Offene Regale in der Küche: Traum oder täglicher Staubkampf?

Das offene Regal in der Küche: Chaos oder Charme?
Als wir die geschlossenen Küchenschränke gegen offene Regale getauscht haben, war ich begeistert: alles griffbereit, luftig, fast wie im Café. Zwei Wochen später – Staub, Gewürzkrümel, Becherturm. Markus wollte schon aufgeben, aber irgendwie mochte ich das gelebte Chaos. Es zeigt, dass hier gekocht wird, nicht dekoriert. Heute wischen wir öfter Staub, ja – aber wir sehen auch, was wir haben. Vielleicht ist genau das der Charme: Ordnung, die atmet, statt perfekt zu sein.
Zuletzt aktualisiert: 07. November 2025
🔹 Worum es heute geht: Offene Küchenregale zwischen Instagram-Ästhetik und Alltagsrealität – mit praktischen Tipps zur Organisation, Staubvermeidung und der Frage, ob sich der Aufwand wirklich lohnt.
🔹 Was wir gelernt haben: Offene Regale funktionieren nur mit konsequenter Pflege und durchdachter Auswahl dessen, was man zeigt. Aber wenn man es richtig macht, schaffen sie eine Leichtigkeit, die geschlossene Schränke nicht bieten.
🔹 Was Leser:innen davon haben: Ehrliche Einblicke in Vor- und Nachteile, konkrete Organisationstricks und die Erkenntnis, dass nicht jeder Trend zu jedem Haushalt passt – und das völlig okay ist.
In den ersten Tagen nach dem Umbau fühlte sich die Küche wie verwandelt an. Plötzlich wirkte der Raum größer, heller, offener. Die weißen Teller stapelten sich akkurat, die Gläser funkelten im Licht, und selbst die Gewürzdosen sahen aus wie kleine Kunstwerke. Ich machte Fotos. Schickte sie Freunden. Dachte: Warum haben wir das nicht schon früher gemacht? Markus war skeptischer. „Das wird nie sauber bleiben", prophezeite er. Ich winkte ab. Natürlich würde es sauber bleiben. Wie schwer konnte das schon sein?
Später, etwa zwei Wochen später, verstand ich, was er meinte. Eine feine Staubschicht hatte sich auf den Tellern abgelegt. Zwischen den Gewürzdosen sammelten sich Krümel. Ein Stapel Becher war irgendwie schief geraten und sah eher nach improvisierter Skulptur aus als nach durchdachter Ordnung. Die Pinterest-Ästhetik war einer alltäglicheren Realität gewichen. Haben Sie das schon erlebt? Dass etwas auf Bildern perfekt aussieht, im echten Leben aber eine ganz andere Geschichte erzählt?
Ganz ehrlich, am Anfang wussten wir nicht, ob wir die richtige Entscheidung getroffen hatten. Die alten Schränke mit Türen waren praktisch gewesen. Kein Staub, keine Sichtbarkeit von Unordnung, kein Druck, ständig alles akkurat zu arrangieren. Aber sie hatten auch etwas Erdrückendes gehabt. Die Küche war dunkel gewesen, eng, fast bedrängend. Jetzt war sie luftig – aber eben auch exponiert. Alles, was vorher hinter Türen verschwinden konnte, lag nun offen da. Das war befreiend und gleichzeitig herausfordernd.
In dieser Phase begannen wir, uns intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen. Was bedeutet es eigentlich, offene Regale in der Küche zu haben? Welche Vor- und Nachteile gibt es jenseits der ästhetischen Frage? Und wie schaffen es andere Menschen, dass ihre offenen Regale nicht nach drei Tagen wie ein Durcheinander aussehen? Die Antworten fanden wir in einer Mischung aus praktischen Experimenten, Gesprächen mit Freunden und durchaus auch wissenschaftlichen Erkenntnissen über Staub, Hygiene und Raumgestaltung.
