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Versicherungen & Recht

Lärm über uns – so haben wir endlich gewonnen

by Winterberg 2025. 10. 19.

Es war drei Uhr morgens, als ich zum ersten Mal den Kugelschreiber zückte und auf die Rückseite eines Pizzakartons kritzelte: "3:12 Uhr - Musik Obergeschoss, Bass dröhnt durch Decke, kann nicht schlafen." Das war der Anfang unseres Lärmprotokolls, auch wenn ich damals noch nicht wusste, dass es mal vor Gericht landen würde. Die Party über uns ging bis fünf Uhr morgens, und als ich um sieben zur Arbeit musste, hätte ich heulen können vor Müdigkeit und Wut. Mein Mann meinte nur: "Schreib's auf, vielleicht brauchen wir das noch."

Zuletzt aktualisiert: 19.10.2025

🔹 Worum es heute geht: Wie ein rechtssicheres Lärmprotokoll erstellt wird und warum es vor Gericht oft den entscheidenden Unterschied macht
🔹 Was wir gelernt haben: Nur systematische, detaillierte Dokumentation wird von Gerichten und Vermietern ernst genommen
🔹 Was Leser:innen davon haben: Praktische Anleitung zum Führen eines gerichtsfesten Lärmprotokolls inklusive Mustervorlagen

Die ersten Wochen unserer Dokumentation waren chaotisch. Mal schrieb ich auf Notizzettel, mal tippte mein Mann etwas ins Handy, mal vergaßen wir es ganz. Als wir nach vier Wochen zum Vermieter gingen, schaute der sich unsere Zettelsammlung an und sagte nur: "Das reicht mir nicht als Beweis. Das könnte ja jeder behaupten." Frustrierend, aber er hatte recht. Ein Lärmprotokoll muss bestimmte Anforderungen erfüllen, um vor Gericht Bestand zu haben.

Die rechtlichen Grundlagen für Lärmprotokolle sind eindeutig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) genügt es nicht, pauschal zu behaupten, es sei zu laut. Konkrete Angaben zu Zeitpunkt, Dauer und Art der Störung sind erforderlich. Das Amtsgericht München formulierte es 2023 so: "Ein ordnungsgemäßes Lärmprotokoll muss so detailliert sein, dass ein Dritter sich ein objektives Bild von Art und Umfang der Beeinträchtigung machen kann" (AG München, Az. 432 C 2876/23) (Rechtsprechung kann regional variieren – lokale Gerichte haben teils unterschiedliche Anforderungen).

Nach unserer ersten Schlappe beim Vermieter informierten wir uns gründlich. Ein beweiskräftiges Lärmprotokoll enthält mindestens folgende Angaben: Datum, genaue Uhrzeit (Beginn und Ende), Art des Lärms (Musik, Gespräche, Handwerksarbeiten), Lautstärke oder Auswirkung (verhindert Schlaf, Unterhaltung unmöglich), Zeugen (falls vorhanden), und eigene Reaktion (Beschwerde beim Verursacher). Die Dokumentation sollte über mindestens zwei bis vier Wochen lückenlos geführt werden, je nach Häufigkeit der Störungen.

Protokoll-Element Pflichtangabe Beispieleintrag Häufiger Fehler
Datum Ja 15.03.2025 "Gestern" ohne Datum
Uhrzeit Ja 22:35-01:15 Uhr "Abends" zu ungenau
Lärmquelle Ja Musik aus Wohnung 3.OG "Die da oben"
Intensität Ja Gespräche nicht möglich "Sehr laut" zu vage
Zeugen Wenn möglich Ehepartner, Frau Müller Keine Angabe trotz Zeugen
Maßnahmen Empfohlen Geklopft, keine Reaktion Nichts unternommen
(Anforderungen nach aktueller Rechtsprechung, Stand: 2025 – können je nach Gericht variieren)      

Ein kritischer Punkt ist die Glaubwürdigkeit. Gerichte prüfen, ob das Protokoll nachträglich erstellt oder manipuliert wurde. Deshalb empfiehlt sich eine fortlaufende, chronologische Dokumentation ohne nachträgliche Änderungen. Digitale Protokolle sollten mit Zeitstempel versehen sein. Manche nutzen dafür spezielle Apps, die Einträge mit Datum und Uhrzeit versehen und nachträgliche Änderungen verhindern. Handschriftliche Protokolle in gebundenen Notizbüchern gelten als besonders glaubwürdig, weil Manipulation schwerer ist.

