Versicherungen & Recht

Unrechtmäßige Abbuchung: Der Tag, an dem wir unserem eigenen Makler nicht mehr trauten

Winterberg 2025. 11. 18. 19:28

Die 387 Euro, die uns fast die Freundschaft gekostet hätten

Letzte Woche saßen wir mit Klaus und Petra beim Italiener. Zwischen Vorspeise und Hauptgang kam das Thema auf Versicherungen – wie das halt so ist, wenn man über vierzig ist und der Wein schon ein bisschen wirkt. Klaus erzählte von seinem neuen E-Bike, Petra von der Hausratversicherung, und dann sagte Robert plötzlich: "Wisst ihr noch, die Geschichte mit den 387 Euro?"

Petra schaute verwirrt. "Welche 387 Euro?"

"Na, die von eurem Makler damals", sagte Robert und grinste. "Die, die uns fast..."

"Ach die!", rief Klaus und schlug sich an die Stirn. "Das war ja ein Drama!"

Die Geschichte ist jetzt zwei Jahre her, aber wenn wir daran denken, kriegen wir immer noch dieses mulmige Gefühl. Es war ein ganz normaler Donnerstagmorgen. Robert checkte beim Frühstück die Banking-App – macht er jeden Morgen, alte Gewohnheit. Plötzlich runzelte er die Stirn.

"Schatz, hast du was bei Klaus bestellt?"

Klaus ist unser Versicherungsmakler. Seit zehn Jahren. War mal Roberts Kollege, dann haben sie sich selbstständig gemacht, er als Makler, Robert als Ingenieur. Wir waren quasi seine ersten Kunden. Krankenversicherung, Berufsunfähigkeit, das ganze Programm.

"Nö", sagte ich und schaute über seine Schulter aufs Handy. Da stand es: "SEPA-Lastschrift Klaus Zimmermann Versicherungen: 387,00 EUR".

387 Euro? Wofür denn?

Robert scrollte durch die Abbuchungen. Normalerweise bucht Klaus nur die Krankenversicherung ab, einmal im Quartal, 842 Euro für uns beide. Die war aber erst vor drei Wochen abgebucht worden. Diese 387 Euro ergaben keinen Sinn.

"Ruf ihn an", sagte ich.

"Ist noch zu früh", meinte Robert. Es war halb acht. Klaus macht erst um neun auf.

Den ganzen Vormittag über grübelte ich. Was könnten diese 387 Euro sein? Eine vergessene Versicherung? Eine Nachzahlung? Eine Gebühr? Bei Klaus hatten wir nie Gebühren gezahlt. Er lebt von den Provisionen der Versicherungen, hatte er uns mal erklärt. Das ist das normale Maklermodell. Die Versicherung zahlt ihm eine Provision für jeden vermittelten Vertrag und für die laufende Betreuung. Wir zahlen nur die Versicherungsbeiträge.

Um zehn – Robert war schon bei der Arbeit – rief ich Klaus an. Seine Assistentin ging ran. "Versicherungen Zimmermann, guten Morgen!"

Ich erklärte das Problem. Sie klang überrascht. "387 Euro? Moment, ich schaue mal..." Tastaturklappern. "Ich sehe hier keine Abbuchung in der Höhe. Wann war das genau?"

"Heute morgen."

"Heute? Das kann nicht sein. Wir haben diese Woche noch gar keine Lastschriften rausgeschickt."

Komisch.

Sie versprach, Klaus würde zurückrufen, sobald er aus seinem Termin kommt.

Mittags klingelte das Telefon. Klaus. Er klang gestresst. "Hi Sabine, die Marion hat mir das mit der Abbuchung gesagt. Ich habe keine Ahnung, was das sein soll. Bei uns im System ist nichts."

"Aber das Geld ist weg", sagte ich.

"Lass mich das prüfen. Ich ruf dich gleich zurück."

Eine Stunde später: "Sabine, ich hab's gefunden. Das war ein Systemfehler. Wir haben neue Software, und die hat irgendwie... na ja, die hat Mist gebaut. Die 387 Euro, das ist ein Teilbetrag von der Berufsunfähigkeitsversicherung von jemand anderem. Die wurde bei euch abgebucht."

"Wie kann denn sowas passieren?"

Er seufzte. "Ehrlich? Keine Ahnung. Die Firma, die die Software macht, sagt, es könnte an einer falschen IBAN-Zuordnung liegen. Wir hatten letzte Woche ein Update, und seitdem..."

Ich weiß noch, wie ich dachte: Bei unserem Freund Klaus! Wenn das bei irgendeinem anonymen Makler passiert wäre, okay. Aber Klaus kennen wir seit der Uni. Unsere Kinder spielen zusammen Fußball.

