
Es war ein ganz normaler Donnerstagnachmittag, als Emma vom Spielplatz nach Hause kam. Ich sah sie schon von weitem – die Art, wie sie lief, war irgendwie komisch. Nicht humpelnd, aber vorsichtig. Dann sah ich das Pflaster. Ein riesiges Ding, das sich über ihr ganzes Knie zog. „Was ist denn passiert, Schatz?" Emma zuckte mit den Schultern, wie Siebenjährige das eben so machen. „Bin von der Schaukel gesprungen. War gar nicht schlimm." Stefan kam aus seinem Büro und warf einen Blick auf das Knie. „Zeig mal her, Maus."
Es war wirklich nur eine Schramme. Eine dieser typischen Kinderwunden, die dramatisch aussehen, aber nach einer Woche vergessen sind. Trotzdem saßen Stefan und ich später am Küchentisch, als Emma schon im Bett war, und der Gedanke ließ uns nicht los. Was, wenn sie sich den Kopf aufgeschlagen hätte? Was, wenn sie unglücklich gelandet wäre und sich was gebrochen hätte? Oder noch schlimmer?
„Weißt du eigentlich, wie das mit der Unfallversicherung bei Kindern läuft?", fragte Stefan und rührte gedankenverloren in seinem Tee. Ich musste zugeben, dass ich keine Ahnung hatte. Klar, wir zahlen Krankenversicherung, und irgendwas mit gesetzlicher Unfallversicherung hatte ich mal gehört. Aber wie das genau funktioniert? Keine Ahnung. „Ich glaube, die greift nur bei Unfällen in der Schule", meinte Stefan. „Oder war das im Kindergarten?"
Am nächsten Tag rief ich bei unserer Versicherungsberaterin an. Frau Meier kenne ich schon seit Jahren, sie hat uns auch bei der Hausratversicherung geholfen. „Die gesetzliche Unfallversicherung", erklärte sie mir, „deckt tatsächlich nur Unfälle ab, die in der Kita, Schule oder auf dem direkten Weg dorthin passieren. Alles andere – Freizeit, Urlaub, zuhause – ist nicht abgedeckt." Ich war perplex. Das bedeutet ja, dass Emma die meiste Zeit überhaupt nicht unfallversichert ist.
Die Zahlen, die Frau Meier mir dann nannte, haben mich nachdenklich gemacht. Etwa 1,3 Millionen Kinder verunglücken jedes Jahr in Deutschland. Die meisten Unfälle passieren nicht in der Schule, sondern in der Freizeit. Zuhause, beim Sport, auf dem Spielplatz. Genau dort, wo die gesetzliche Unfallversicherung nicht greift. Klar, die allermeisten Unfälle sind harmlos – aufgeschlagene Knie, blaue Flecken, vielleicht mal ein verstauchter Knöchel. Aber was ist mit den anderen Fällen?
Stefan recherchierte parallel im Internet und fand erschreckende Geschichten. Ein Junge, der vom Klettergerüst gefallen ist und seitdem im Rollstuhl sitzt. Ein Mädchen, das beim Inlineskaten verunglückt ist und bleibende Hirnschäden davongetragen hat. Natürlich sind das Extremfälle. Die Wahrscheinlichkeit ist gering. Aber sie ist eben nicht null. Und die Konsequenzen können das ganze Leben einer Familie auf den Kopf stellen.
Eine private Kinder-Unfallversicherung funktioniert anders als die gesetzliche. Sie zahlt nicht nur die akuten Behandlungskosten – die übernimmt ja meist die Krankenversicherung. Nein, sie springt ein, wenn dauerhafte Schäden zurückbleiben. Eine Invaliditätsleistung sozusagen. Das Geld kann für alles Mögliche verwendet werden: Umbau der Wohnung, wenn das Kind plötzlich auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Spezielle Therapien, die die Krankenkasse nicht zahlt. Ein behindertengerechtes Auto. Oder einfach als finanzielle Absicherung, wenn ein Elternteil seinen Job aufgeben muss, um das Kind zu pflegen.
Wir haben uns verschiedene Angebote eingeholt. Die Preisspanne war enorm – von 50 Euro bis über 200 Euro im Jahr. Kommt drauf an, was alles drin ist. Die Basis-Tarife decken nur Invalidität ab, die teureren haben noch Zusatzleistungen wie Krankenhaustagegeld, kosmetische Operationen oder Bergungskosten. Stefan meinte erst: „Bergungskosten? Wann müssen wir Emma denn mal vom Berg runterholen?" Aber dann fiel uns ein, dass wir gerne wandern gehen. Und eine Hubschrauberbergung kann richtig teuer werden.