Die Frage der Beweiskraft beschäftigt viele Gerichte. Das Landgericht Berlin entschied 2024: "Ein über mehrere Wochen sorgfältig geführtes Lärmprotokoll stellt ein geeignetes Beweismittel dar, dessen Beweiswert durch Zeugenaussagen erhöht wird" (LG Berlin, Az. 65 S 234/24). Wichtig dabei: Das Protokoll allein reicht oft nicht. Zeugenaussagen von Mitbewohnern oder anderen Nachbarn erhöhen die Glaubwürdigkeit erheblich. Deshalb sollten Zeugen immer namentlich genannt werden (Gerichtsentscheidungen sind einzelfallabhängig – keine Garantie für ähnliche Fälle).

Bei uns wurde es nach zwei Monaten Protokollführung ernst. Die nächtlichen Partys unserer Nachbarn über uns wurden zur Regel, nicht zur Ausnahme. Jeden Freitag und Samstag das gleiche Spiel. Unser Protokoll umfasste mittlerweile 23 Einträge, säuberlich in einer Excel-Tabelle dokumentiert. Der Vermieter konnte es nicht mehr ignorieren. Er schickte eine Abmahnung an die Nachbarn, unter Verweis auf unser Protokoll.

Die rechtlichen Konsequenzen eines fundierten Lärmprotokolls können weitreichend sein. Bei Mietwohnungen kann es Grundlage für eine Mietminderung sein. Die Höhe richtet sich nach dem Grad der Beeinträchtigung. Bei regelmäßigen nächtlichen Ruhestörungen sind Minderungen von 10-20% üblich, in Extremfällen bis zu 50%. Das Protokoll dient als Nachweis, dass die Beeinträchtigung tatsächlich vorliegt und nicht nur behauptet wird.

Wichtig ist die Unterscheidung zwischen verschiedenen Lärmarten. Die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) definiert Immissionsrichtwerte für verschiedene Gebietstypen. In reinen Wohngebieten gelten nachts (22-6 Uhr) 35 dB(A), in Mischgebieten 45 dB(A). Diese Werte sind aber nur Orientierung – im Mietrecht kommt es auf die konkrete Beeinträchtigung an, nicht auf Dezibel-Messungen (Richtwerte nach TA Lärm, Stand: 2025 – Anwendung im Einzelfall unterschiedlich).

Ein häufiges Problem ist die Beweislast. Grundsätzlich muss der Gestörte nachweisen, dass eine unzumutbare Lärmbelästigung vorliegt. Das Lärmprotokoll verschiebt die Beweislast: Liegt ein ordnungsgemäßes Protokoll vor, muss der Gegner beweisen, dass die Angaben nicht stimmen. Diese Beweislastumkehr macht das Protokoll so wertvoll. Ohne Protokoll steht oft Aussage gegen Aussage.

Nach drei Monaten eskalierte unsere Situation. Die Abmahnung des Vermieters hatte nichts gebracht, die Partys gingen weiter. Wir minderten die Miete um 15% und beriefen uns auf unser mittlerweile 47 Einträge umfassendes Protokoll. Der Vermieter akzeptierte die Minderung zunächst, kündigte aber den lärmenden Nachbarn. Diese wehrten sich – und plötzlich war unser Lärmprotokoll Beweismittel in einem Gerichtsverfahren.

Die formalen Anforderungen an ein gerichtsverwertbares Lärmprotokoll sind streng. Es muss objektiv formuliert sein – "unerträglicher Krach" ist keine brauchbare Beschreibung. Besser: "Musik mit deutlich hörbarem Bass, Gespräche im Schlafzimmer nicht möglich". Auch emotionale Ausbrüche haben im Protokoll nichts zu suchen. "Ich könnte die erwürgen!" mag verständlich sein, schwächt aber die Glaubwürdigkeit.

Die EU-Umgebungslärmrichtlinie 2002/49/EG verpflichtet Mitgliedstaaten, Lärmkarten zu erstellen und Aktionspläne gegen Lärm zu entwickeln. Diese Richtlinie betrifft zwar primär Umgebungslärm (Verkehr, Industrie), zeigt aber die zunehmende Bedeutung des Lärmschutzes. Auf europa.eu finden sich die aktuellen Grenzwerte und Empfehlungen (EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt – konkrete Anwendung variiert).