"Das Geld bekommt ihr natürlich sofort zurück", sagte Klaus schnell. "Ich überweise es heute noch."

"Klaus", sagte ich. "Das ist echt blöd gelaufen."

"Ich weiß. Es tut mir wahnsinnig leid."

Abends erzählte ich Robert davon. Er war... sagen wir mal, nicht begeistert. "Systemfehler? Bei 387 Euro? Wie viele Leute sind denn noch betroffen?"

Gute Frage. Robert googelte erstmal, was man in so einem Fall macht. Interessanterweise gibt es da klare Regeln. Bei SEPA-Lastschriften hat man als Kunde ziemlich gute Karten. Wenn eine Abbuchung autorisiert war – also wenn man grundsätzlich ein SEPA-Mandat erteilt hat – kann man innerhalb von acht Wochen widersprechen und das Geld zurückbuchen lassen. Einfach so, ohne Begründung. Die Bank muss das machen.

Noch besser: Wenn gar kein gültiges Mandat vorlag oder die Abbuchung fehlerhaft war, hat man sogar 13 Monate Zeit. 13 Monate! Das wusste ich vorher auch nicht.

Robert las weiter vor: "Die Rückbuchung kann man online machen, in der Banking-App oder am Telefon." Er schaute mich an. "Sollen wir das Geld einfach zurückbuchen?"

"Aber Klaus hat doch gesagt, er überweist es."

"Ja, aber wann? Und was, wenn er es vergisst? Oder wenn die Software wieder spinnt?"

Da hatte er einen Punkt. Andererseits – Klaus war unser Freund. Man vertraut Freunden. Oder?

Ich erinnere mich noch an das Gespräch, das wir dann führten. Es ging gar nicht mehr nur um die 387 Euro. Es ging um Vertrauen, um Freundschaft, um Geschäft. Darf man Geschäfte mit Freunden machen? Was, wenn was schiefgeht? Wo zieht man die Grenze?

Robert hatte mal einen interessanten Artikel gelesen über die Psychologie von Geld und Freundschaft. Da stand, dass Geld eine der häufigsten Ursachen für zerbrochene Freundschaften ist. Nicht, weil Menschen grundsätzlich gierig sind, sondern weil Geld Machtverhältnisse verändert. Wer wem was schuldet, wer von wem abhängt – das belastet Beziehungen.

Bei Geschäften unter Freunden kommt noch was dazu: Man traut sich oft nicht, Dinge anzusprechen, die man bei Fremden sofort klären würde. Man will nicht kleinlich wirken. Man will die Freundschaft nicht gefährden. Aber genau das führt oft zu größeren Problemen.

Meine Schwester hatte das mal erlebt. Ihr bester Freund hatte ihr Auto repariert, "unter Freunden", ohne richtige Rechnung. Die Reparatur war schlampig, das Auto hatte nach zwei Wochen wieder Probleme. Aber sie traute sich nicht, was zu sagen. Die Freundschaft ist daran zerbrochen. Nicht an der schlechten Reparatur, sondern am Nicht-darüber-Reden.

Wir beschlossen, zu warten. Klaus einen Tag Zeit geben, das Geld zu überweisen. Wenn bis Samstagmorgen nichts da war, würden wir zurückbuchen.

Freitagmittag schaute Robert wieder in die App. Nichts. Freitagabend: immer noch nichts. Ich schrieb Klaus eine WhatsApp. "Hi Klaus, nur zur Info: Das Geld ist noch nicht da. LG Sabine"

Blaue Häkchen. Gelesen. Keine Antwort.

Robert wurde sauer. "Siehst du? Er ignoriert uns."

"Vielleicht ist er im Stress."

"387 Euro abbuchen ist kein Stress?"

Samstagmorgen. Kein Geld. Robert machte die Rückbuchung. Ging tatsächlich super einfach. In der App auf die Abbuchung klicken, "Lastschrift zurückgeben" wählen, Grund angeben (wir wählten "Betrag fehlerhaft"), bestätigen. Fertig.

Eine Stunde später klingelte mein Handy. Klaus. Er klang aufgebracht. "Sabine, was soll das? Ihr habt das Geld zurückgebucht?"

"Klaus, du hattest zwei Tage Zeit."

"Ich war gestern beim Steuerberater! Den ganzen Tag! Ich wollte es heute machen!"

"Hättest du nicht kurz schreiben können?"

Stille. Dann: "Ja, okay. Hättest recht. Sorry. Aber diese Rückbuchung... das sieht aus, als würdet ihr mir nicht vertrauen."

Das war der Punkt, wo es emotional wurde. Vertrauen. Das große Wort. Robert nahm mir das Handy aus der Hand. "Klaus, ganz ehrlich? In dem Moment haben wir dir nicht vertraut. Du buchst ohne Grund Geld ab, versprichst es zurückzuzahlen, und dann passiert nichts. Was sollen wir denken?"