Die Invaliditätsleistung ist der wichtigste Punkt bei einer Kinder-Unfallversicherung. Die wird als Prozentsatz angegeben – je höher der Invaliditätsgrad, desto mehr zahlt die Versicherung. Aber Achtung: Die meisten Versicherungen haben eine sogenannte Gliedertaxe. Da steht drin, wie viel Prozent Invalidität für welche Verletzung angesetzt werden. Verlust eines Daumens: 20 Prozent. Verlust eines Auges: 50 Prozent. Klingt makaber, ist aber wichtig zu wissen.
Manche Versicherungen bieten auch eine Progression an. Das bedeutet, dass bei höheren Invaliditätsgraden überproportional mehr gezahlt wird. Bei 50 Prozent Invalidität bekommt man dann nicht 50 Prozent der Versicherungssumme, sondern vielleicht 150 Prozent. Das macht Sinn, denn je schwerer die Behinderung, desto höher sind meist auch die Folgekosten.
Unsere Nachbarin hat eine interessante Geschichte erzählt. Ihr Sohn hatte mit zwölf einen schweren Fahrradunfall. Gehirnerschütterung, gebrochenes Schlüsselbein, und was am schlimmsten war: Er hat auf einem Ohr 70 Prozent seiner Hörfähigkeit verloren. Die Familie hatte zum Glück eine private Unfallversicherung. Die hat nicht nur die Invaliditätsleistung gezahlt, sondern auch die Kosten für ein spezielles Hörgerät übernommen, das die Krankenkasse nicht bezahlt hätte. Plus Nachhilfe, weil der Junge ein halbes Jahr in der Schule gefehlt hat.
Was viele nicht wissen: Eine private Unfallversicherung zahlt weltweit und rund um die Uhr. Egal ob das Kind in Deutschland vom Baum fällt oder im Spanienurlaub beim Schnorcheln verunglückt. Die gesetzliche Unfallversicherung? Greift nur in Deutschland und nur während der Schulzeit. Stefan hat ausgerechnet: Emma ist etwa 180 Tage im Jahr in der Schule, jeweils etwa 6 Stunden. Das sind 1.080 Stunden. Ein Jahr hat 8.760 Stunden. Das bedeutet, sie ist nur etwa 12 Prozent der Zeit durch die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt.
Die Diskussion um Sinn und Unsinn einer privaten Kinder-Unfallversicherung wird heftig geführt. Die Kritiker sagen: Die Wahrscheinlichkeit eines schweren Unfalls mit dauerhaften Folgen ist minimal. Das Geld sollte man lieber in die Ausbildung der Kinder investieren. Oder in eine Berufsunfähigkeitsversicherung, wenn sie älter sind. Die Befürworter argumentieren: Gerade weil die Folgen so gravierend sein können, sollte man vorsorgen. Es geht nicht nur ums Geld, sondern auch um die psychologische Sicherheit.
Ich hab mal in einem Forum gelesen, wie eine Mutter geschrieben hat: „Wir hatten keine Unfallversicherung für unseren Sohn. Er ist mit 8 beim Trampolinspringen verunglückt und sitzt seitdem im Rollstuhl. Die Kosten für Umbau, Therapien und Hilfsmittel haben uns finanziell ruiniert. Ich wünschte, wir hätten die 100 Euro im Jahr für eine Versicherung ausgegeben." Das hat mich echt getroffen.
Andererseits kenne ich auch Familien, die sagen: „Wir haben seit 15 Jahren eine Unfallversicherung für die Kinder und nie gebraucht. Das sind über 2.000 Euro für nichts." Das stimmt natürlich auch. Es ist wie bei jeder Versicherung – im besten Fall braucht man sie nie. Aber wenn man sie braucht, ist man froh, dass man sie hat.
Stefan und ich haben lange diskutiert. Er ist eher der rationale Typ, der mit Wahrscheinlichkeiten argumentiert. „Die Chance, dass Emma einen schweren Unfall mit dauerhaften Folgen hat, liegt bei unter 0,1 Prozent", hat er mir vorgerechnet. Ich bin da emotionaler. Für mich geht's nicht nur um Statistik, sondern um das Gefühl der Sicherheit. Zu wissen, dass wir im Ernstfall abgesichert sind.
Am Ende haben wir einen Kompromiss gefunden. Wir haben eine Kinder-Unfallversicherung abgeschlossen, aber nicht den teuersten Tarif. Grundabsicherung mit einer vernünftigen Invaliditätssumme, Progression und Unfallrente. Kostet uns etwa 120 Euro im Jahr. Das ist verkraftbar, und wir haben ein besseres Gefühl.
