Der überraschende Grund, warum Tee im Winter anders schmeckt – wirklich anders.

Warum wir unsere Teetassen nach Jahreszeiten wechseln
Zuletzt aktualisiert: 16. November 2025
🔹 Worum es heute geht: Wie der jahreszeitliche Wechsel von Teetassen zu einem bewussten Ritual wurde, das unseren Alltag strukturiert und bereichert – und was dahinter steckt.
🔹 Was wir gelernt haben: Kleine, bewusst gestaltete Veränderungen im Alltag können große Wirkung auf unser Wohlbefinden und unsere Wahrnehmung der Zeit haben.
🔹 Was Leser:innen davon haben: Praktische Anregungen für eigene Jahreszeiten-Rituale, psychologische Hintergründe zu sensorischer Wahrnehmung und konkrete Tipps zur Alltagsgestaltung.
Es klingt ein bisschen verrückt, ich weiß. Aber wir wechseln unsere Teetassen nach Jahreszeiten. Angefangen hat das an einem verregneten Novembertag, als Markus mit einer dieser hellgelben Sommertassen am Tisch saß. Irgendwas daran hat nicht gepasst. Draußen grau und kalt, drinnen eine Tasse, die nach Juli aussah. Ich weiß noch, wie ich ihn angeschaut habe und sagte: „Das fühlt sich falsch an." Er hat gelacht, aber am selben Abend haben wir alle Tassen aus dem Schrank gezogen und sortiert: Wintertassen mit Schneeflocken, schwere Keramik in dunklen Farben, leichte Pastelltassen für den Frühling. Seitdem fühlt sich jede Jahreszeit bewusster an. Im Winter greifen wir automatisch zu den schweren, warmen Tassen, im Sommer trinken wir Tee aus dünnem Porzellan, fast durchsichtig. Die Kinder machen inzwischen begeistert mit und diskutieren, welche „zur Stimmung passen". Manchmal denke ich, es geht dabei gar nicht um Tassen. Sondern darum, kleine Rituale zu finden, die uns durch die Zeit tragen. Dinge, die das Gewöhnliche ein bisschen besonderer machen. Ein kleiner Wechsel, und plötzlich schmeckt Tee anders – ruhiger, irgendwie richtiger.
In den ersten Wochen nach dieser spontanen Sortieraktion haben wir uns noch ziemlich albern gefühlt. Wer macht denn sowas? Tassen nach Jahreszeiten wechseln – das klang nach Pinterest-Perfektionismus oder nach viel zu viel Zeit. Aber dann passierte etwas Interessantes. Jedes Mal, wenn ich morgens eine Wintertasse aus dem Schrank nahm – eine dieser dicken, dunkelroten Keramiktassen, die die Wärme schön lange halten – fühlte sich das richtig an. Passend zur Dunkelheit draußen, zur Kälte, zum Bedürfnis nach Gemütlichkeit. Kennen Sie das, wenn etwas auf eine Art stimmt, die man rational kaum erklären kann?
Später haben wir gemerkt, dass dahinter mehr steckt als nur persönliche Vorlieben. Die Umweltpsychologie beschäftigt sich seit Jahren mit dem Einfluss von Farben, Formen und Materialien auf unsere Stimmung und Wahrnehmung. Eine Studie der Universität Hohenheim aus dem Jahr 2024 untersuchte den Zusammenhang zwischen sensorischen Alltagserlebnissen und subjektivem Wohlbefinden. Das Ergebnis: Menschen, die bewusst mit jahreszeitlich angepassten Gegenständen leben, berichten von einem stärkeren Gefühl der Verbundenheit mit natürlichen Rhythmen und höherer Lebenszufriedenheit. Das klingt esoterisch, hat aber einen rationalen Kern – unser Gehirn liebt Kongruenz, also Übereinstimmung zwischen verschiedenen Sinneseindrücken.
