Wer ist schuld, wenn das Treppenhaus dunkel bleibt? Eine Geschichte, die jeder Mieter kennen muss

Wer kümmert sich eigentlich um die Lampe im Treppenhaus?
Letzte Woche stand ich wieder im Halbdunkel. Kennst du das? Du kommst nach Hause, Arme voller Einkaufstüten, der Schlüssel irgendwo ganz unten in der Jackentasche vergraben, und genau in dem Moment merkst du: Die Lampe im zweiten Stock ist aus. Nicht gedimmt. Nicht flackernd. Einfach aus.
Ich hab da gestanden, zwischen den Stufen, und musste kurz grinsen. Weil mir sofort klar war: Das wird dauern. In unserem Haus geht so was nicht von heute auf morgen. Nicht weil irgendwer böswillig ist, sondern weil niemand so richtig weiß, wer sich drum kümmern soll. Und ehrlich gesagt wusste ich es bis vor kurzem auch nicht.
Martin hat später gelacht, als ich ihm davon erzählt habe. „Hast du die Tüten fallen gelassen?", wollte er wissen. Fast, hab ich gesagt. Der Schlüssel ist mir tatsächlich aus der Hand gerutscht, lag dann zwischen meinen Füßen auf der Stufe, und ich hab im Dunkeln getastet wie jemand, der zum ersten Mal in dieser Wohnung ist. Obwohl wir schon seit sieben Jahren hier leben.
Sieben Jahre. Und das war nicht das erste Mal, dass eine Lampe ausgefallen ist. Aber es war das erste Mal, dass ich mich ernsthaft gefragt habe: Wer ist denn jetzt eigentlich dran? Wir als Mieter? Der Vermieter? Die Hausverwaltung, die auf dem Papier existiert, aber gefühlt nie erreichbar ist?
Also hab ich gegoogelt. Ja, wirklich. Noch am selben Abend, mit einem Glas Rotwein in der Hand, saß ich am Laptop und hab Dinge eingegeben wie „Treppenhaus Beleuchtung defekt wer zahlt" und „Birne wechseln Mietrecht". Die Ergebnisse waren… naja, durchwachsen. Manche Seiten sagten: „Ist Sache des Vermieters, keine Frage." Andere meinten: „Kommt drauf an, was im Mietvertrag steht." Und wieder andere sprachen von einer „Verkehrssicherungspflicht", was sich wahnsinnig offiziell anhört, aber im Grunde nur bedeutet: Jemand muss dafür sorgen, dass niemand die Treppe runterfällt.
Martin kam irgendwann dazu, schaute über meine Schulter und meinte: „Ruf doch einfach an." Typisch er. Pragmatisch. Während ich noch Paragrafen lese, würde er schon drei Leute angerufen haben.
Aber er hatte recht. Am nächsten Tag hab ich beim Vermieter angerufen. Herr Schuster. Ein älterer Herr, immer freundlich, aber auch immer ein bisschen… langsam. Nicht im negativen Sinne, eher im Sinne von: Er macht die Dinge in seinem Tempo. Und das ist meistens nicht das Tempo, das man sich wünscht, wenn man abends im Dunkeln steht.
„Ah, die Lampe im zweiten Stock", sagte er, als hätte er schon damit gerechnet. „Ja, das ist meine Sache. Gehört zur allgemeinen Hausbeleuchtung. Melden Sie mir sowas ruhig immer, dann kümmere ich mich drum."
Ich war fast ein bisschen erleichtert. Also nicht mein Problem. Nicht unser Problem. Aber dann kam der Nachsatz: „Ich schau mal, wann ich dazu komme. Vielleicht Ende der Woche."
Ende der Woche. Das war Dienstag. Ende der Woche hieß vermutlich: frühestens Samstag, realistisch betrachtet eher nächste Woche. Und so kam es auch.
Was mich an der ganzen Sache interessiert hat, war weniger die Frage, wie lange es dauert, sondern eher: Warum ist das eigentlich so? Warum gibt es diese komische Grauzone, in der niemand so richtig weiß, wer wofür zuständig ist? Und warum fühlt sich das manchmal so an, als würde man in einer Wohngemeinschaft leben, in der alle darauf warten, dass jemand anderes den Müll rausbringt?
Ich hab dann ein bisschen nachgelesen. Nicht aus reiner Neugierde, sondern weil ich das Gefühl hatte, ich sollte das wissen. Falls es wieder passiert. Oder falls jemand im Haus mich fragt. Oder einfach, weil ich es spannend finde, wie so alltägliche Dinge gesetzlich geregelt sind.
