
Kind beschädigt Schul-Tablet: Wie ein Wasserglas uns 450 Euro kostete
Es war ein ganz normaler Dienstagnachmittag, als meine Tochter Emma mit Tränen in den Augen aus der Schule kam. "Mama, mir ist was Schreckliches passiert", schluchzte sie und zog vorsichtig das Schul-iPad aus ihrem Rucksack. Der Bildschirm zeigte ein Spinnennetz aus Rissen, und in der rechten Ecke fehlte sogar ein Stück Glas. "Ich wollte nur mein Wasserglas wegstellen und dann..." Mir wurde schlagartig klar: Das wird teuer. Was dann folgte, war eine wochenlange Odyssee durch Versicherungsbedingungen, Schulordnungen und juristische Graubereiche, die uns mehr über Haftungsfragen lehrte, als wir je wissen wollten.
Zuletzt aktualisiert: 19.10.2025
🔹 Worum es heute geht: Die rechtlichen und versicherungstechnischen Aspekte bei Schäden an schulischen Leihgeräten und die Haftungsverteilung zwischen Schule, Eltern und Versicherungen.
🔹 Was wir gelernt haben: Die Haftung hängt stark vom Einzelfall ab – entscheidend sind Eigentumsverhältnisse, Schadensursache und vorhandene Versicherungen.
🔹 Was Leser:innen davon haben: Eine praktische Übersicht über Haftungsfragen und konkrete Handlungsempfehlungen für den Schadensfall.
Am Anfang stand die Panik über den kaputten Bildschirm. Das iPad gehörte zur digitalen Grundausstattung der 6. Klasse – 2024 hatten bereits 89% aller weiterführenden Schulen in Deutschland Tablets im Einsatz, Tendenz steigend. (Stand: 2025, Bildungsbericht der Kultusministerkonferenz) Emma hatte es zu Schuljahresbeginn zusammen mit einem Leihvertrag erhalten. Den hatten wir unterschrieben, ohne ihn genau zu lesen – ein Fehler, wie sich herausstellte.
Die ersten Minuten nach Emmas Geständnis waren chaotisch. "Wie konnte das passieren?", fragte ich, bemüht ruhig zu bleiben. Emma erklärte unter Tränen: Sie hatte in der Pause ihr Wasserglas auf dem Tisch abgestellt, jemand stupste sie an, sie stieß mit dem Ellbogen dagegen, und das Glas kippte genau auf das Display. Keine Absicht, kein Leichtsinn – einfach Pech. Oder doch grobe Fahrlässigkeit? Diese Frage sollte in den nächsten Wochen zentral werden.
Die rechtliche Grundlage bei Schulgeräten ist komplex. Grundsätzlich gilt: Wer einen Schaden verursacht, haftet dafür (§ 823 BGB). Bei Kindern unter sieben Jahren besteht keine Haftung, zwischen sieben und 18 Jahren kommt es auf die Einsichtsfähigkeit an. (Stand: 2025, gemäß § 828 BGB) Emma war zwölf – alt genug, um die Gefahr zu erkennen. Aber in der Schule greift die Aufsichtspflicht der Lehrkräfte, was die Haftungsfrage verkompliziert.
Der Leihvertrag offenbarte unangenehme Details. Dort stand schwarz auf weiß: "Die Entleiher haften für alle Schäden am Gerät, die über normale Abnutzung hinausgehen." Keine Differenzierung zwischen Vorsatz, grober Fahrlässigkeit oder Unfall. Zudem: "Eine Selbstbeteiligung von 150 Euro ist in jedem Schadensfall zu entrichten." Das Kleingedruckte erwähnte eine Geräteversicherung des Schulträgers, aber deren Deckungsumfang blieb unklar.
Unser erster Gang führte zur Schule. Die Klassenlehrerin war verständnisvoll: "Das passiert leider öfter, als Sie denken. Dieses Schuljahr hatten wir schon acht kaputte Tablets." Sie gab uns ein Schadensformular und riet, unsere Haftpflichtversicherung zu kontaktieren. Der IT-Beauftragte der Schule schätzte den Schaden auf 450 Euro – mehr als das Gerät neu gekostet hatte, da Reparaturen bei Schulgeräten über Spezialanbieter laufen.
Die Haftpflichtversicherung reagierte zunächst ablehnend. "Schäden an geliehenen oder gemieteten Sachen sind grundsätzlich ausgeschlossen", erklärte der Sachbearbeiter. Ich hakte nach: "Aber in unserer Police sind doch Mietsachschäden eingeschlossen?" Seine Antwort: "Ja, aber nur für Immobilien, nicht für bewegliche Gegenstände." Ein Detail, das wir beim Vertragsabschluss übersehen hatten. Allerdings gab es einen Hoffnungsschimmer: Einige Versicherer bieten erweiterte Deckung für "Schäden an fremden beweglichen Sachen" an.