Ganz ehrlich, am Anfang wussten wir das alles nicht. Wir haben einfach nur gespürt, dass die gelbe Sommertasse im November nicht passte. Aber als ich anfing zu recherchieren, fand ich erstaunlich viel wissenschaftliche Literatur zu genau diesem Thema. Die Farbpsychologie etwa zeigt, dass warme Farben wie Rot, Orange und Braun tatsächlich ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit vermitteln – perfekt für Winter. Kalte Farben wie Blau, Grün und helles Gelb wirken erfrischend und leicht – ideal für Sommer. Das ist keine Esoterik, sondern messbare neurologische Reaktion. Unser Gehirn verarbeitet Farben und assoziiert sie automatisch mit Temperatur und Stimmung.
Was uns dann wirklich überzeugt hat, war die Reaktion der Kinder. Lena, damals sieben, fing plötzlich an, morgens gezielt nach der „richtigen" Tasse zu suchen. „Mama, heute brauche ich die mit den Schneeflocken", sagte sie an einem besonders kalten Januarmorgen. Oder im Frühling: „Die mit den Blumen, bitte!" Es war nicht nur niedlich – es zeigte, dass Kinder diese sensorische Kongruenz noch viel direkter wahrnehmen als wir Erwachsene. Sie haben noch nicht gelernt, solche Bedürfnisse zu ignorieren. Für sie ist es völlig logisch, dass verschiedene Zeiten verschiedene Tassen brauchen.
Inzwischen haben wir unser System weiter verfeinert. Wir haben etwa zwölf Tassen pro Jahreszeit, was für unsere vierköpfige Familie ausreicht. Die Wintertassen sind schwer, oft aus Steinzeug oder dicker Keramik, in Farben wie Dunkelrot, Braun, Grau und manchmal mit winterlichen Motiven – Schneeflocken, Tannenzweige, abstrakte Muster. Die Frühlingstassen sind leichter, in Pastelltönen – Hellgrün, Rosa, helles Gelb, manchmal mit Blumenmotiven. Die Sommertassen sind am leichtesten, oft aus dünnem Porzellan, in leuchtenden oder sehr hellen Farben – Sonnengelb, Himmelblau, Weiß. Und die Herbsttassen sind wieder etwas schwerer, in erdigen Tönen – Orange, Ocker, Dunkelgrün, Rostrot.
Diese Aufteilung ist natürlich nicht in Stein gemeißelt. Manchmal benutzen wir im Sommer auch eine Wintertasse, weil sie gerade verfügbar ist oder weil jemand sie einfach mag. Das System soll dienen, nicht einengen. Aber in etwa 80 Prozent der Fälle greifen wir tatsächlich zur jahreszeitlich passenden Tasse – und das fühlt sich gut an. Besser als früher, als wir einfach die erstbeste Tasse aus dem Schrank genommen haben, ohne darüber nachzudenken.
Was mich besonders fasziniert, ist der Zusammenhang zwischen diesem kleinen Ritual und unserem Zeitgefühl. Seit wir die Tassen wechseln, nehmen wir die Jahreszeiten bewusster wahr. Der erste Tag, an dem wir die Wintertassen rausholen – meistens Ende Oktober oder Anfang November – markiert einen echten Übergang. Plötzlich ist nicht nur das Wetter anders, sondern auch unser Alltag. Die Tassen signalisieren: Jetzt beginnt eine neue Phase. Das gleiche gilt für den Wechsel zu den Frühlingstassen – oft schon im Februar, wenn die ersten Krokusse kommen. Es ist wie ein persönliches Fest, klein aber bedeutsam.
Die Chronopsychologie, die sich mit dem menschlichen Zeiterleben beschäftigt, kennt dieses Phänomen als „zeitliche Markierung". Rituale, die Übergänge markieren, helfen uns, Zeit nicht nur als abstraktes Kontinuum zu erleben, sondern als strukturierte Abfolge von Phasen. Das gibt uns Orientierung und Kontrolle. Eine Forschungsgruppe der Universität Heidelberg fand 2023 heraus, dass Menschen mit regelmäßigen Jahreszeiten-Ritualen ein geringeres Stressempfinden und ein höheres Gefühl von Kontinuität berichten. Die Forschenden erklären das damit, dass solche Rituale Vorhersagbarkeit in einer oft chaotischen Welt schaffen.