Die Staubfrage stellte sich als komplexer heraus als gedacht. Staub entsteht permanent – aus Hautschuppen, Textilfasern, Pollen, Rußpartikeln von draußen. In Innenräumen sammelt sich durchschnittlich etwa ein Milligramm Staub pro Quadratmeter und Tag, in Küchen durch Kochdämpfe und Fettpartikel sogar mehr (Stand: 2025, Untersuchungen des Umweltbundesamts zu Innenraumluftqualität, umweltbundesamt.de). Geschlossene Schränke schützen davor – nicht vollständig, aber deutlich. Offene Regale sind diesem Staub schutzlos ausgeliefert. Das bedeutet: regelmäßiges Reinigen wird zur Notwendigkeit, nicht zur Option.
Später entwickelten wir eine Art Wochenrhythmus. Einmal pro Woche alle Regale feucht abwischen. Klingt machbar, war es anfangs aber nicht. Denn „abwischen" bedeutet bei offenen Regalen: alles herunternehmen, Regal putzen, Geschirr putzen, wieder einräumen. Das dauert. Bei geschlossenen Schränken reicht es, die Türen abzuwischen – fertig in fünf Minuten. Bei offenen Regalen braucht man locker dreißig bis vierzig Minuten für die ganze Küche. Das ist ein erheblicher Mehraufwand, den man nicht unterschätzen sollte.
Trotzdem hat es Vorteile. Durch die wöchentliche Reinigung fiel uns auf, was wir wirklich nutzen – und was nur herumsteht. Tassen, die nie verwendet wurden. Teller, die seit Monaten unberührt blieben. Gewürze, deren Haltbarkeitsdatum längst abgelaufen war. Offene Regale machen sichtbar, was man besitzt. Und diese Sichtbarkeit zwingt zu Entscheidungen. Brauche ich das noch? Nutze ich das? Oder steht es nur da, weil es mal da war?
In dieser Phase entrümpelten wir erstaunlich viel. Etwa ein Drittel unseres Geschirrs wanderte in Kartons – entweder gespendet oder ins Archiv. Was blieb, waren Dinge, die wir tatsächlich regelmäßig verwendeten. Und das veränderte die Ästhetik. Plötzlich sahen die Regale nicht mehr überladen aus, sondern kuratiert. Nicht perfekt, aber durchdacht. Es entstand ein Gleichgewicht zwischen Funktionalität und Optik, das vorher gefehlt hatte.
Ganz praktisch stellte sich dann die Frage: Was gehört ins offene Regal, was nicht? Nicht alles eignet sich für die permanente Sichtbarkeit. Wir begannen zu kategorisieren. Schönes Geschirr, das man gerne zeigt – ja. Alltägliche Plastikdosen – eher nein. Gläser und Tassen – ja. Verbeulte Töpfe – lieber im geschlossenen Unterschrank. Gewürze in einheitlichen Dosen – ja. Zufällig gekaufte Tüten und Packungen – nein. Diese Differenzierung half enorm, Ordnung zu halten.
Später stießen wir auch auf hygienische Überlegungen. Sind offene Regale in der Küche überhaupt hygienisch vertretbar? Die Antwort ist: Es kommt darauf an. In gewerblichen Küchen sind geschlossene Schränke aus gutem Grund Pflicht – Schutz vor Kontamination, Schädlingen und Staubansammlung (Stand: 2025, EU-Lebensmittelhygiene-Verordnung, verfügbar über europa.eu/food-safety). In privaten Haushalten gelten diese Vorschriften nicht, aber die Logik dahinter ist trotzdem relevant. Geschirr, das offen steht, ist mehr Umwelteinflüssen ausgesetzt. Fettdämpfe beim Braten setzen sich ab. Spritzer beim Kochen können Teller und Gläser erreichen. Das bedeutet: Man sollte Geschirr aus offenen Regalen vor Gebrauch kurz abspülen oder zumindest prüfen, ob es wirklich sauber ist.