Interessant fand ich auch die Zusatzleistungen, die manche Versicherungen anbieten. Rooming-in zum Beispiel – wenn das Kind ins Krankenhaus muss, übernimmt die Versicherung die Kosten für die Übernachtung eines Elternteils. Oder Nachhilfeunterricht, wenn das Kind länger ausfällt. Sogar psychologische Betreuung nach einem traumatischen Unfall wird teilweise übernommen.
Ein Punkt, der oft vergessen wird: Die Unfallversicherung zahlt nur bei Unfällen, nicht bei Krankheiten. Wenn ein Kind durch eine Hirnhautentzündung behindert wird, greift die Unfallversicherung nicht. Dafür bräuchte man eine Kinderinvaliditätsversicherung. Die ist allerdings deutlich teurer und schwerer zu bekommen, weil die Versicherungen oft eine Gesundheitsprüfung verlangen.
Wir haben auch überlegt, ob wir statt einer separaten Kinder-Unfallversicherung nicht einfach eine Familienunfallversicherung abschließen sollten. Die ist oft günstiger als Einzelverträge. Aber da muss man aufpassen: Bei manchen Familientarifen sind die Leistungen für Kinder reduziert. Und was passiert, wenn die Kinder erwachsen werden? Müssen sie dann einen eigenen Vertrag abschließen? Das alles muss man bedenken.
Die Laufzeit ist auch so ein Thema. Die meisten Kinder-Unfallversicherungen laufen bis zum 18. Geburtstag. Manche kann man verlängern oder in eine Erwachsenen-Unfallversicherung umwandeln. Das ist praktisch, weil dann keine neue Gesundheitsprüfung nötig ist. Falls das Kind in der Zwischenzeit eine Vorerkrankung entwickelt hat, könnte es sonst schwierig werden, eine neue Versicherung zu bekommen.
Stefan hat noch einen interessanten Aspekt eingebracht: Die steuerliche Absetzbarkeit. Private Unfallversicherungen kann man als Vorsorgeaufwendungen von der Steuer absetzen. Nicht die kompletten Kosten, aber einen Teil. Bei unserem Steuersatz macht das vielleicht 30 Euro im Jahr aus. Nicht die Welt, aber immerhin.
Was mich überrascht hat: Viele Sportvereine verlangen mittlerweile eine private Unfallversicherung. Emmas Turnverein zum Beispiel. Die haben zwar eine Vereinshaftpflicht, aber die greift nur, wenn der Verein schuld am Unfall ist. Wenn Emma einfach unglücklich vom Barren fällt, ist das ihr eigenes Risiko. Deshalb der Hinweis bei der Anmeldung: „Private Unfallversicherung dringend empfohlen."
Neulich beim Elternabend kam das Thema auch auf. Es ging um die Klassenfahrt im nächsten Jahr, und eine Mutter fragte, wie das mit der Versicherung läuft. Die Lehrerin erklärte, dass Unfälle während der Klassenfahrt von der gesetzlichen Unfallversicherung abgedeckt sind – aber nur während des offiziellen Programms. Wenn die Kinder abends auf dem Zimmer toben und sich dabei verletzen, greift sie nicht. Da waren einige Eltern überrascht.
Ein Vater erzählte dann von seinem Neffen, der bei einer Klassenfahrt vom Hochbett gefallen ist. Schädelbruch, drei Wochen Krankenhaus, bleibende Konzentrationsstörungen. Die Familie hatte keine private Unfallversicherung und musste alle Folgekosten selbst tragen. Nachhilfe, Ergotherapie, psychologische Betreuung – das summiert sich schnell auf mehrere tausend Euro.
Die Frage ist natürlich auch: Ab wann macht eine Kinder-Unfallversicherung Sinn? Manche schließen sie schon für Babys ab. Das erscheint mir übertrieben – ein Baby kann noch nicht viel anstellen. Aber sobald die Kinder mobil werden, steigt das Unfallrisiko rapide. Emma hat mit anderthalb angefangen zu laufen und ist gefühlt seitdem ständig irgendwo runtergefallen. Treppen waren lange Zeit unser Angstgegner Nummer eins.
Ich habe mal gelesen, dass die meisten Kinderunfälle zu Hause passieren. Stürze sind die häufigste Unfallursache, gefolgt von Zusammenstößen und Schnittverletzungen. Im Straßenverkehr passieren zum Glück relativ wenige Unfälle, aber wenn, dann sind sie oft schwerwiegend. Deshalb ist es wichtig, dass eine Unfallversicherung auch Unfälle im Straßenverkehr abdeckt. Sounds logisch, aber es gibt tatsächlich Tarife, die das ausschließen.
