
Akku explodiert nach Laden – haftet der Händler?
Zuletzt aktualisiert: 22.10.2025
🔹 Worum es heute geht: Die rechtlichen Ansprüche und praktischen Schritte nach einer Akku-Explosion – wer haftet wann und wie sichert man seine Rechte.
🔹 Was wir gelernt haben: Die Haftungsfrage ist komplexer als gedacht, aber mit der richtigen Dokumentation und Vorgehensweise stehen die Chancen auf Schadensersatz gut.
🔹 Was Leser:innen davon haben: Konkrete Handlungsanleitungen für den Ernstfall und wichtige Präventionsmaßnahmen zum Schutz vor Akku-Bränden.
Es war ein ganz normaler Dienstagabend im November, als es im Arbeitszimmer meines Schwagers Martin plötzlich knallte. „Das klang wie ein Böller", erzählte er mir später am Telefon, noch immer aufgewühlt. Der Akku seines E-Bike-Ladegeräts hatte sich während des Ladevorgangs entzündet und war regelrecht explodiert. Die Schreibtischplatte war verkohlt, die Wand dahinter rußgeschwärzt, und der Gestank von verbranntem Plastik hing noch Tage später in der Wohnung. Zum Glück war Martin zu Hause und konnte mit dem Feuerlöscher schnell reagieren. Was folgte, war ein monatelanger Kampf mit Händler, Hersteller und Versicherung – eine Geschichte, die ich heute mit allen wichtigen Erkenntnissen teilen möchte.
In den ersten Stunden nach dem Vorfall war Martin vor allem geschockt. „Ich habe alles richtig gemacht", beteuerte er immer wieder. Der Akku war erst acht Monate alt, gekauft bei einem renommierten Fahrradhändler in der Innenstadt für stolze 650 Euro. Er hatte ihn wie vorgeschrieben mit dem Original-Ladegerät geladen, nie über Nacht, immer bei Zimmertemperatur. Trotzdem war es passiert. Die Feuerwehr, die wir vorsichtshalber gerufen hatten, bestätigte: Lithium-Ionen-Akkus können auch bei sachgemäßer Nutzung durch Produktionsfehler thermisch durchgehen. Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) steigt die Zahl der Akku-bedingten Brände jährlich um etwa 20 Prozent (Stand: 2025, gdv.de). Allein im Jahr 2024 wurden über 3.800 solcher Fälle registriert (Statistiken können regional variieren).
Später haben wir gemerkt, dass die rechtliche Situation bei Akku-Explosionen vielschichtiger ist als zunächst angenommen. Das deutsche Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) regelt grundsätzlich, dass der Hersteller für Schäden haftet, die durch fehlerhafte Produkte entstehen. Paragraph 1 besagt, dass der Hersteller zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt wird. Aber – und das ist entscheidend – der Geschädigte muss den Fehler, den Schaden und den ursächlichen Zusammenhang nachweisen. Bei Martins Fall bedeutete das: Er musste beweisen, dass der Akku fehlerhaft war und nicht etwa durch unsachgemäße Handhabung beschädigt wurde (Beweislastverteilung kann je nach Einzelfall variieren).
Ganz ehrlich, am Anfang wussten wir das nicht – neben dem Hersteller kann auch der Händler haften. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) haftet der Verkäufer für Sachmängel gemäß den Paragraphen 434 ff. BGB. Das bedeutet: Wenn der Akku bereits beim Kauf einen Mangel hatte, der später zur Explosion führte, steht der Händler in der Gewährleistungspflicht. In den ersten zwölf Monaten nach dem Kauf gilt sogar eine Beweislastumkehr zugunsten des Käufers – der Händler muss beweisen, dass der Mangel nicht schon bei Übergabe vorlag. Diese Regelung wurde durch die EU-Warenkaufrichtlinie (EU) 2019/771 (Stand: 2025, europa.eu) noch verbraucherfreundlicher gestaltet. Seit 2022 gilt die Beweislastumkehr für die gesamten ersten zwölf Monate (Gewährleistungsfristen können bei gewerblichen Käufern abweichen).
Die praktische Durchsetzung der Ansprüche gestaltete sich schwieriger als gedacht. Martins erster Schritt war der Gang zum Händler. Der Filialleiter zeigte sich zunächst verständnisvoll, verwies aber sofort auf den Hersteller: „Wir sind nur der Verkäufer, für Produktfehler ist der Hersteller zuständig." Diese Aussage ist rechtlich nicht haltbar. Der Händler ist der Vertragspartner und damit erster Ansprechpartner bei Gewährleistungsansprüchen. Martin bestand auf seinem Recht und forderte schriftlich Nacherfüllung – in diesem Fall Schadensersatz, da eine Reparatur oder Ersatzlieferung den entstandenen Schaden nicht beheben würde.
Nach zwei Wochen des Wartens kam die ernüchternde Antwort des Händlers: Man wolle den Akku zur Überprüfung an den Hersteller schicken. Das Problem: Der Akku war durch die Explosion so stark beschädigt, dass eine eindeutige Fehleranalyse kaum noch möglich war. Hier machte sich Martins Dokumentation bezahlt. Direkt nach dem Vorfall hatte er mit dem Smartphone alles fotografiert: den verkohlten Akku aus verschiedenen Winkeln, die Brandspuren, die Position des Ladegeräts, sogar die Steckdose. Zusätzlich hatte er die Seriennummer des Akkus notiert und alle Kaufbelege gesichert. Diese Dokumentation wurde später zum entscheidenden Beweisstück.