Ein Punkt, den viele unterschätzen: Die Position der Regale spielt eine große Rolle. Offene Regale direkt über dem Herd sind problematisch. Dort sammeln sich Fettdämpfe besonders schnell. Besser sind Positionen weiter weg von Kochstellen, idealerweise an Seitenwänden oder gegenüber. Wir hatten ein Regal direkt neben dem Herd – das mussten wir nach wenigen Wochen umpositionieren, weil die Dosen permanent fettig wurden. Manche Lektionen lernt man nur durch eigene Erfahrung.
Die Frage der Ästhetik versus Funktionalität beschäftigte uns immer wieder. Instagram und Pinterest zeigen perfekt arrangierte Regale – farblich sortiert, minimalistisch, makellos. Die Realität sieht anders aus. Wir kochen täglich, oft mehrmals. Teller stapeln sich in der Spüle, bevor sie zurück ins Regal kommen. Gewürze werden benutzt und nicht immer sofort exakt zurückgestellt. Das Leben ist unordentlicher als Hochglanzfotos. Und das ist okay. Aber es bedeutet auch, dass man entweder ständig aufräumt oder akzeptiert, dass die Regale nicht immer makellos aussehen.
Später entschieden wir uns für einen pragmatischen Mittelweg. Bestimmte Bereiche bleiben dekorativ – ein Regal mit schönem Geschirr, das man gerne zeigt. Andere Bereiche sind funktional – dort stehen die Dinge, die wir täglich brauchen, in weniger perfekter, aber praktischer Anordnung. Diese Zweiteilung half, den Druck rauszunehmen. Nicht alles muss perfekt sein. Manche Ecken dürfen lebendig und etwas chaotisch bleiben.
Ein unerwarteter Vorteil: Offene Regale fördern bewussten Konsum. Wenn man sieht, was man hat, kauft man weniger doppelt. Wie oft hatten wir früher neue Gewürze gekauft, weil wir nicht wussten, dass hinten im Schrank noch zwei Packungen standen? Jetzt sehen wir auf einen Blick, was vorhanden ist. Das reduziert Verschwendung und spart Geld. Nicht dramatisch, aber spürbar. Unsere monatlichen Ausgaben für Küchenartikel sanken um etwa zehn bis fünfzehn Prozent (Beispielangabe – kann je nach Einkaufsverhalten variieren).
Ganz ehrlich, die größte Herausforderung war nicht der Staub, sondern die mentale Umstellung. Früher konnte man Unordnung hinter Türen verstecken. Jetzt war sie sichtbar. Das erzeugte anfangs Stress. Besonders wenn Besuch kam, fühlte ich mich unter Druck, alles perfekt zu arrangieren. Aber dann merkten wir: Den meisten Gästen war es egal. Manche fanden die offenen Regale sogar einladend. „Sieht aus, als würde hier wirklich gekocht werden", meinte eine Freundin. Das war als Kompliment gemeint – und ich nahm es als solches.
In Gesprächen mit anderen stellten wir fest, dass viele ähnliche Erfahrungen machten. Eine Bekannte hatte offene Regale nach sechs Monaten wieder gegen geschlossene getauscht. „Zu viel Arbeit", sagte sie. „Ich bin einfach nicht der Typ dafür." Eine andere schwärmte davon, wie befreiend es sei. „Endlich muss ich nicht mehr suchen. Alles ist sichtbar und erreichbar." Offensichtlich ist es eine sehr persönliche Entscheidung, stark abhängig von Lebensstil, Ordnungsvorlieben und verfügbarer Zeit.
Später begannen wir, mit verschiedenen Organisationssystemen zu experimentieren. Körbe für Kleinteile. Beschriftete Dosen für Vorräte. Einheitliche Gefäße für Gewürze. Das brachte nicht nur optische Ruhe, sondern auch praktische Vorteile. Standardisierung erleichtert das Aufräumen enorm. Wenn jedes Ding einen festen Platz und ein festes Behältnis hat, dauert das Einräumen nach dem Spülen nur noch Sekunden. Improvisiertes Gestapel hingegen kostet Zeit und sieht schnell chaotisch aus.