Später erfuhren wir, dass Klaus an dem Tag noch fünf andere Kunden hatte, bei denen falsch abgebucht wurde. Insgesamt über 3.000 Euro. Die neue Software hatte beim Import der Kundendaten die IBAN-Nummern durcheinandergewürfelt. Ein klassischer Programmierfehler, wie Robert sagte. Wahrscheinlich hatte jemand vergessen, die Datenbank richtig zu sortieren.

Das Problem bei sowas ist: Als Makler haftet Klaus dafür. Auch wenn die Software-Firma Mist gebaut hat. Er muss das Geld zurückzahlen, und dann versuchen, es von der Software-Firma wiederzubekommen. Viel Glück dabei.

In Deutschland gibt es übrigens strenge Regeln für Versicherungsmakler. Die sind in der Gewerbeordnung und im Versicherungsvertragsgesetz geregelt. Ein Makler darf nur Geld einziehen, wenn er dazu berechtigt ist. Entweder durch eine Inkassovollmacht der Versicherung – dann zieht er die Beiträge für die Versicherung ein. Oder durch eine eigene Vereinbarung mit dem Kunden – dann muss aber klar sein, wofür.

Beratungsgebühren zum Beispiel. Ja, manche Makler verlangen die tatsächlich. Ist legal, muss aber vorher vereinbart werden. Schriftlich. Mit genauer Leistungsbeschreibung. Klaus macht das nicht, er lebt von den Provisionen. Aber manche Makler, besonders die, die sich "Honorarberater" nennen, arbeiten so.

Mein Cousin in München hat so einen Honorarberater. Der nimmt 150 Euro die Stunde. Dafür ist er aber auch wirklich unabhängig, sagt mein Cousin. Keine Provisionen, keine Interessenkonflikte. Er empfiehlt die Versicherung, die wirklich am besten passt, nicht die, die ihm die höchste Provision zahlt.

Ob das besser ist? Schwer zu sagen. Bei Klaus wissen wir wenigstens, dass er Geld verdient, wenn er uns gut berät. Wenn wir zufrieden sind und bei der Versicherung bleiben, bekommt er weiter seine Provision. Win-win, eigentlich.

Nach der Rückbuchung herrschte erstmal Funkstille zwischen uns und Klaus. Zwei Wochen lang. Dann kam eine E-Mail. Sehr förmlich, sehr anders als Klaus sonst schreibt. Er entschuldigte sich nochmal für den Fehler, erklärte den technischen Hintergrund und – das fand ich gut – legte einen Brief der Software-Firma bei, in dem die ihren Fehler einräumten.

Er schrieb auch, dass er die Software gewechselt hat. Zurück zum alten System. "Das war vielleicht altmodisch, aber es hat funktioniert", schrieb er.

Und dann kam ein Satz, der mich nachdenklich machte: "Ich verstehe, wenn ihr das Vertrauen verloren habt und den Makler wechseln wollt."

Robert und ich diskutierten lange darüber. Makler wechseln? Nach zehn Jahren? Wegen eines Fehlers, für den Klaus nicht mal direkt was konnte?

Andererseits: Wie er damit umgegangen ist, war auch nicht optimal. Keine Kommunikation, keine Priorität für die Rückzahlung. Und was, wenn sowas nochmal passiert?

Wir haben dann was gemacht, was im Nachhinein vielleicht das Beste war: Wir haben mit Klaus geredet. Richtig geredet. Nicht per WhatsApp oder E-Mail, sondern bei uns zu Hause, bei Kaffee und Kuchen. Wie früher, als er noch öfter vorbeikam.

Er erzählte, wie gestresst er war in der Zeit. Fünf fehlerhafte Abbuchungen, wütende Kunden, die Software-Firma, die sich erstmal tot stellte. Sein Steuerberater, der ihm sagte, er könnte Probleme mit der Aufsicht bekommen. Die IHK, die solche Fälle genau prüft.

Wusstet ihr, dass Versicherungsmakler eine Berufshaftpflicht haben müssen? Mindestens 1,3 Millionen Euro Deckung. Für genau solche Fälle. Falls sie einen Fehler machen und der Kunde einen Schaden hat. Klaus' Versicherung hatte den Fall übernommen, aber es gab trotzdem einen Haufen Papierkram.

Er erzählte auch von anderen Kollegen. Einer hatte mal aus Versehen 50.000 Euro eines Kunden an die falsche Versicherung überwiesen. Lebensversicherung, Einmalzahlung. Hat drei Monate gedauert, bis das Geld wieder da war. Der Kunde hat geklagt, gewonnen, der Makler musste Zinsen und Schadenersatz zahlen.

