Die mysteriöse Abbuchung: Wie uns 89,99 Euro fast in den Wahnsinn trieben

Die mysteriöse Abbuchung – oder wie wir fast den Verstand verloren hätten
Es war ein ganz normaler Donnerstagabend. Michael scrollte durch die Banking-App, während ich neben ihm auf dem Sofa saß und in einem Krimi blätterte. Plötzlich: „Schatz, was ist denn TechnoMedia Services GmbH?" Ich schaute von meinem Buch auf. „Keine Ahnung, warum?" Er drehte mir sein Handy hin. Da stand es, schwarz auf weiß: TechnoMedia Services GmbH, -89,99 Euro, abgebucht vor drei Tagen.
Wir gingen unsere üblichen Verdächtigen durch. Amazon? Nein. Netflix? Kostet keine 90 Euro. Irgendein vergessenes Abo? Wir hatten vor Monaten mal diesen Frühjahrsputz gemacht und alles Überflüssige gekündigt. Fitnessstudio hatten wir zusammen, Spotify Family auch, aber TechnoMedia? Komplette Fehlanzeige.
„Vielleicht Betrug", murmelte Michael und wurde blass. Ich kenne diesen Gesichtsausdruck – er hasst es, wenn Dinge außer Kontrolle geraten. Besonders wenn es ums Geld geht. Seine Eltern hatten mal einen üblen Fall von Kreditkartenbetrug, seitdem ist er da sehr empfindlich.
Am nächsten Morgen, noch vor dem ersten Kaffee, rief Michael bei der Bank an. Ich hörte nur seine Seite des Gesprächs: „Ja, genau... TechnoMedia... 89,99... Nein, kenne ich nicht... Wie bitte?" Sein Ton wurde schärfer. „Was heißt hier, die Abbuchung ist korrekt?"
Die Dame am anderen Ende – ich konnte ihre piepsige Stimme durch den Lautsprecher hören – erklärte geduldig, dass laut ihrer Systeme alles seine Richtigkeit hätte. SEPA-Mandat läge vor, alles ordnungsgemäß. Michael wurde rot. „Welches SEPA-Mandat? Ich kenne diese Firma nicht mal!"
Nach zwanzig Minuten Hin und Her legte er auf. Frustration pur. Die Bank beharrte darauf, dass alles korrekt sei, aber konkrete Details wollten oder konnten sie am Telefon nicht nennen. „Aus Datenschutzgründen", hieß es. Man könne ja in die Filiale kommen.
Weißt du, was mich daran am meisten ärgert? Diese Hilflosigkeit. Da bucht irgendwer Geld von unserem Konto ab, und die Bank, die eigentlich unser Geld schützen sollte, stellt sich quer. Dabei haben wir als Kontoinhaber eigentlich ziemlich gute Rechte. Das wusste ich zu dem Zeitpunkt aber noch nicht so genau.
Meine Schwägerin arbeitet bei einer Sparkasse – nicht bei unserer Bank, aber immerhin. Als wir ihr beim Familienessen davon erzählten, wurde sie hellhörig. „Habt ihr sofort widersprochen?", fragte sie. Wir nickten. „Gut. Bei SEPA-Lastschriften habt ihr acht Wochen Zeit für den Widerspruch, wenn ein Mandat existiert. Wenn keins existiert, sogar dreizehn Monate."
Das war mir neu. Dreizehn Monate! Man stelle sich vor, man checkt seine Kontoauszüge ein Jahr lang nicht richtig und könnte trotzdem noch was zurückholen. Wobei... wer macht das schon? Einmal im Monat schaue ich drüber, Michael macht es wöchentlich. Seit dieser Geschichte sogar noch öfter.
Die Schwägerin gab uns noch einen wichtigen Tipp: Alles schriftlich machen. „Am Telefon versprechen sie dir alles Mögliche, aber was zählt, ist das Schriftliche." Also setzten wir uns am Wochenende hin und formulierten einen Brief. Förmlich, aber bestimmt. Wir forderten die Rückbuchung und verlangten Nachweise: Wer genau ist TechnoMedia? Wann soll dieses SEPA-Mandat erteilt worden sein? Für welche Leistung wurde abgebucht?
Michael wollte den Brief persönlich in der Filiale abgeben. „Dann haben sie es schwarz auf weiß", meinte er. Die Filiale – ein moderner Glaskasten in der Innenstadt – war rappelvoll. Samstags ist da immer die Hölle los. Nach vierzig Minuten Wartezeit waren wir endlich dran. Der junge Berater, Typ Berufsanfänger mit zu viel Gel im Haar, nahm unseren Brief entgegen und tippte etwas in seinen Computer.