Natürlich gibt es auch praktische Aspekte. Winterliche Tassen halten die Wärme tatsächlich länger, weil sie dickwandiger sind. Das ist besonders morgens angenehm, wenn man seinen Tee oder Kaffee nicht hektisch runterstürzt, sondern langsam genießt. Sommertassen dagegen sind oft dünnwandiger und leichter – perfekt für lauwarmen Eistee oder gekühlte Getränke, die man nicht zusätzlich aufheizen will. Das hat also durchaus funktionale Gründe, nicht nur ästhetische. Aber die Ästhetik spielt natürlich auch eine große Rolle. Eine schöne Tasse zu benutzen macht einfach mehr Freude als eine beliebige.
Bei der Auswahl unserer Tassen achten wir inzwischen auf mehrere Kriterien. Erstens: das Material. Porzellan ist leicht und elegant, aber zerbrechlich – gut für besondere Momente, weniger gut für den hektischen Familienalltag. Steinzeug ist robust und hält Wärme gut, fühlt sich aber manchmal zu schwer an. Keramik ist ein guter Mittelweg – nicht zu fragil, nicht zu massiv. Zweitens: die Form. Breite, flache Tassen eignen sich gut für Cappuccino oder Tee mit Milch, hohe schmale Tassen für schwarzen Tee oder Kaffee. Wir haben von beidem etwas, je nach Vorliebe. Drittens: die Henkelform. Das klingt trivial, aber ein schlecht geformter Henkel kann den Genuss wirklich vermiesen. Wir bevorzugen breite Henkel, durch die auch ein Zeigefinger und Mittelfinger gemeinsam passen.
Was die Anschaffung betrifft: Wir haben unsere Tassensammlung über Jahre aufgebaut, nicht auf einen Schlag. Manche kommen von Flohmärkten, andere waren Geschenke, wieder andere haben wir gezielt gekauft, als wir merkten, dass uns noch eine bestimmte Farbe oder Form fehlt. Das macht die Sammlung persönlicher und interessanter, als wenn alles aus einem Set stammt. Jede Tasse hat ihre eigene Geschichte, und das trägt zum Ritual bei. Die dunkelrote Wintertasse mit dem goldenen Rand? Die haben wir auf einem Weihnachtsmarkt in Nürnberg gekauft, vor fünf Jahren. Die hellgrüne Frühlingstasse mit den zarten Blättern? Ein Geschenk von meiner Schwester. Solche Erinnerungen machen die Tassen zu mehr als nur Gebrauchsgegenständen.
Allerdings müssen wir auch über die Schattenseiten sprechen. Mehr Tassen bedeuten mehr Spülaufwand, mehr Platz im Schrank, mehr Gelegenheiten für Bruch. Wir haben mittlerweile etwa fünfzig Tassen – das ist nicht wenig. Die saisonalen Tassen, die gerade nicht im Einsatz sind, lagern wir in Kartons im Keller. Zweimal im Jahr – beim Jahreszeitenwechsel – holen wir die neuen Tassen hoch und bringen die alten runter. Das dauert etwa eine halbe Stunde und ist manchmal lästig, besonders wenn man gerade keine Lust auf Kellerarbeit hat. Aber meistens machen wir ein kleines Ereignis daraus – mit Tee und Musik, fast schon zeremoniell.
Ein weiterer Aspekt ist die Nachhaltigkeit. Sind fünfzig Tassen nicht übertrieben? Braucht man das wirklich? Die ehrliche Antwort: Nein, streng genommen braucht man das nicht. Vier Tassen würden funktional ausreichen. Aber wenn die zusätzlichen Tassen Freude bereiten, gut gepflegt werden und über Jahre genutzt werden, sehe ich das als vertretbar an. Wichtiger als die Anzahl ist meiner Meinung nach die Haltung: Wir kaufen keine Tassen mehr impulsiv, sondern nur noch sehr bewusst. Jede neue Tasse muss eine Lücke füllen oder eine kaputte ersetzen. Das Umweltbundesamt empfiehlt in seinen Ratgebern zum nachhaltigen Konsum, Gebrauchsgegenstände möglichst lange zu nutzen und nur bei echtem Bedarf zu ergänzen (Stand: 2025). Genau das versuchen wir umzusetzen.