Ein anderer Kollege wurde mal Opfer eines Hackers. Der hat die E-Mail-Kommunikation abgefangen und dem Kunden eine gefälschte Rechnung geschickt. Mit seiner eigenen Kontonummer. 8.000 Euro weg. Der Makler haftete, weil sein E-Mail-System nicht sicher genug war.

"Das Geschäft ist komplizierter geworden", sagte Klaus. "Früher war ich Berater. Heute bin ich zur Hälfte IT-Administrator."

Stimmt wohl. Die Digitalisierung macht vieles einfacher, aber auch fehleranfälliger. Eine falsche Excel-Formel, ein Bug in der Software, ein Tippfehler in der IBAN – schon ist das Chaos perfekt.

Meine Freundin arbeitet bei einer Bank, in der IT-Abteilung. Sie sagt, die meisten Fehler bei Überweisungen und Lastschriften sind menschliche Fehler. Jemand tippt was falsch ein, jemand verwechselt zwei Kunden, jemand klickt auf den falschen Button. Die Systeme selbst sind ziemlich sicher. Aber die Menschen, die sie bedienen...

Wir haben Klaus dann gefragt, wie wir sowas in Zukunft vermeiden können. Er hatte ein paar gute Vorschläge.

Er richtet jetzt für jeden Kunden ein Limit ein. Maximal eine Abbuchung pro Monat, maximaler Betrag festgelegt. Wenn was Außergewöhnliches ansteht, ruft er vorher an.

Wir sollen die Abbuchungen im Auge behalten. Klingt banal, aber viele Leute schauen monatelang nicht auf ihre Kontoauszüge. Da können fehlerhafte Abbuchungen lange unentdeckt bleiben.

Bei Unstimmigkeiten sofort melden. Nicht warten, nicht hoffen, dass es sich von selbst klärt. Je schneller man reagiert, desto einfacher die Lösung.

Und – das war sein Vorschlag – wir könnten das SEPA-Mandat auf bestimmte Beträge begrenzen. Das wusste ich gar nicht, dass das geht. Man kann bei der Bank sagen: Dieser Empfänger darf maximal X Euro im Monat abbuchen. Alles darüber wird automatisch abgelehnt.

Robert hat das gleich gemacht. Klaus darf jetzt maximal 900 Euro abbuchen – das reicht für die Krankenversicherung. Alles andere läuft über Rechnung und Überweisung.

Die Sache mit den 387 Euro ist jetzt zwei Jahre her. Klaus ist immer noch unser Makler. Und unser Freund. Aber die Beziehung ist anders geworden. Professioneller vielleicht. Wir trennen jetzt klarer zwischen Freundschaft und Geschäft.

Beim Grillen reden wir über die Kinder und den Urlaub. Bei Versicherungsfragen schreiben wir E-Mails mit klaren Betreffzeilen. Wenn Geld fließt, gibt es eine schriftliche Bestätigung. Keine "machen wir unter Freunden"-Deals mehr.

Ist das besser? Ich weiß nicht. Einfacher ist es auf jeden Fall. Klarer. Weniger Raum für Missverständnisse.

Letzte Woche hatte meine Nachbarin ein ähnliches Problem. Ihr Makler hatte 200 Euro zu viel abgebucht. Sie wusste nicht, was sie tun soll. Ich gab ihr den gleichen Rat, den ich jedem geben würde:

Erst mal keine Panik. Fehler passieren. Dann: Kontakt aufnehmen, schriftlich, mit genauer Beschreibung des Problems. Eine Frist setzen für die Klärung – eine Woche ist angemessen. Wenn nichts passiert: Rückbuchung. Das ist dein gutes Recht.

Und ganz wichtig: Dokumentieren. Screenshot vom Kontoauszug, E-Mails speichern, bei Telefonaten Notizen machen. Falls es Ärger gibt, hast du Beweise.

Sie hat's so gemacht. Nach drei Tagen war das Geld zurück. Der Makler hatte sich verrechnet, ganz banaler Fehler. Entschuldigung, Rückzahlung, erledigt.

So sollte es laufen. Fehler eingestehen, schnell korrigieren, weitermachen. Ohne Drama, ohne Vertrauensverlust.

Die 387 Euro haben uns was gelehrt. Über Geld, über Freundschaft, über Vertrauen. Und über die Wichtigkeit klarer Regeln. Auch – oder gerade – unter Freunden.

Ach ja, Klaus hat uns übrigens letztes Jahr zu Weihnachten eine Flasche richtig guten Rotwein geschenkt. Mit einer Karte: "Auf weitere 10 Jahre – hoffentlich ohne Software-Fehler."

Wir haben die Flasche aufgemacht, als wir unsere neue Hausratversicherung abgeschlossen haben. Bei Klaus, natürlich. War ein schöner Abend.