Ein Aspekt, den wir lange diskutiert haben: Die Höhe der Versicherungssumme. Die Berater empfehlen meist mindestens 200.000 Euro, besser 500.000. Das klingt erstmal nach wahnsinnig viel Geld. Aber wenn man sich überlegt, was alles anfallen kann... Umbau von Haus oder Wohnung kann locker 100.000 Euro kosten. Ein behindertengerechtes Auto: 50.000 Euro. Lebenslange Pflege oder Betreuung: unbezahlbar. Da relativiert sich die Summe schnell.
Was ich gut finde: Viele Versicherungen bieten mittlerweile auch Assistance-Leistungen an. Das bedeutet, sie helfen nicht nur finanziell, sondern auch organisatorisch. Vermittlung von Spezialisten, Organisation von Reha-Maßnahmen, Unterstützung bei Behördengängen. Gerade in der ersten Zeit nach einem schweren Unfall ist man als Familie oft überfordert. Da ist es gut, wenn man Unterstützung bekommt.
Wir haben uns am Ende für eine Versicherung entschieden, die auch eine Unfallrente beinhaltet. Das bedeutet, dass Emma im Fall einer schweren Invalidität nicht nur eine Einmalzahlung bekommt, sondern eine monatliche Rente. Das erschien uns sinnvoller als eine riesige Einmalzahlung. Die Rente kann flexibel verwendet werden und sichert langfristig ab.
Die Wartezeiten sind auch ein Thema, das man beachten sollte. Die meisten Versicherungen haben eine Karenzzeit von einem Jahr. Das heißt, der Invaliditätsgrad wird erst ein Jahr nach dem Unfall festgestellt. Das macht Sinn, weil sich viele Verletzungen noch bessern können. Aber es bedeutet auch, dass man erstmal ein Jahr ohne Leistung überbrücken muss.
Übrigens: Infektionen nach Zeckenbissen sind bei vielen Kinder-Unfallversicherungen mitversichert. Das war für uns ein wichtiger Punkt, weil wir viel in der Natur unterwegs sind. FSME und Borreliose können zu dauerhaften Schäden führen, und die werden dann wie ein Unfall behandelt. Nicht alle Versicherungen bieten das, also sollte man genau hinschauen.
Stefan hat noch einen praktischen Tipp von seinem Kollegen bekommen: Die Versicherungsunterlagen regelmäßig updaten. Wenn sich was ändert – neues Hobby, Umzug, whatever – sollte man das der Versicherung mitteilen. Sonst kann es im Schadensfall Probleme geben. Sein Kollege hatte mal den Fall, dass sein Sohn mit Downhill-Mountainbiking angefangen hat. Als er dann stürzte, wollte die Versicherung nicht zahlen, weil das als Extremsport gilt und nicht angemeldet war.
Die Dokumentation im Schadensfall ist auch wichtig. Fotos machen, Zeugen notieren, ärztliche Berichte sammeln. Je besser dokumentiert, desto reibungsloser läuft die Abwicklung. Eine Bekannte hat mir erzählt, dass sie nach einem Unfall ihrer Tochter ein halbes Jahr mit der Versicherung gekämpft hat, weil die Dokumentation lückenhaft war.
Am Ende ist es wie bei jeder Versicherung eine individuelle Entscheidung. Manche Familien kommen gut ohne aus, andere fühlen sich nur mit Versicherung sicher. Für uns war ausschlaggebend, dass wir im Ernstfall handlungsfähig bleiben wollen. Nicht nur finanziell, sondern auch emotional. Zu wissen, dass wir Emma die bestmögliche Versorgung bieten können, egal was passiert.
Letzte Woche, als Emma wieder mal mit einem Pflaster nach Hause kam – diesmal am Ellbogen – musste ich schmunzeln. Sie ist ein kleiner Wirbelwind, unsere Tochter. Ständig in Bewegung, ständig am Entdecken. Und ja, dabei geht auch mal was schief. Aber das gehört zum Kindheit dazu. Mit der Unfallversicherung im Hintergrund können wir sie machen lassen, ohne ständig „Pass auf!" zu rufen.
Die 120 Euro im Jahr tun uns nicht weh. Das sind 10 Euro im Monat, weniger als wir für Netflix ausgeben. Dafür haben wir die Gewissheit, dass Emma abgesichert ist. Nicht gegen jeden kleinen Kratzer – die gehören dazu und machen Kinder stark. Aber gegen die großen, lebensverändernden Unfälle, die hoffentlich nie passieren werden. Es ist wie ein Sicherheitsnetz, das man nicht sieht, aber das einen auffängt, wenn man fällt. Und ehrlich gesagt schlafe ich damit einfach besser.