Die rechtliche Lage ist eigentlich ziemlich klar. Die Beleuchtung im Treppenhaus fällt unter die sogenannte Verkehrssicherungspflicht des Vermieters. Das bedeutet: Der Vermieter muss dafür sorgen, dass die Gemeinschaftsflächen sicher nutzbar sind. Ein dunkles Treppenhaus ist nicht sicher. Also muss der Vermieter die Lampe reparieren oder austauschen lassen. Klingt einfach, oder?
Aber in der Praxis gibt es natürlich Feinheiten. Zum Beispiel: Wer bemerkt, dass die Lampe kaputt ist? In den meisten Fällen die Mieter. Und die müssen es melden. Das steht zwar nicht explizit im Gesetz, aber es gehört zu den allgemeinen Pflichten eines Mieters, den Vermieter über Mängel zu informieren. Sonst kann der Vermieter ja nichts dagegen tun.
Das fand ich interessant. Weil es bedeutet: Wir haben eine Art Teilverantwortung. Nicht für die Reparatur selbst, aber für die Information. Und das macht Sinn, wenn man drüber nachdenkt. Der Vermieter kann ja nicht jeden Tag durchs Haus laufen und kontrollieren, ob alle Lampen noch brennen.
Was ich nicht wusste: In manchen Mietverträgen gibt es Klauseln, die sogenannte Kleinreparaturen auf die Mieter abwälzen. Das sind Reparaturen unter einem bestimmten Betrag – oft 100 oder 150 Euro. Aber auch da gibt es Grenzen. Laut Rechtsprechung darf der Mieter nicht unbegrenzt mit solchen Kleinreparaturen belastet werden. Es gibt eine jährliche Obergrenze, die meistens bei ein paar hundert Euro liegt.
Bei uns im Mietvertrag steht davon nichts. Hab ich nachgeschaut, nachdem ich mit Herrn Schuster telefoniert hatte. Also sind wir fein raus. Aber ich kenne Leute, bei denen das anders ist. Meine Freundin Anna zum Beispiel. Sie wohnt in einem Altbau in der Innenstadt, und bei ihr steht im Vertrag, dass sie für Kleinreparaturen bis 100 Euro selbst aufkommen muss. Sie hat mir mal erzählt, dass sie letztes Jahr drei Mal die Lampe im Flur wechseln musste. Immer auf eigene Kosten. Irgendwann hat sie sich beschwert, und die Hausverwaltung hat dann doch selbst jemanden geschickt. Aber bis dahin war sie genervt.
Zurück zu unserer Lampe. Die hing also noch eine Woche im Dunkeln. Ich hab angefangen, eine kleine Taschenlampe in die Jackentasche zu stecken, wenn ich abends heimkam. Martin fand das übertrieben, aber ich fand es praktisch. Und ehrlich gesagt fand ich es auch ein bisschen absurd. Dass man sich auf sowas einstellen muss, weil eine simple Glühbirne – oder LED, keine Ahnung, was da hängt – nicht rechtzeitig gewechselt wird.
Irgendwann hab ich dann einen Zettel an die Pinnwand im Erdgeschoss gehängt. Wir haben da so eine Korkwand, auf der jeder was aufhängen kann. Meistens hängen da Zettel von der Hausverwaltung, manchmal auch private Nachrichten. „Wer hat mein Paket angenommen?" oder „Suche Mitfahrgelegenheit nach Stuttgart". Ich hab geschrieben: „Lampe im 2. Stock defekt. Vermieter informiert."
Das war nicht als Vorwurf gemeint. Eher als Information. Damit die anderen Mieter wissen: Ja, es ist bekannt. Ja, es wird sich drum gekümmert. Hoffentlich.
Was dann passiert ist, fand ich ziemlich interessant. Am nächsten Tag hing da ein zweiter Zettel drunter: „Danke fürs Melden! Hoffen wir, dass es bald wieder hell wird." Und zwei Tage später noch einer: „Vielleicht sollten wir eine Kerze aufstellen? ;-)"
Ich musste schmunzeln. Auf einmal war da so eine Art Gemeinschaftsgefühl. Nicht weil wir aktiv zusammengearbeitet hätten, sondern weil wir alle im selben Boot saßen. Oder besser gesagt: im selben dunklen Treppenhaus standen.
Martin meinte, das sei typisch deutsch. Diese Mischung aus Geduld, leiser Ironie und der Hoffnung, dass sich schon jemand drum kümmert. Aber niemand beschwert sich zu laut. Niemand ruft dreimal täglich beim Vermieter an. Niemand droht mit Mietminderung, obwohl das theoretisch möglich wäre.