Ein praktischer Tipp, den wir erst spät entdeckten: Regalbretter mit abgeschrägter Vorderkante verhindern, dass Staub sich am Rand sammelt. Oder zumindest wird er weniger sichtbar. Auch die Wahl des Materials spielt eine Rolle. Helle Holzregale zeigen Staub schneller als dunkle. Glas- oder Metallregale lassen sich leichter reinigen als offenporiges Holz. Solche Details klingen nebensächlich, machen im Alltag aber einen Unterschied.
Die Frage der Kindersicherheit tauchte bei uns erst auf, als Emma größer wurde und anfing, selbstständig Sachen aus den Regalen zu nehmen. Offene Regale bedeuten: alles ist erreichbar. Das kann praktisch sein – Kinder lernen früh, sich selbst zu bedienen. Aber es birgt auch Risiken. Schwere Teller, Glassachen, scharfe Messer – wenn sie in Reichweite sind, braucht es klare Regeln. Wir reservierten die unteren Regale für bruchsicheres Geschirr und Plastikbecher. Alles Zerbrechliche kam nach oben. Eine einfache Maßnahme, die viele kleine Unfälle verhinderte.
Später stießen wir auch auf kulturelle und historische Aspekte. Offene Regale sind keine neue Erfindung. In traditionellen Bauernküchen war es üblich, Geschirr offen aufzubewahren – aus praktischen Gründen. Man brauchte keinen teuren Schrank, alles war griffbereit, und die Sichtbarkeit erleichterte den Überblick. Erst mit zunehmendem Wohlstand und industrieller Möbelproduktion wurden geschlossene Schränke Standard. Jetzt erleben offene Regale ein Revival – teils aus ästhetischen, teils aus ökologischen Gründen. Weniger Material, weniger Ressourcenverbrauch, mehr Transparenz.
In diesem Zusammenhang fiel uns auf, wie sehr Küchengestaltung Modetrends unterliegt. In den 1970ern waren orange-braune geschlossene Schränke Standard. In den 1990ern Hochglanzfronten. In den 2000ern puristische Designerküchen. Jetzt sind es offene Regale und Industrial-Look. Was davon bleibt? Schwer zu sagen. Aber es zeigt, dass Einrichtungsentscheidungen oft mehr mit Zeitgeist zu tun haben als mit dauerhafter Praktikabilität.
Ganz praktisch entwickelten wir über die Monate eine Art Routine, die den Aufwand minimierte. Sechs Schritte, die bei uns funktionieren und die vielleicht auch anderen helfen:
Unsere Strategie für lebbare offene Regale – sechs Schritte:
Erstens reduzierten wir konsequent. Nur was wir wirklich nutzen, bleibt sichtbar. Zweitens etablierten wir feste Kategorien. Tassen hier, Teller dort, Gläser daneben. Keine improvisierten Lösungen. Drittens investierten wir in einheitliche Aufbewahrung. Gleiche Dosen, gleiche Körbe. Das schafft optische Ruhe. Viertens integrierten wir die Reinigung in den Wochenrhythmus. Samstags werden die Regale geputzt, ohne Diskussion. Fünftens akzeptieren wir, dass nicht immer alles perfekt ist. Wenn montags ein paar Teller schief stehen – okay. Sechstens nutzen wir die Sichtbarkeit bewusst. Was zu lange ungenutzt bleibt, fliegt raus. Das hält die Sammlung aktuell und relevant.