„Ah ja", sagte er nach einer gefühlten Ewigkeit. „TechnoMedia Services. Die buchen für verschiedene Online-Dienste ab." Wir schauten uns an. „Welche Online-Dienste?", fragte ich. Er scrollte weiter. „Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber das Mandat wurde vor drei Monaten online erteilt."
Vor drei Monaten? Da fiel mir was ein. Michael hatte sich tatsächlich vor etwa drei Monaten bei so einem Streaming-Dienst angemeldet. Für Dokumentationen. Der erste Monat war kostenlos, danach... Moment mal. „Wie hieß der Dienst nochmal?", fragte ich Michael. „DocuStream oder so ähnlich."
Der Berater tippte wieder. „Könnte passen. TechnoMedia wickelt die Zahlungen für mehrere kleinere Streaming-Anbieter ab." Mystery solved? Nicht ganz. Michael war sich sicher, dass er das Probe-Abo rechtzeitig gekündigt hatte. Er hatte sogar eine Kündigungsbestätigung per Mail bekommen.
Zu Hause kramten wir in Michaels E-Mail-Postfach. Und tatsächlich: Die Kündigungsbestätigung war da, datiert auf den 15. des Vormonats. Eindeutig vor Ablauf der Testphase. Aber warum wurde dann trotzdem abgebucht?
Das ist übrigens ein verbreitetes Problem. Viele dieser Probe-Abos sind trickreich gestaltet. Man denkt, man hätte gekündigt, aber in Wirklichkeit hat man nur den Newsletter abbestellt. Oder die Kündigung gilt erst zum Ende der Laufzeit, nicht sofort. Oder – und das ist besonders fies – die Kündigungsfrist ist kürzer als die Probezeit. Man muss also kündigen, bevor die Probezeit überhaupt abgelaufen ist.
Bei Michael war es aber anders. Die Kündigung war eindeutig, die Bestätigung auch. DocuStream hatte bestätigt, dass das Abo zum Ende der Probezeit beendet wird. Keine weiteren Kosten. Und trotzdem: 89,99 Euro weg.
Wir schrieben also direkt an DocuStream. Oder versuchten es zumindest. Auf deren Website gab es nur ein Kontaktformular, keine E-Mail-Adresse, keine Telefonnummer. Das Formular füllten wir aus, schickten die Kündigungsbestätigung als Anhang mit. Automatische Antwort: „Wir werden uns innerhalb von 72 Stunden bei Ihnen melden."
72 Stunden wurden zu einer Woche. Keine Antwort. Michael wurde langsam ungeduldig. „Die hoffen wohl, dass wir aufgeben", meinte er. Aber so leicht geben wir nicht auf. Nicht bei 90 Euro.
Ich fing an zu recherchieren. TechnoMedia Services GmbH – was ist das überhaupt für eine Firma? Im Handelsregister fand ich sie, Sitz in Hamburg, Geschäftsführer mit einem Namen, den ich nicht aussprechen konnte. Geschäftszweck: „Zahlungsabwicklung für digitale Dienstleistungen". Also eine Art Mittelsmann zwischen Kunden und Anbietern.
Das System dahinter ist eigentlich clever. Kleine Streaming-Dienste oder Online-Shops haben oft nicht die Infrastruktur für eigene Zahlungsabwicklung. Also beauftragen sie Firmen wie TechnoMedia. Die kümmern sich um alles: SEPA-Mandate, Abbuchungen, Mahnwesen. Der Kunde merkt oft gar nicht, dass da ein Dritter involviert ist.
Das Problem dabei: Wenn was schiefläuft, weiß keiner mehr, wer zuständig ist. Der Streaming-Dienst sagt: „Wir haben TechnoMedia informiert, dass gekündigt wurde." TechnoMedia sagt: „Wir buchen nur ab, was uns der Kunde meldet." Und der Endkunde – wir – sitzt zwischen den Stühlen.
Nach zwei Wochen ohne Antwort von DocuStream wurde Michael aktiv. Er loggte sich ins Online-Banking ein und widerrief die Lastschrift. Einfach so, mit zwei Klicks. „Das geht?", fragte ich überrascht. „Klar", meinte er. „Steht hier: Lastschrift widersprechen, innerhalb von 8 Wochen möglich."
Tatsächlich, drei Tage später war das Geld wieder da. 89,99 Euro zurückgebucht. Wir waren erleichtert. Fall abgeschlossen? Denkste.
Eine Woche später: Brief von TechnoMedia. Mahnung. 89,99 Euro plus 5 Euro Mahngebühr. Plus der Hinweis, dass bei weiterer Nichtzahlung ein Inkassoverfahren eingeleitet würde. Michael wurde wütend. „Die spinnen doch!"