Ja, tatsächlich. Auch das hab ich nachgelesen. Wenn ein Mangel in der Wohnung oder im Gemeinschaftsbereich die Nutzung erheblich einschränkt, kann der Mieter die Miete mindern. Wie viel, hängt vom Einzelfall ab. Bei einem dunklen Treppenhaus wären das vielleicht ein paar Prozent. Nicht die Welt, aber immerhin. Ich hab trotzdem nicht dran gedacht, das durchzuziehen. Erstens weil es mir zu viel Aufwand war, zweitens weil ich Herrn Schuster nicht ärgern wollte, und drittens weil ich gehofft habe, dass es sich bald von selbst erledigt.
Und das tat es auch. Nach neun Tagen – ich hab mitgezählt – kam endlich jemand vorbei. Ein Elektriker, den Herr Schuster beauftragt hatte. Ich war gerade zu Hause, hab das Summen der Bohrmaschine gehört und bin neugierig ins Treppenhaus. Der Mann stand auf einer Leiter, schraubte die alte Lampe ab und setzte eine neue ein. Eine LED-Lampe, wie er mir erklärte. „Hält länger", sagte er. „Und spart Strom."
Ich hab ihm zugeschaut und gedacht: So einfach ist das also. Zehn Minuten Arbeit, und das Problem ist gelöst. Warum hat das neun Tage gedauert?
Keine Ahnung. Vielleicht weil der Elektriker ausgebucht war. Vielleicht weil Herr Schuster erst drei Angebote einholen wollte. Vielleicht einfach, weil es keine Priorität hatte. Für uns war es nervig, aber nicht lebensbedrohlich. Und ich glaube, genau das ist das Problem mit so alltäglichen Mängeln. Sie fallen unter den Tisch, weil sie nicht dringend genug sind.
Was mich an der ganzen Sache auch beschäftigt hat, war die Frage: Warum kümmern wir uns eigentlich nicht selbst drum? Nicht jetzt, nicht in diesem Fall, aber generell. Warum ist es so selbstverständlich, dass der Vermieter sich um alles kümmert?
Ich hab mit Martin darüber gesprochen. Er meinte, das hängt mit der Art zusammen, wie wir Mieten verstehen. Wir zahlen Miete, und dafür bekommen wir eine funktionierende Wohnung und ein funktionierendes Umfeld. Das ist der Deal. Wenn wir anfangen, selbst Lampen zu wechseln oder Reparaturen zu machen, verschieben wir die Verantwortung. Und irgendwann sagt der Vermieter: „Macht doch einfach selbst." Und dann zahlen wir immer noch die volle Miete, machen aber die Arbeit.
Da ist was dran. Gleichzeitig frage ich mich manchmal, ob es nicht einfacher wäre, wenn man bei so Kleinigkeiten selbst Hand anlegen könnte. Nicht aus Prinzip, sondern aus Pragmatismus. Eine Glühbirne wechseln dauert zwei Minuten. Auf den Vermieter warten kann neun Tage dauern.
Aber rechtlich ist das eben nicht so einfach. Der Vermieter ist verantwortlich. Wenn ich als Mieter die Lampe selbst austausche und dabei was schiefgeht – zum Beispiel, wenn ich von der Leiter falle oder die neue Lampe einen Kurzschluss verursacht – bin ich im Zweifel in der Haftung. Zumindest kann es Ärger geben. Deshalb ist es klüger, den offiziellen Weg zu gehen.
Ich hab auch gelesen, dass es in anderen Ländern anders läuft. In den USA zum Beispiel. Da ist es oft üblich, dass Mieter selbst Kleinreparaturen übernehmen. Glühbirnen, verstopfte Abflüsse, solche Sachen. Dafür sind die Mieten niedriger oder die Vermieter weniger involviert. Ist das besser? Keine Ahnung. Wahrscheinlich Geschmackssache.
Was ich auf jeden Fall gelernt habe aus dieser ganzen Lampen-Geschichte: Es lohnt sich, die eigenen Rechte und Pflichten zu kennen. Nicht, weil man ständig mit dem Vermieter streiten will, sondern einfach, weil es einem das Leben erleichtert. Wenn ich weiß, dass die Treppenhaus-Beleuchtung nicht mein Problem ist, kann ich entspannt anrufen und Bescheid sagen. Ich muss mir keine Sorgen machen, dass ich was falsch mache oder dass mir irgendwelche Kosten aufgebrummt werden.
Und gleichzeitig hab ich gemerkt: Ein bisschen Geduld gehört dazu. Nicht alles wird sofort erledigt, auch wenn es eigentlich schnell gehen könnte. Das ist manchmal frustrierend, aber es ist auch Realität. Vermieter sind auch nur Menschen. Manche sind schnell, manche langsam, manche kümmern sich gar nicht.
