausgleich im Ehevertrag ausschließen?
Theoretisch ja, praktisch nur eingeschränkt. Eheverträge, die den wirtschaftlich schwächeren Partner unangemessen benachteiligen, werden von Gerichten oft für unwirksam erklärt. Besonders problematisch sind Ausschlüsse des Versorgungsausgleichs, wenn dadurch ein Partner im Alter nicht abgesichert ist. Eine rechtliche Beratung vor Abschluss eines Ehevertrags ist daher unbedingt ratsam. (Quelle: Stiftung Warentest, https://www.test.de, Stand: 2025)
Das war Claudias und Martins Geschichte – und ein bisschen auch unsere. Denn durch sie haben wir gelernt, wie wichtig es ist, sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen, auch wenn sie unangenehm sind. Der Versorgungsausgleich ist komplex, oft emotional aufgeladen und für viele ein Schock. Aber er ist auch ein wichtiger Schutzmechanismus, der dafür sorgt, dass beide Partner einer Ehe im Alter abgesichert sind. Wer sich informiert, vorbereitet und professionelle Hilfe sucht, kann diese schwierige Phase besser durchstehen. Und am Ende vielleicht sogar mit einem Gefühl von Gerechtigkeit zurückbleiben.