Aber ich hatte mittlerweile einiges über das Thema gelesen. Wenn man eine Lastschrift zurückgibt, heißt das nicht automatisch, dass die Forderung weg ist. Die Firma kann trotzdem behaupten, dass man ihnen Geld schuldet. Nur muss sie es dann auf anderem Weg eintreiben. Und vor allem: Sie muss beweisen, dass die Forderung berechtigt ist.
Wir schrieben also an TechnoMedia. Höflich, aber bestimmt. Wir erklärten die Situation, legten die Kündigungsbestätigung bei und forderten sie auf, die Forderung fallen zu lassen. Gleichzeitig setzten wir eine Frist: zwei Wochen. Danach würden wir uns an die Verbraucherzentrale wenden.
Die Verbraucherzentrale – das war übrigens Michaels Idee. „Die kennen sich mit sowas aus", meinte er. Und tatsächlich, als wir dort anriefen, kannten sie TechnoMedia bereits. „Haben wir öfter", sagte der Berater am Telefon. „Die sind nicht unseriös, aber sehr... hartnäckig."
Er gab uns einen wertvollen Tipp: Alles dokumentieren. Jeden Brief, jede E-Mail, jeden Anruf. Datum, Uhrzeit, Gesprächspartner. „Falls es vor Gericht geht, brauchen Sie Beweise." Vor Gericht? Wegen 90 Euro? „Unwahrscheinlich", beruhigte er uns. „Meist lenken sie ein, wenn sie merken, dass Sie sich auskennen."
Und dann erklärte er uns noch was Wichtiges über SEPA-Lastschriften. Das System wurde 2014 europaweit eingeführt, um Zahlungen zu vereinfachen. Eigentlich eine gute Sache. Aber es gibt Schlupflöcher. Zum Beispiel können Firmen behaupten, ein Mandat zu haben, auch wenn keins existiert. Die Bank prüft das nicht im Detail – sie verlässt sich auf die Angaben des Einziehenden.
Das heißt aber auch: Als Kunde hat man starke Rechte. Man kann jede Lastschrift zurückgeben, ohne Begründung. Die Bank muss das durchführen, Punkt. Erst danach wird geklärt, ob die Forderung berechtigt war oder nicht. Das schützt Verbraucher vor Missbrauch, macht es aber auch komplizierter für ehrliche Unternehmen.
TechnoMedia antwortete tatsächlich innerhalb unserer Frist. Ein kurzer Brief, sehr geschäftsmäßig. Man habe den Fall geprüft und festgestellt, dass es zu einer „technischen Störung" bei der Übermittlung der Kündigung gekommen sei. Die Forderung werde storniert, die Angelegenheit sei erledigt.
Technische Störung. Klar. Aber wir waren einfach froh, dass es vorbei war. Michael löschte sofort den DocuStream-Account komplett. „Nie wieder", murmelte er.
Was haben wir aus der ganzen Sache gelernt? Eine Menge, tatsächlich. Zum Beispiel, dass man Kontoauszüge wirklich regelmäßig prüfen sollte. Nicht nur überfliegen, sondern wirklich anschauen. Jede einzelne Buchung. Klingt nach viel Arbeit, aber wenn man es wöchentlich macht, sind es nur ein paar Minuten.
Außerdem: Bei Probe-Abos sofort kündigen. Wirklich sofort, am besten gleich nach der Anmeldung. Die meisten Dienste laufen trotzdem bis zum Ende der Probezeit weiter, aber man vergisst die Kündigung nicht. Michael hat sich das jetzt zur Regel gemacht. Probe-Abo nur mit sofortiger Kündigung.
Und: Keine Scheu vor Widerspruch. Wenn eine Abbuchung nicht stimmt, sofort handeln. Die Bank ist in der Pflicht, das Geld zurückzubuchen. Man muss sich nicht rechtfertigen oder beweisen, dass man im Recht ist. Erstmal das Geld zurück, dann kann man immer noch klären, was los war.
Die Geschichte mit den Zahlungsdienstleistern ist übrigens wirklich komplex. Es gibt hunderte solcher Firmen, manche seriös, manche weniger. Sie wickeln Zahlungen für Online-Casinos ab, für Dating-Portale, für Streaming-Dienste. Oft steht auf dem Kontoauszug nur der Name des Dienstleisters, nicht des eigentlichen Anbieters. Das macht es schwer nachzuvollziehen, wofür man eigentlich zahlt.
Meine Freundin Sandra hatte mal einen ähnlichen Fall. Bei ihr wurde monatlich von einer Firma namens „Global Payment Services" abgebucht. 19,99 Euro, jeden Monat. Sie hatte keine Ahnung, wofür. Nach langem Hin und Her stellte sich heraus: Es war ein Fitness-App-Abo, das sie vor zwei Jahren abgeschlossen und völlig vergessen hatte. Die App hatte sie längst gelöscht, aber das Abo lief weiter.
