
Aktualisiert am 06.11.2025
🔹 Thema heute: Wenn gute Nachbarschaftshilfe beim Möbelaufbau plötzlich im Krankenhaus endet – und danach auch noch Versicherungen, Anwälte und Freundschaft ins Spiel kommen.
🔹 Was wir daraus mitgenommen haben: Freundschaftsdienste sind rechtlich gesehen ein Minenfeld. Und der Versicherungsschutz hat da oft Lücken, die man erst merkt, wenn’s zu spät ist.
🔹 Was Sie davon haben: Ganz praktische Tipps, wie man sich bei Gefälligkeiten besser absichert – inklusive Checkliste zum Mitnehmen.
Ich erinnere mich noch genau an diesen Samstag. Draußen nieselte es leicht, drinnen stapelten sich die IKEA-Kartons. Sandra – meine Frau – verdrehte schon seit Tagen die Augen: „Diese Pappberge machen mich wahnsinnig.“ Also rief ich meinen besten Freund Marco an. „Komm vorbei, bring den Akkuschrauber mit – Bier ist kalt.“
Ein entspannter Nachmittag sollte es werden. Wurde er nicht.
Es war kurz nach vier, als der Unfall passierte. Marco hielt das obere Teil des Schranks, ich wollte die Schrauben festziehen – und zack, der Akkuschrauber rutschte ab. Wie genau? Keine Ahnung, darüber diskutieren wir bis heute. Jedenfalls bohrte sich das Ding direkt in sein Handgelenk. Blut, Schock, Panik. Sandra griff sofort zum Telefon. Ich versuchte mit Küchentüchern die Blutung zu stoppen, während Marco blass wurde wie die Wand. „Verdammt, das tut weh“, keuchte er. Mir blieb nur ein „Es tut mir leid“ in Endlosschleife.
In der Notaufnahme dann die bittere Nachricht: Sehnen durchtrennt, OP nötig, sechs Wochen kein Arbeiten. Und Marco ist selbstständig – also kein Krankengeld, kein Chef, der einspringt. Er lächelte tapfer, aber ich sah, dass ihn die Sorgen schon gepackt hatten. Und ehrlich gesagt, mich auch.
Die erste Idee war: Haftpflicht. Schließlich hat man die ja für solche Fälle. Denkste. Der Herr am Telefon erklärte mir freundlich, aber bestimmt: „Gefälligkeitsschäden sind meistens ausgeschlossen.“ Ich fiel aus allen Wolken. Warum hat man dann überhaupt eine Versicherung?
Er erklärte weiter, dass man unter Freunden meist „stillschweigend“ auf Haftung verzichtet – solange nichts grob Fahrlässiges passiert. Klingt logisch, fühlt sich aber mies an, wenn der beste Freund mit bandagiertem Arm zu Hause sitzt.
Eine Woche später saßen wir bei ihm am Küchentisch. Marcos Arm in der Schiene, Rechnungen auf dem Tisch. 3.800 Euro für die OP, plus Medikamente, plus Verdienstausfall. „Ich will keinen Stress mit dir“, sagte er, „aber das wird langsam echt viel.“
Seine Unfallversicherung zahlte nur bei bleibenden Schäden, also im Grunde: Pech gehabt. Ich fühlte mich verantwortlich, auch wenn mir alle sagten, dass ich es juristisch nicht sei.
Sandra, die immer die Recherchiererin in unserer Familie ist, fand heraus, dass manche modernen Haftpflichtversicherungen inzwischen Gefälligkeitsschäden abdecken – für ein paar Euro mehr im Jahr. Hätten wir das bloß früher gewusst! In Heilbronn soll es sogar Versicherer geben, die das als Standard drin haben. Vielleicht lag’s einfach an uns, dass wir nie draufgeschaut haben.
Als Marcos Krankenkasse dann Regress forderte – also die Kosten von mir zurückhaben wollte – bekam ich fast einen Herzinfarkt. Über 4.000 Euro. Mein Anwalt meinte nur: „Ruhig bleiben. Bei Gefälligkeiten ist das schwierig durchzusetzen.“ Trotzdem – die Nerven!