Für alle, die überlegen, ob offene Regale zu ihnen passen, haben wir versucht, die wichtigsten Faktoren in einer Übersicht darzustellen. Nicht als abschließende Wahrheit, eher als Orientierung:
| Kriterium | Vorteil | Nachteil |
|---|---|---|
| Ästhetik | Luftig, offen | Unordnung sichtbar |
| Reinigung | Keine Türen putzen | Mehr Staubkontakt |
| Zugriff | Alles sofort sichtbar | Keine Privatsphäre |
| Kosten | Günstiger als Schränke | Deko-Druck |
| Kindersicherheit | Selbstbedienung | Erreichbarkeit |
| Hygiene | Bessere Lüftung | Mehr Exposition |
Diese Tabelle hängt bei uns intern als Reminder. Sie hilft, wenn wir uns fragen, ob die Entscheidung richtig war. Meist ist die Antwort: Ja, mit Einschränkungen.
Ein Aspekt, der oft übersehen wird: Offene Regale beeinflussen das Konsumverhalten. Man kauft bewusster ein, weil man weiß, dass alles sichtbar sein wird. Unschöne Verpackungen stören das Gesamtbild. Also greift man zu Produkten mit ansprechendem Design – oder füllt Sachen in schönere Behälter um. Das kostet Zeit und manchmal Geld, erzeugt aber auch Wertschätzung. Lebensmittel, die man in schönen Gläsern aufbewahrt, wirft man seltener weg. Sie werden wertgeschätzt, nicht nur verstaut.
Später entdeckten wir auch, dass offene Regale die Art verändern, wie man mit Gästen interagiert. Früher öffneten wir Schränke, wenn jemand einen Teller brauchte. „Nimm dir, was du möchtest." Jetzt können Gäste selbst schauen, selbst nehmen. Das schafft eine andere Atmosphäre – entspannter, weniger formell. Manche empfinden das als angenehm, andere als zu intrusiv. Auch hier gilt: Es passt nicht zu jedem Persönlichkeitstyp.
Die Frage der Langlebigkeit beschäftigte uns ebenfalls. Wie lange halten offene Regale als Küchenkonzept? Werden wir in zwei Jahren die Entscheidung bereuen? Schwer zu sagen. Aber bisher, nach über einem Jahr, bereuen wir nichts. Die anfänglichen Herausforderungen haben sich gelegt. Die Routinen laufen. Und die Vorteile – Übersichtlichkeit, Leichtigkeit, bewusster Umgang mit Besitz – überwiegen für uns die Nachteile.
Haben Sie schon mal eine Einrichtungsentscheidung getroffen, die anfangs anstrengend war, sich dann aber bewährte? Manchmal brauchen Veränderungen einfach eine Eingewöhnungszeit. Das gilt für offene Regale genauso wie für neue Möbel, andere Raumaufteilungen oder farbliche Umgestaltungen. Der erste Eindruck täuscht oft – im Guten wie im Schlechten.
Ein praktischer Nebeneffekt: Offene Regale zwingen zu regelmäßiger Evaluation. Einmal pro Saison schauen wir durch, was noch passt und was nicht mehr gebraucht wird. Das hält die Küche aktuell und verhindert, dass sich Dinge ansammeln, die nur Platz wegnehmen. Bei geschlossenen Schränken passiert das seltener – aus den Augen, aus dem Sinn. Das kann bequem sein, führt aber oft zu Überladung und Chaos hinter den Türen.
In Bezug auf Nachhaltigkeit haben offene Regale durchaus Vorteile. Sie benötigen weniger Material als geschlossene Schränke – keine Türen, keine Scharniere, keine zusätzlichen Beschläge. Das reduziert den Ressourcenverbrauch bei Herstellung und Transport (Stand: 2025, Ökobilanzstudien zu Küchenmöbeln, dokumentiert vom Umweltbundesamt, umweltbundesamt.de). Zudem fördern sie einen minimalistischeren Lebensstil, was indirekt ebenfalls der Umwelt zugutekommt. Weniger Besitz bedeutet weniger Produktion, weniger Abfall, weniger ökologischen Fußabdruck.