Das ist übrigens ein wichtiger Unterschied: App löschen heißt nicht Abo kündigen. Die Abos laufen meist über den App Store oder Google Play, nicht über die App selbst. Man muss explizit in die Abo-Verwaltung gehen und dort kündigen. Sandra hatte das nicht gewusst. 480 Euro für eine App, die sie nie genutzt hat.
Bei uns ging es glimpflich aus. 90 Euro hin, 90 Euro zurück, ein paar graue Haare mehr, aber keine bleibenden Schäden. Trotzdem hat es uns nachdenklich gemacht. Wie viele kleine Beträge werden wohl jeden Monat zu Unrecht abgebucht? Wie viele Leute zahlen einfach, weil sie keine Lust auf Ärger haben?
Michael hat sich seitdem angewöhnt, eine Excel-Tabelle mit allen Abos und regelmäßigen Zahlungen zu führen. Netflix, Spotify, Versicherungen, alles drin. Mit Kündigungsfristen und Kosten. „Übertrieben", sage ich manchmal. „Notwendig", sagt er dann.
Vielleicht hat er recht. In einer Welt, wo jeder Klick ein Abo auslösen kann, wo Firmen darauf spekulieren, dass man vergisst zu kündigen, wo Zahlungen über drei Ecken abgewickelt werden – da muss man wachsam sein. Nicht paranoid, aber wachsam.
Die Bank hat übrigens nie zugegeben, dass sie einen Fehler gemacht hat. Die Aussage, die Abbuchung sei korrekt, war offensichtlich falsch. Aber eine Entschuldigung? Fehlanzeige. „Wir freuen uns, dass sich die Angelegenheit geklärt hat", hieß es in einem Standardbrief. Mehr nicht.
Seitdem haben wir übrigens die Bank gewechselt. Nicht nur wegen dieser Sache, aber sie war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die neue Bank hat eine bessere App, besseren Service und – was für uns wichtig war – eine Funktion, mit der man Abbuchungen vorher genehmigen muss. Kein Geld geht mehr raus, ohne dass wir es explizit erlauben.
Übertriebene Vorsicht? Vielleicht. Aber nach unserer TechnoMedia-Erfahrung nehmen wir das Thema Kontosicherheit ernster. Es ist unser Geld, hart erarbeitet. Niemand hat das Recht, es einfach so abzubuchen. Auch nicht mit noch so offiziell klingenden Firmen namen und angeblichen SEPA-Mandaten.
Was würde ich anderen raten, die in eine ähnliche Situation kommen? Keine Panik. Tief durchatmen. Systematisch vorgehen. Erst klären, was abgebucht wurde und warum. Dann entscheiden, ob es berechtigt ist oder nicht. Wenn nicht: Widerspruch einlegen, Geld zurückholen. Parallel dazu die Firma kontaktieren, Klärung fordern. Alles dokumentieren. Und wenn nötig, Hilfe holen – Verbraucherzentrale, Anwalt, Ombudsmann.
Ach ja, der Ombudsmann. Den hatten wir auch auf dem Schirm, falls TechnoMedia nicht eingelenkt hätte. Jede Bank muss sich einem Schlichtungsverfahren unterwerfen. Der Ombudsmann ist eine neutrale Stelle, die bei Streitigkeiten vermittelt. Kostenlos für Verbraucher, verbindlich bis 10.000 Euro Streitwert. Viele wissen das gar nicht, aber es ist ein mächtiges Instrument.
Letztendlich war unsere Geschichte glimpflich. Ein bisschen Ärger, ein bisschen Aufregung, aber kein echter Schaden. Andere haben weniger Glück. Ich habe von Fällen gelesen, wo Leute monatelang kämpfen mussten, um ihr Geld zurückzubekommen. Wo Inkassofirmen eingeschaltet wurden wegen eigentlich unberechtigter Forderungen. Wo die Schufa-Einträge drohten.
Das System ist nicht perfekt. Banken machen Fehler, Firmen nutzen Grauzonen aus, und wir Verbraucher stehen oft dazwischen. Aber wir sind nicht machtlos. Wir haben Rechte, wir haben Instrumente, wir können uns wehren. Man muss es nur wissen. Und man muss es tun.
Michael sagt manchmal im Scherz, wir sollten ein Buch schreiben: „Überlebensguide Onlinebanking". Ich lache dann immer. Aber vielleicht ist es gar keine schlechte Idee. Die Welt wird immer digitaler, die Fallen immer raffinierter. Da kann ein bisschen Aufklärung nicht schaden.
Bis dahin: Augen auf bei Kontoauszügen. Skepsis bei Probe-Abos. Und keine Angst vor Widerspruch. Es ist euer Geld. Lasst es euch nicht einfach so wegnehmen.