In unserem Fall ist Herr Schuster okay. Er ist nicht perfekt, aber er ist auch nicht schlecht. Er kümmert sich, wenn man ihn drauf hinweist. Das ist mehr, als ich von manchen anderen Vermietern gehört habe. Ich kenne Leute, die monatelang auf Reparaturen warten. Oder die sich selbst drum kümmern müssen, obwohl es eigentlich nicht ihre Aufgabe wäre.
Was ich auch interessant fand: Die Reaktionen der anderen Mieter. Diese kleinen Zettel an der Pinnwand. Das hat was verändert, glaube ich. Vorher haben alle die dunkle Lampe gesehen, aber niemand hat was gesagt. Jeder dachte vermutlich: „Ach, das wird schon jemand anders melden." Oder: „Ist ja nicht so schlimm." Aber als der Zettel da hing, war es plötzlich ein gemeinsames Thema. Etwas, worüber man reden konnte. Etwas, das uns verbunden hat, so klein es auch war.
Ich glaube, das ist generell ein interessantes Phänomen in Mietshäusern. Man lebt Tür an Tür, aber oft bleibt man sich fremd. Man grüßt sich im Treppenhaus, vielleicht wechselt man ein paar Worte über das Wetter, aber wirklich kennen tut man sich nicht. Und dann passiert so was Banales wie eine kaputte Lampe, und auf einmal gibt es einen Grund, miteinander zu interagieren.
Martin meinte, das erinnert ihn an früher, als er noch in einer WG gewohnt hat. Da gab es auch immer diese kleinen, nervigen Alltagsprobleme. Wer kauft das Klopapier? Wer putzt das Bad? Wer kümmert sich um die Spülmaschine, die komische Geräusche macht? Und meistens hat es Tage gedauert, bis sich jemand gemeldet hat. Aber wenn dann endlich jemand die Initiative ergriffen hat, waren alle erleichtert.
Ähnlich ist es hier. Nur dass wir keine WG sind, sondern ein Mietshaus. Und dass die Verantwortung nicht unter uns aufgeteilt ist, sondern beim Vermieter liegt. Trotzdem gibt es dieses Gefühl von: Wir sitzen alle im selben Boot.
Seit der Lampen-Geschichte achte ich mehr auf solche Dinge. Neulich ist die Lampe im Keller ausgefallen. Diesmal hab ich sofort Herrn Schuster angerufen, und er hat sich überraschend schnell darum gekümmert. Vielleicht weil er gemerkt hat, dass ich nicht locker lasse. Oder weil er generell ein bisschen schneller geworden ist. Keine Ahnung.
Was ich auf jeden Fall gelernt habe: Man muss nicht alles stillschweigend hinnehmen. Man darf sich melden. Man darf nachfragen. Und man darf auch ruhig mal einen Zettel aufhängen, wenn man das Gefühl hat, dass es anderen auch helfen könnte.
Gleichzeitig hab ich gemerkt, dass es wichtig ist, nicht zu ungeduldig zu sein. Nicht alles ist eine Katastrophe. Eine kaputte Lampe ist nervig, ja. Aber es ist kein Weltuntergang. Man kann eine Woche im Dunkeln tappen, und am Ende ist die Welt noch nicht untergegangen.
Vielleicht ist das auch eine typisch deutsche Eigenschaft. Diese Mischung aus Ordnungsliebe und Gelassenheit. Wir wollen, dass alles funktioniert, aber wir sind auch bereit zu warten, wenn es mal nicht sofort klappt. Solange es irgendwann erledigt wird.
Heute steht die neue LED-Lampe im zweiten Stock und leuchtet hell. Jeden Abend, wenn ich nach Hause komme, denke ich kurz daran. An die neun Tage im Dunkeln. An die Zettel an der Pinnwand. An das Gefühl, dass wir als Hausgemeinschaft irgendwie näher zusammengerückt sind, auch wenn wir uns immer noch kaum kennen.
Und ich denke daran, dass manchmal die kleinen Dinge im Leben die interessantesten sind. Nicht die großen Dramen, nicht die spektakulären Ereignisse, sondern so alltägliche Geschichten wie eine kaputte Lampe im Treppenhaus. Die zeigen, wie wir miteinander umgehen. Wie wir Verantwortung verstehen. Und wie wir lernen, mit den kleinen Unvollkommenheiten des Alltags klarzukommen.
Vielleicht sollte ich das nächste Mal, wenn eine Lampe ausfällt, einfach eine Kerze aufstellen. So wie es jemand scherzhaft vorgeschlagen hat. Wäre mal was anderes. Und würde bestimmt für Gesprächsstoff sorgen.