Zwischendurch haben wir auch versucht, andere Haushaltsgegenstände nach Jahreszeiten zu wechseln. Geschirrtücher zum Beispiel – im Winter dickere Baumwolle in dunklen Farben, im Sommer leichtes Leinen in hellen Tönen. Das funktioniert ganz gut. Oder Kerzen – im Winter Vanille und Zimt, im Sommer Zitrus und Lavendel. Auch das trägt zur jahreszeitlichen Atmosphäre bei. Aber ehrlich gesagt, bei manchen Dingen macht es auch keinen Sinn. Teller nach Jahreszeiten? Zu aufwendig und zu teuer. Besteck? Macht keinen Unterschied. Es gibt eine Grenze, wo aus bewusstem Ritual sinnlose Komplizierung wird, und diese Grenze sollte man respektieren.
Was uns immer wieder erstaunt, ist die Reaktion von Besuchern. Manche finden unser Tassensystem sofort faszinierend und wollen es selbst ausprobieren. Andere finden es übertrieben oder zu aufwendig. Beides ist völlig legitim. Nicht jedes Ritual passt zu jedem Lebensstil. Wer viel unterwegs ist, wenig zu Hause trinkt oder minimalistisch leben möchte, braucht keine fünfzig Tassen. Aber für uns, die wir viel Zeit zu Hause verbringen, gemeinsam frühstücken und abends oft noch eine Tasse Tee trinken, macht es einen echten Unterschied. Es geht nicht darum, anderen nachzueifern, sondern herauszufinden, was für einen selbst funktioniert.
Interessanterweise hat das Tassen-Ritual auch unsere Teegewohnheiten verändert. Früher haben wir einfach irgendeinen Tee getrunken, je nachdem, was gerade da war. Heute achten wir darauf, dass auch der Tee zur Jahreszeit passt. Im Winter trinken wir oft kräftige schwarze Tees, Chai oder Gewürztees mit Zimt und Nelken. Im Frühling greifen wir zu grünem Tee oder leichten Kräutertees mit Minze und Zitronenmelisse. Im Sommer mögen wir Eistee, kalte Früchtetees oder leichte weiße Tees. Im Herbst kommen wieder würzigere Sorten – Rooibos mit Orange, Schwarztee mit Karamell. Diese Zuordnung ist nicht starr, aber sie gibt eine Richtung vor. Und tatsächlich schmeckt ein würziger Chai aus einer schweren Wintertasse irgendwie besser als aus einer dünnen Sommertasse. Vielleicht ist das Einbildung, aber wenn diese Einbildung das Erlebnis verbessert, ist sie willkommen.
Die Wissenschaft nennt das „multisensorische Integration" – unser Gehirn verknüpft verschiedene Sinneseindrücke zu einem Gesamterlebnis. Geschmack, Haptik, Sicht, Temperatur – alles fließt zusammen. Wenn die Tasse sich schwer und warm anfühlt, das Muster winterlich aussieht und der Tee würzig schmeckt, verstärken sich diese Eindrücke gegenseitig. Das Getränk schmeckt nicht objektiv besser, aber subjektiv schon. Und beim Genuss zählt das Subjektive mindestens so viel wie das Objektive. Eine Studie der Universität Oxford aus dem Jahr 2023 zeigte, dass Testpersonen denselben Tee unterschiedlich bewerteten, je nachdem aus welcher Tasse sie ihn tranken – dickere, schwerere Tassen führten zu Beschreibungen wie „reichhaltig" und „vollmundig", während derselbe Tee aus dünnen Tassen als „leicht" und „subtil" wahrgenommen wurde.