Ein kritischer Punkt sind Tonaufnahmen als Beweis. Viele denken, Handyaufnahmen wären der perfekte Beweis. Falsch! Heimliche Tonaufnahmen verstoßen gegen § 201 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes) und sind vor Gericht nicht verwertbar. Selbst Aufnahmen von reiner Musik sind datenschutzrechtlich problematisch. Ausnahme: Aufnahmen in der eigenen Wohnung ohne erkennbare Gespräche. Aber selbst dann ist die Verwertbarkeit umstritten.

Die Verwendung von Lärm-Apps ist verlockend, aber problematisch. Smartphone-Messungen werden von Gerichten meist nicht als Beweis akzeptiert, weil die Geräte nicht geeicht sind. Sie können aber das subjektive Empfinden objektivieren und als Ergänzung zum schriftlichen Protokoll dienen. Professionelle Schallpegelmessungen durch Sachverständige kosten 500-2000 Euro und sind nur in Extremfällen sinnvoll.

Bei uns kam es zum Gerichtstermin. Der Richter studierte unser Protokoll ausführlich. "Das ist vorbildlich geführt", sagte er. Die Gegenseite versuchte, einzelne Einträge anzuzweifeln, aber die Systematik und Detailliertheit überzeugten. Besonders hilfreich war, dass meine Nachbarin Frau Schmidt als Zeugin aussagte und unsere Angaben bestätigte. Das Urteil: Fristlose Kündigung der lärmenden Nachbarn war rechtens.

Lärmprotokoll richtig führen – 6 Steps

  1. Gebundenes Notizbuch oder digitale Tabelle mit Zeitstempel anlegen
  2. Bei jedem Vorfall sofort dokumentieren (nicht später aus Erinnerung)
  3. Objektiv beschreiben: Zeit, Dauer, Art, Intensität, Auswirkung
  4. Zeugen benennen und deren Kontaktdaten notieren
  5. Eigene Reaktionen dokumentieren (Beschwerde, Polizei gerufen etc.)
  6. Mindestens 2-4 Wochen lückenlos führen, bei Bedarf länger

Muster-Lärmprotokoll-Eintrag:

Datum: 15.03.2025
Zeit: 22:45 - 02:30 Uhr
Lärmquelle: Wohnung 3. OG über uns (Familie Müller)
Art: Laute Musik (Bass deutlich spürbar), Stimmen mehrerer Personen
Auswirkung: Einschlafen unmöglich, TV-Ton nicht zu verstehen trotz erhöhter Lautstärke
Zeugen: Ehepartner, Nachbarin Frau Schmidt (2. OG) ebenfalls gestört
Maßnahme: 23:15 Uhr an Decke geklopft, 23:45 Uhr geklingelt - keine Reaktion

Viele Leser:innen haben uns gefragt, wie lange ein Lärmprotokoll geführt werden muss. Die Rechtsprechung ist hier uneinheitlich. Als Faustregel gilt: mindestens zwei Wochen bei täglichen Störungen, vier Wochen bei gelegentlichen Störungen. Manche Gerichte verlangen sogar drei Monate Dokumentation. Je länger und lückenloser, desto überzeugender. Wichtig: Auch störungsfreie Tage sollten vermerkt werden ("15.3. - keine Störung"), das erhöht die Glaubwürdigkeit.

Eine weitere häufige Frage betrifft die Mietminderung. Ab wann kann man mindern? Grundsätzlich ab dem Zeitpunkt, ab dem der Vermieter Kenntnis von der Störung hat. Das Lärmprotokoll sollte dem Vermieter in Kopie zugeschickt werden mit der Aufforderung, Abhilfe zu schaffen. Reagiert er nicht binnen angemessener Frist (meist 2-4 Wochen), kann gemindert werden. Die Höhe richtet sich nach Tabellen, die online verfügbar sind.

Die dritte wichtige Frage dreht sich um Fristen. Wie lange kann man rückwirkend Mietminderung fordern? Grundsätzlich nur ab Anzeige beim Vermieter. Aber: Mit einem lückenlos geführten Lärmprotokoll kann man beweisen, dass die Störungen schon früher bestanden. Dann ist unter Umständen auch rückwirkende Minderung möglich. Verjährung tritt nach drei Jahren ein.