Gleichzeitig gibt es auch kritische Stimmen. Manche Experten für Wohnhygiene raten von offenen Regalen ab, gerade in Haushalten mit Allergikern. Staub und Partikel können sich ungehindert absetzen, was Symptome verschlimmern kann (Stand: 2025, Empfehlungen des Deutschen Allergie- und Asthmabunds, daab.de). In solchen Fällen sind geschlossene Schränke die bessere Wahl – oder zumindest Glasvitrinen, die Schutz bieten, aber dennoch Sichtbarkeit ermöglichen.
Später sprachen wir auch mit einer Innenarchitektin darüber. Ihre Perspektive war interessant: „Offene Regale funktionieren nur, wenn man bereit ist, sein Leben zu zeigen. Sie sind ehrlich. Sie verbergen nichts. Das kann befreiend sein – oder belastend, je nach Persönlichkeit." Diese Beschreibung traf es ziemlich genau. Offene Regale sind eine Art Statement. Sie sagen: So leben wir. Das ist unsere Realität. Keine Fassade, keine versteckten Ecken. Manche Menschen finden das toll, andere unangenehm.
Ein weiterer Punkt betrifft den Wiederverkaufswert von Wohnungen oder Häusern. Makler berichten, dass offene Küchenregale polarisieren. Manche Käufer lieben sie, andere lehnen sie kategorisch ab. Das kann den Verkaufsprozess beeinflussen – positiv oder negativ. Wer plant, in absehbarer Zeit zu verkaufen, sollte das berücksichtigen. Geschlossene Schränke sind universeller akzeptiert und damit aus Investitionssicht manchmal die sicherere Wahl (Stand: 2025, Einschätzungen des Immobilienverbands Deutschland, ivd.net – kann regional und marktbedingt variieren).
Ganz ehrlich, nach über einem Jahr mit offenen Regalen würden wir die Entscheidung wieder treffen. Aber wir sind uns auch bewusst, dass es nicht für jeden passt. Es erfordert Disziplin, Zeit und die Bereitschaft, Unordnung auszuhalten oder eben ständig aufzuräumen. Wer beides nicht hat, wird mit offenen Regalen nicht glücklich. Und das ist völlig legitim. Küche ist Funktionsraum, kein Showroom. Was dort funktioniert, ist individuell.
Für alle, die den Schritt wagen wollen, aber unsicher sind, haben wir einen Tipp: Nicht alles auf einmal. Erst ein Regal öffnen, testen, wie es sich anfühlt. Wenn es funktioniert, weiter machen. Wenn nicht, zurück zu geschlossen. Kompromisse sind ebenfalls möglich – manche Bereiche offen, andere geschlossen. Hybridlösungen vereinen oft das Beste aus beiden Welten.
Für alle, die rechtliche oder mietrechtliche Fragen haben – etwa bei geplanten Umbauten in Mietwohnungen – gilt: Regalmontage ist meist unproblematisch, solange keine tragenden Wände beschädigt werden. Löcher für Dübel gelten in der Regel als übliche Gebrauchsspuren, größere bauliche Veränderungen erfordern aber Vermieter-Zustimmung (Stand: 2025, allgemeine Rechtslage im deutschen Mietrecht, dokumentiert auf mieterbund.de – kann je nach Mietvertrag variieren). Ein kurzes formloses Schreiben schafft Klarheit:
„Sehr geehrte/r Frau/Herr [Name], ich plane, in der Küche meiner Wohnung [Adresse] zusätzliche offene Regale zu montieren. Die Montage erfolgt fachgerecht mit Dübeln an nicht tragenden Wänden. Bei Auszug können die Löcher wieder verschlossen werden. Ich bitte um Ihre Zustimmung oder Rückmeldung, falls Bedenken bestehen. Mit freundlichen Grüßen, [Name]"
Kein Garantieschein, aber eine höfliche Absicherung. Die meisten Vermieter haben damit keine Probleme, solange alles ordnungsgemäß gemacht wird.