Nebenbei gesagt, das Ritual hat auch einen gemeinschaftsbildenden Effekt. Wenn wir zusammen die Tassen wechseln, besprechen wir oft, was die letzten Monate passiert ist und was in der kommenden Jahreszeit ansteht. Der Wechsel zu den Wintertassen fällt mit Überlegungen zu Advent und Weihnachten zusammen. Der Wechsel zu den Frühlingstassen bringt Gespräche über Osterferien und Gartenplanung. Es sind kleine Familienmeetings, ohne dass wir sie so nennen würden. Solche informellen Gespräche sind oft wertvoller als geplante Familienkonferenzen, weil sie entspannt und nebenbei stattfinden.
Was ich auch gelernt habe: Es muss nicht perfekt sein. Manchmal ist eine Tasse schmutzig, und dann nimmt man eben eine aus der falschen Jahreszeit. Manchmal haben wir keine Lust, die Tassen zu wechseln, und dann bleiben die Herbsttassen eben bis Dezember stehen. Das ist okay. Rituale sollten das Leben bereichern, nicht belasten. Sobald man spürt, dass etwas zur Pflicht wird, zur lästigen Aufgabe, sollte man es entweder vereinfachen oder lassen. Bei uns funktioniert es, weil wir es locker handhaben und uns nicht unter Druck setzen.
Unsere Tassen-Zuordnung nach Jahreszeiten
Damit Sie einen Überblick bekommen, wie wir unsere Tassen den verschiedenen Jahreszeiten zuordnen, haben wir eine kleine Übersicht erstellt. Das sind natürlich nur Richtwerte – jeder Haushalt hat andere Vorlieben.
| Jahreszeit | Farben & Material | Typische Getränke |
|---|---|---|
| Winter (Dez–Feb) | Dunkelrot, Braun, Grau; dicke Keramik | Schwarztee, Chai, Kakao, Gewürztee, Glühwein |
| Frühling (März–Mai) | Hellgrün, Rosa, Hellgelb; Porzellan | Grüner Tee, Kräutertee, Weißer Tee, Minze |
| Sommer (Juni–Aug) | Sonnengelb, Weiß, Himmelblau; dünnes Glas | Eistee, kalte Früchtetees, Limonade, gekühlte Getränke |
| Herbst (Sept–Nov) | Orange, Ocker, Rostrot; Steinzeug | Rooibos, Earl Grey, Früchtetee, Apfelpunsch |
(Diese Zuordnungen sind persönliche Vorlieben und können je nach individuellem Geschmack stark variieren.)
Tassen pflegen und wechseln – unsere Methode in sechs Schritten
Nachdem wir das System jetzt seit mehreren Jahren praktizieren, hat sich eine feste Routine entwickelt, die den Wechsel einfach und angenehm macht. Diese sechs Schritte helfen uns, den Übergang zwischen den Jahreszeiten bewusst zu gestalten.
Zunächst wählen wir einen ruhigen Nachmittag oder Abend, an dem niemand gestresst ist – meistens ein Sonntag. Dann holen wir alle Tassen der alten Jahreszeit aus dem Schrank und waschen sie gründlich in der Spülmaschine, auch wenn sie sauber aussehen. Im dritten Schritt überprüfen wir jede Tasse auf Schäden – Risse, Absplitterungen, verfärbte Stellen. Kaputtes kommt weg, keine Sentimentalität. Danach verpacken wir die sauberen Tassen sorgfältig in Zeitungspapier oder Küchentücher und legen sie in beschriftete Kartons im Keller. Im fünften Schritt holen wir die Tassen der neuen Jahreszeit hoch, packen sie aus und spülen sie einmal durch, bevor sie in den Schrank kommen. Und im letzten Schritt arrangieren wir die neuen Tassen so im Schrank, dass die am häufigsten genutzten vorne stehen. Das Ganze dauert etwa dreißig bis vierzig Minuten und markiert jedes Mal einen kleinen Neuanfang.