Ein kleiner Hoffnungsschimmer kam von unserem Kumpel Thomas. „Macht’s doch das nächste Mal als Vereinsaktion, dann seid ihr über die Vereinshaftpflicht versichert“, sagte er halb im Spaß. Aber tatsächlich stimmt’s: Ehrenamt und Vereinsarbeit sind oft über Sammelversicherungen der Länder abgedeckt. In Bayern zum Beispiel automatisch. Wer hätte das gedacht?
Am Ende teilten Marco und ich die Kosten. Ich übernahm rund die Hälfte, plus ein paar Stunden Bürohilfe pro Woche, während er sich erholte. Unsere Freundschaft hat’s durchgeschüttelt, aber sie steht noch. Und das ist, was zählt.
Seitdem sind wir alle im Freundeskreis vorsichtiger geworden. Niemand schraubt mehr ungesichert an Schränken herum. Einer hat sich sogar extra eine Zusatzversicherung für Gefälligkeiten geholt. Und wissen Sie was? Es fühlt sich gar nicht übertrieben an.
Die moralische Frage bleibt: Wo hört Freundschaft auf, wo fängt Verantwortung an? Ich fand’s ehrlich gesagt schwer, mir selbst zu vergeben, obwohl ich wusste, dass ich rechtlich nichts falsch gemacht hatte. Ein befreundeter Philosoph sagte mal: „Das Recht kann nicht alles regeln, was zwischen Menschen passiert.“ Recht hatte er wohl.
Bei der ganzen Recherche stießen wir sogar auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Da ging’s um jemanden, der beim Helfen über die Grenze hinweg – von Holland nach Deutschland – verletzt wurde. Fazit: Gilt das Recht des Unfallorts. Klingt trocken, aber für Grenzregionen ist das ziemlich wichtig.
Heute wissen wir: Lieber einmal mehr nachfragen, bevor man Werkzeug in die Hand nimmt. Versicherung klären, Handschuhe anziehen, Pausen machen. Und wenn’s zu heikel wird – Handwerker ranlassen. Die 300 Euro sind besser investiert als monatelanger Stress.
Und ja, Marco und ich lachen inzwischen wieder darüber. Meistens jedenfalls. Die Narbe erinnert uns beide daran, dass gute Absichten allein nicht reichen. Neulich meinte er: „Der Schrank steht immer noch schief.“ Und dann mussten wir beide lachen.
✅ Checkliste: 6 Schritte für sichere Nachbarschaftshilfe
- Risiko-Check vorher: kurz durchsprechen, was gefährlich werden könnte
- Schutz anziehen: Handschuhe, Brille, Schuhe
- Versicherungslage klären: wer deckt was?
- Pausen machen – Übermüdung ist Unfallgrund Nr. 1
- Notfallplan haben: Erste Hilfe, Telefonnummern
- Im Ernstfall alles dokumentieren – Fotos, Ablauf, Zeugen
Häufig gestellte Fragen
Soll man Freunde nach sowas überhaupt noch um Hilfe bitten?
Ja, unbedingt – aber mit Verstand. Nachbarschaftshilfe hält unsere Gesellschaft zusammen. Nur eben mit Bewusstsein für die Risiken.
Was ist mit kleinen Aufwandsentschädigungen – hilft das beim Versicherungsschutz?
Tatsächlich ja. Eine symbolische Zahlung (10–20 Euro) kann ein Auftragsverhältnis begründen. Dann greift in vielen Fällen die Haftpflicht. Wichtig: schriftlich festhalten.
Wie lange kann man nach einem Unfall noch Ansprüche geltend machen?
In der Regel drei Jahre. Bei Personenschäden aber bis zu 30. Also: lieber alles sauber dokumentieren, auch wenn’s am Anfang harmlos scheint.
Und was ist mit gemeinschaftlichen Aktionen im Verein oder Hausprojekt?
Viele Bundesländer sichern Ehrenamtliche automatisch ab. Einfach mal bei der Kommune oder beim Verein nachfragen – kann viel Ärger sparen.