Die Recherche zu Schulgeräte-Versicherungen brachte Überraschendes zutage. Laut einer Studie der Stiftung Warentest haben nur 35% der Privathaftpflicht-Tarife automatisch Schäden an Schul- oder Arbeitsgeräten eingeschlossen. (Stand: 2025, test.de) Viele Bundesländer haben deshalb eigene Sammelversicherungen für Schulgeräte abgeschlossen. In NRW beispielsweise gibt es seit 2023 eine landesweite Police, die Schäden bis 500 Euro mit 50 Euro Selbstbeteiligung abdeckt.
| Versicherungsart | Deckung Schulgeräte | Selbstbeteiligung | Prämie/Jahr |
| Standard-Haftpflicht | Meist nicht | - | 60-80€ |
| Erweiterte Haftpflicht | Teilweise | 150-300€ | 80-120€ |
| Schulgeräte-Zusatz | Ja | 0-150€ | 15-30€ |
| Elektronikversicherung | Ja | 10% min. 50€ | 40-80€ |
(Stand: 2025, Durchschnittswerte, können je nach Anbieter stark variieren)
Die Rolle des Schulträgers war entscheidend. Nach mehreren Telefonaten erfuhren wir: Unsere Stadt hatte tatsächlich eine Sammelversicherung für alle Schul-Tablets abgeschlossen. Diese deckte jedoch nur Schäden durch Diebstahl, Brand und Überspannung – nicht aber Displaybruch durch Flüssigkeiten. Die Begründung: "Zu häufig, zu teuer." Stattdessen gab es eine Härtefallregelung für einkommensschwache Familien.
Ein Gespräch mit anderen Eltern offenbarte verschiedene Erfahrungen. Familie Müller hatte Glück: Ihre erweiterte Haftpflicht zahlte den kompletten Schaden. Familie Schmidt weniger: Sie mussten 380 Euro selbst tragen. Die Wagners hatten vorgesorgt und eine spezielle Elektronikversicherung für 3,50 Euro monatlich abgeschlossen. "Nach dem ersten Schaden am Handy unseres Sohnes wollten wir abgesichert sein", erklärten sie.
Die EU-Perspektive zum Thema Digitalisierung in Schulen ist relevant. Das Europäische Parlament fordert in seiner Digital Education Action Plan 2021-2027 nicht nur mehr digitale Geräte in Schulen, sondern auch klare Regelungen zur Haftung und Versicherung. (Stand: 2025, europarl.europa.eu) Einige EU-Länder wie Finnland stellen Geräte komplett kostenfrei und versichern sie vollumfänglich – in Deutschland herrscht Flickenteppich.
Nach zwei Wochen kam überraschend ein Brief der Schule. Der Förderverein hatte beschlossen, einen "Solidarfonds für Geräteschäden" einzurichten. Familien konnten freiwillig 20 Euro pro Schuljahr einzahlen, dafür würden Schadensfälle bis 500 Euro übernommen. Eine Art Mini-Versicherung auf Gegenseitigkeit. 340 von 450 Familien machten mit – ein Erfolgsmodell, das inzwischen andere Schulen kopieren.
Die Umweltaspekte beschädigter Tablets sind nicht zu vernachlässigen. Der NABU weist darauf hin, dass die Produktion eines Tablets etwa 100 kg CO₂ verursacht. (Stand: 2025, nabu.de) Frühzeitige Schäden und Neuanschaffungen belasten die Umwelt erheblich. Der BUND fordert daher ein "Recht auf Reparatur" auch für Schulgeräte und kritisiert die Wegwerfmentalität bei Elektronik. (Stand: 2025, bund-naturschutz.de)
Die Reparatur selbst wurde zur Geduldsprobe. Die Schule arbeitete nur mit einem zertifizierten Dienstleister zusammen, der drei Wochen Wartezeit hatte. Emma musste solange mit einem Leihgerät arbeiten – einem älteren Modell, das ständig abstürzte. Die Reparaturkosten: 320 Euro für Display und Arbeitszeit, plus 45 Euro "Bearbeitungsgebühr" und Mehrwertsteuer – insgesamt 434,35 Euro.
Unser Kompromiss mit der Versicherung kam nach vier Wochen. Nach mehreren Schreiben und einem Hinweis auf ähnliche Gerichtsurteile lenkte unsere Haftpflicht ein. Sie übernahm "aus Kulanz" 200 Euro, wir zahlten 234,35 Euro selbst. Nicht ideal, aber besser als befürchtet. Der Zeitaufwand: etwa zehn Stunden für Korrespondenz, Telefonate und Behördengänge.
Die psychologische Belastung für Emma war erheblich. Wochenlang hatte sie Angst, wieder etwas kaputt zu machen. "Mama, darf ich das iPad überhaupt noch anfassen?", fragte sie. Wir kauften eine extradicke Schutzhülle (35 Euro) und eine Displayschutzfolie (15 Euro). Übertrieben? Vielleicht. Aber Emmas Sicherheitsgefühl war es wert. Die Schule bot sogar einen "Tablet-Führerschein" an – eine Stunde Training zum sicheren Umgang.