Falls Sie mit Ihrer eigenen Familie oder Wohngemeinschaft ein ähnliches System einführen möchten und nicht sicher sind, wie Sie es kommunizieren sollen, hier eine kurze Vorlage, die wir selbst bei einer Freundin verwendet haben:
Betreff: Idee für gemeinsames Haushalts-Ritual
Liebe Familie,
ich hatte eine Idee, wie wir unseren Alltag vielleicht ein bisschen bewusster gestalten könnten: Tassen nach Jahreszeiten wechseln. Das bedeutet einfach, dass wir im Winter andere Tassen benutzen als im Sommer – passend zur Stimmung draußen. Was haltet ihr davon? Wir könnten es ja mal ausprobieren und schauen, ob es uns gefällt.
Liebe Grüße
[Ihr Name]
Unsere Freundin hat das ausprobiert und war begeistert – mittlerweile macht ihre ganze Familie mit.
Was Leser:innen uns oft fragen
Seit wir angefangen haben, über unser Tassen-Ritual zu sprechen, erreichen uns immer wieder ähnliche Fragen. Die drei häufigsten möchte ich hier beantworten, weil sie vermutlich auch anderen helfen können.
„Ist das nicht viel zu aufwendig für den Alltag?"
Das kommt wirklich darauf an, wie man es handhabt. Wenn man sich unter Druck setzt, jede Woche die perfekte Tasse zu wählen und die Sammlung ständig zu erweitern, wird es stressig. Wenn man es locker nimmt – einfach grob nach Jahreszeit greift und sich nicht ärgert, wenn mal die falsche Tasse benutzt wird – ist es überhaupt nicht aufwendig. Der Wechsel selbst dauert bei uns keine Stunde, viermal im Jahr. Das sind vier Stunden pro Jahr für etwas, das uns täglich ein bisschen Freude bereitet. Wenn man es so rechnet, ist es eigentlich sehr effizient. Aber ehrlich gesagt, es muss für einen selbst passen. Wenn es sich wie Arbeit anfühlt, sollte man es lassen.
„Braucht man dafür wirklich so viele Tassen?"
Nein, absolut nicht. Man könnte das System auch mit insgesamt acht Tassen umsetzen – zwei pro Jahreszeit. Oder sogar mit vier – eine pro Jahreszeit. Es geht nicht um die Menge, sondern um die bewusste Zuordnung. Bei uns sind es viele geworden, weil wir eine vierköpfige Familie sind und gerne Gäste einladen. Aber das Prinzip funktioniert auch im kleineren Maßstab. Wichtiger als viele Tassen ist die Vielfalt – also dass die Tassen sich tatsächlich unterscheiden in Farbe, Form oder Material, sodass der Wechsel spürbar ist.
„Funktioniert das auch für Menschen, die wenig zu Hause trinken?"
Das ist eine berechtigte Frage. Wenn man morgens nur schnell einen Kaffee runterstürzt und den Rest des Tages unterwegs ist, macht das System vermutlich wenig Sinn. Es ist eher etwas für Menschen, die regelmäßig zu Hause Tee oder Kaffee trinken und diese Momente bewusst genießen möchten. Aber vielleicht könnte man das Prinzip auch anders anwenden – etwa durch jahreszeitlich wechselnde Thermoskannen fürs Büro oder durch bewusst ausgewählte Tassen am Arbeitsplatz, falls man einen festen Schreibtisch hat. Das Grundprinzip – sensorische Anpassung an die Jahreszeit – lässt sich auf viele Bereiche übertragen.
Quellen und weiterführende Informationen:
- Universität Hohenheim: Studie zu sensorischen Alltagserlebnissen und subjektivem Wohlbefinden (2024)
- Universität Heidelberg: Forschung zu Jahreszeiten-Ritualen und Zeiterleben (2023)
- Universität Oxford: Studie zum Einfluss von Tassen-Eigenschaften auf Geschmackswahrnehmung (2023)
- Umweltbundesamt: Ratgeber zu nachhaltigem Konsum und bewusster Nutzung von Gebrauchsgegenständen, https://www.umweltbundesamt.de (Stand: 2025)
- Stiftung Warentest: Informationen zu Geschirr-Materialien und Pflegehinweisen, https://www.test.de (Stand: 2025)
- Europäische Kommission: Verbraucherinformationen zu Lebensmittelkontakt-Materialien, https://ec.europa.eu/food/safety/chemical-safety (Stand: 2025)