Nach etwa anderthalb Jahren stellten wir fest, dass sich auch unsere Kochgewohnheiten verändert hatten. Weil wir sahen, was wir hatten, experimentierten wir mehr. Gewürze, die früher hinten im Schrank vergessen wurden, kamen plötzlich zum Einsatz. Zutaten, deren Existenz wir vergessen hatten, inspirierten neue Gerichte. Die Sichtbarkeit förderte Kreativität. Nicht bei jedem, nicht automatisch – aber bei uns schon.
Gleichzeitig reduzierten wir Impulskäufe. Wenn man weiß, dass jede neue Anschaffung einen Platz im offenen Regal braucht und dort sichtbar sein wird, überlegt man zweimal, ob man es wirklich braucht. Diese Hürde wirkt wie ein natürlicher Filter gegen Überkonsum. Nicht perfekt, aber wirksam.
Ein letzter Gedanke: Offene Regale sind auch eine Art Ehrlichkeit gegenüber sich selbst. Sie zeigen, wie man wirklich lebt – nicht, wie man leben möchte. Das kann unangenehm sein, besonders wenn die Realität nicht den eigenen Idealen entspricht. Aber es kann auch heilsam sein. Akzeptanz statt Verleugnung. Authentizität statt Perfektion. Vielleicht brauchen wir mehr davon – in Küchen wie im Leben.
Häufig gestellte Fragen
Viele Leser:innen haben uns geschrieben und wollten Details wissen – vor allem, ob offene Regale wirklich alltagstauglich sind. Die drei häufigsten Fragen und unsere ehrlichen Antworten.
Wie oft muss man wirklich Staub wischen bei offenen Regalen?
Das hängt stark von der Wohnsituation ab. In städtischen Gegenden mit viel Verkehr eher wöchentlich, auf dem Land mit weniger Feinstaubbelastung reichen manchmal auch zehn bis vierzehn Tage. Bei uns hat sich ein wöchentlicher Rhythmus etabliert – jeden Samstag. Kostet etwa dreißig Minuten für die ganze Küche. Klingt nach viel, aber man gewöhnt sich dran. Und ehrlich gesagt: Geschlossene Schränke sollte man innen auch regelmäßig reinigen, das macht nur kaum jemand.
Sind offene Regale hygienisch, wenn man viel kocht?
Sie sind anders hygienisch. Geschirr ist mehr Umwelteinflüssen ausgesetzt – Staub, Fettdämpfe, Kochspritzer. Dafür wird es häufiger gereinigt, weil man den Schmutz sieht. Entscheidend ist die Position: Regale direkt über oder neben Kochstellen sind problematischer als weiter entfernte. Und generell gilt: Geschirr vor Gebrauch kurz abspülen oder zumindest checken. Für gewerbliche Küchen sind offene Regale aus gutem Grund nicht zugelassen – im Privathaushalt mit etwas Achtsamkeit aber durchaus vertretbar.
Kann man offene Regale auch mit Kindern haben?
Ja, aber mit Anpassungen. Untere Bereiche sollten nur bruchsicheres Geschirr und kindgerechte Sachen enthalten. Alles Zerbrechliche kommt nach oben. Das hat sogar Vorteile: Kinder lernen früh, sich selbst zu bedienen und Verantwortung zu übernehmen. Bei uns funktioniert es gut, erfordert aber klare Regeln – und die Akzeptanz, dass mal was runterfallen kann.
Vielleicht ist das die eigentliche Lektion aus unserem Experiment mit offenen Regalen: dass Wohnentscheidungen keine richtig oder falsch haben, sondern nur passend oder unpassend. Dass das, was auf Instagram perfekt aussieht, im echten Leben anders funktioniert – manchmal besser, manchmal schlechter. Und dass Unordnung, die sichtbar ist, ehrlicher ist als Chaos, das hinter geschlossenen Türen versteckt wird. Unsere Küche ist jetzt luftiger, heller, lebendiger. Aber sie ist auch anspruchsvoller. Beides gehört zusammen. Und vielleicht ist genau das der Charme: eine Ordnung, die atmet, statt perfekt zu sein.