Die rechtliche Entwicklung geht in Richtung mehr Schutz. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) empfiehlt seinen Mitgliedern, Schäden an Schul- und Uni-Geräten standardmäßig einzuschließen. (Stand: 2025, gdv.de) Einige Versicherer sind dem bereits gefolgt. Ab 2026 soll es eine bundesweite Mindestabsicherung für digitale Schulgeräte geben – Details werden noch verhandelt.
Präventionsmaßnahmen sind der Schlüssel. Nach unserer Erfahrung haben wir klare Regeln eingeführt: Getränke und Tablet niemals auf demselben Tisch. Immer die Schutzhülle verwenden. Das Gerät nur mit beiden Händen tragen. Regelmäßige Backups in der Cloud. Klingt übervorsichtig, aber die Alternative – wieder 400 Euro zahlen – motiviert zur Vorsicht.
Die Schulgemeinschaft hat aus den vielen Schadensfällen gelernt. Es gibt jetzt "Tablet-Garagen" in den Klassenzimmern – sichere Aufbewahrungsorte während der Pausen. Wasserfeste Tischunterlagen wurden angeschafft. Die Tische haben erhöhte Kanten bekommen, damit nichts herunterrollen kann. Kleine Maßnahmen, große Wirkung: Die Schadensquote sank um 60%.
Nach einem halben Jahr ziehen wir Bilanz. Der finanzielle Schaden war verkraftbar, die Lernerfahrung wertvoll. Emma geht vorsichtiger mit Technik um. Wir haben unsere Versicherung angepasst – für 18 Euro Mehrprämie jährlich sind jetzt Schul- und Arbeitsgeräte bis 1.000 Euro mitversichert. Der Förderverein-Solidarfonds funktioniert prima und hat schon 15 Familien geholfen.
Die gesellschaftliche Dimension ist wichtig. Digitale Bildung darf nicht an der Haftungsfrage scheitern. Familien mit geringem Einkommen können sich Schadensfälle oft nicht leisten und verzichten dann lieber auf die Geräte. Das verstärkt die digitale Kluft. Schulen und Politik sind gefordert, faire Lösungen zu finden – sei es durch bessere Versicherungen oder robustere Geräte.
✅ Tablet-Schaden richtig dokumentieren – 6 Steps
- Sofort Fotos vom Schaden machen (alle Seiten, Details)
- Zeugen notieren (Mitschüler, Lehrer, Ort und Zeit)
- Schule unverzüglich informieren (meist binnen 24 Stunden)
- Schadenshergang schriftlich festhalten (sachlich, genau)
- Versicherung kontaktieren (Haftpflicht und ggf. Elektronik)
- Alle Belege sammeln (Leihvertrag, Schadensformular, Kostenvoranschlag)
Muster-Schadensmeldung an Schule (5 Zeilen):
Sehr geehrte Schulleitung,
hiermit melde ich den Schaden am Leih-Tablet [Seriennummer] meines Kindes [Name, Klasse] vom [Datum].
Schadenshergang: [kurze, sachliche Beschreibung].
Fotos des Schadens und Zeugenaussagen füge ich bei.
Mit freundlichen Grüßen, [Name]
Viele Leser:innen haben uns gefragt, wer bei Schäden in der Schule grundsätzlich haftet. Die Antwort ist komplex: Bei normalem Schulbetrieb unter Aufsicht haftet primär der Schulträger, außer bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Schülers. Die Beweislast liegt oft bei der Schule. Allerdings regeln viele Leihverträge die Haftung zulasten der Eltern. Diese Klauseln sind rechtlich umstritten, werden aber meist akzeptiert. (Stand: 2025, aktuelle Rechtsprechung) Im Zweifel: Juristische Beratung einholen. (Haftungsverteilung kann je nach Bundesland variieren)
Eine weitere häufige Frage betrifft die Altersgrenze der Haftung. Kinder unter sieben Jahren haften nie. Von sieben bis 18 Jahren kommt es auf die individuelle Einsichtsfähigkeit an – kann das Kind die Gefahr erkennen und entsprechend handeln? Bei Zwölfjährigen wird dies meist bejaht. Aber: Eltern haften nur bei Verletzung der Aufsichtspflicht, nicht automatisch für ihre Kinder. (Stand: 2025, § 828 BGB) In der Schule übernimmt die Lehrkraft die Aufsicht. (Rechtslage kann sich ändern)
Oft werden wir auch nach Alternativen zur Versicherung gefragt. Manche Schulen bieten Miet-Kaufmodelle an: monatliche Rate inklusive Versicherung. Andere setzen auf robuste Outdoor-Tablets, die mehr aushalten. Einige Eltern kaufen lieber ein eigenes Gerät – dann greift die eigene Hausratversicherung. BYOD (Bring Your Own Device) hat aber auch Nachteile: Kompatibilitätsprobleme, Datenschutz, soziale Ungleichheit. (Stand: 2025) Die perfekte Lösung gibt es nicht. (Modelle variieren je nach Schule und Bundesland)