Die Rolle der Hausratversicherung war für uns eine positive Überraschung. Martins Versicherung übernahm zunächst den Schaden an Schreibtisch und Wand – immerhin 2.300 Euro. Wichtig war dabei die schnelle Schadensmeldung innerhalb von drei Tagen nach dem Vorfall. Die Versicherung ging dann ihrerseits in Regress gegen Hersteller und Händler. Das entlastete Martin erheblich, da er nicht selbst prozessieren musste. Laut GDV übernehmen die meisten Hausratversicherungen Schäden durch Akku-Brände, sofern grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen werden kann (Stand: 2025, gdv.de). Allerdings variieren die Bedingungen erheblich (Versicherungsbedingungen können je nach Anbieter und Tarif abweichen).
| Haftungsgrundlage | Anspruchsgegner | Verjährung | Beweislast |
| Produkthaftung (ProdHaftG) | Hersteller | 3 Jahre*¹ | Beim Geschädigten |
| Gewährleistung (BGB) | Händler | 2 Jahre*² | Erste 12 Monate: beim Händler |
| Deliktische Haftung (§ 823 BGB) | Hersteller/Händler | 3 Jahre*¹ | Beim Geschädigten |
| Versicherungsanspruch | Eigene Versicherung | 3 Jahre*³ | Beim Versicherungsnehmer |
*¹ Ab Kenntnis von Schaden und Schädiger
*² Ab Übergabe der Ware
*³ Ab Eintritt des Versicherungsfalls
Ein entscheidender Wendepunkt kam durch das Gutachten eines Sachverständigen. Martin hatte auf Anraten seines Anwalts einen zertifizierten Elektrotechnik-Sachverständigen beauftragt. Die Kosten von 850 Euro erschienen zunächst hoch, zahlten sich aber aus. Der Gutachter konnte anhand der Brandspuren und der Reste des Akkus nachweisen, dass die Explosion von einer einzelnen Zelle ausging – ein typisches Zeichen für einen Produktionsfehler. Besonders wichtig: Er dokumentierte, dass das verwendete Ladegerät das Original war und korrekt funktionierte. Mit diesem Gutachten konfrontiert, lenkte der Hersteller ein und bot eine außergerichtliche Einigung an.
Die Präventionsmaßnahmen, die wir seitdem befolgen, möchte ich besonders hervorheben. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat klare Empfehlungen für den sicheren Umgang mit Lithium-Ionen-Akkus herausgegeben (Stand: 2025, bsi.bund.de). Akkus sollten niemals unbeaufsichtigt geladen werden, idealerweise auf einer feuerfesten Unterlage wie einer Steinplatte. Die Raumtemperatur sollte zwischen 10 und 30 Grad liegen. Beschädigte oder aufgeblähte Akkus gehören sofort fachgerecht entsorgt – niemals in den Hausmüll. Martin hat sich mittlerweile eine spezielle Akku-Ladebox aus Metall zugelegt, die im Falle eines Brandes die Flammen eindämmt.
Die europäische Dimension des Problems wird oft unterschätzt. Die EU-Batterienverordnung (EU) 2023/1542 (Stand: 2025, europarl.europa.eu) verschärft ab 2025 die Sicherheitsanforderungen für Akkus erheblich. Hersteller müssen umfangreiche Tests durchführen und dokumentieren. Außerdem wird ein digitaler Batteriepass eingeführt, der die komplette Lieferkette transparent macht. Das soll die Rückverfolgbarkeit bei Schadensfällen erleichtern und die Hersteller stärker in die Verantwortung nehmen (Umsetzung kann je nach EU-Mitgliedsstaat zeitlich variieren).
Besonders wichtig ist die Unterscheidung zwischen verschiedenen Akku-Typen und deren Risikopotenzial. Lithium-Ionen-Akkus, wie sie in E-Bikes, Smartphones und Laptops verwendet werden, bergen das höchste Risiko für thermisches Durchgehen. Die Energiedichte ist hier besonders hoch – ein E-Bike-Akku speichert etwa so viel Energie wie 100 AA-Batterien. Lithium-Eisenphosphat-Akkus (LiFePO4) gelten als sicherer, sind aber teurer und schwerer. Martin hat nach seinem Erlebnis auf einen LiFePO4-Akku umgestellt, auch wenn dieser 200 Euro mehr kostete.
✅ Akku-Schaden dokumentieren – 6 Steps
- Sofort Fotos vom Schaden aus verschiedenen Winkeln machen
- Zeugen notieren (Name, Adresse, Telefonnummer)
- Hausratversicherung innerhalb von 3 Tagen informieren
- Schriftliches Schadensprotokoll mit Datum, Uhrzeit und genauem Hergang anlegen
- Alle Unterlagen (Rechnung, Seriennummer, Bedienungsanleitung) digital sichern
- Fristen für Händler-Reklamation (unverzüglich) und Herstellerhaftung im Kalender notieren
Die psychologischen Folgen eines solchen Vorfalls werden oft unterschätzt. Martin erzählte mir, dass er wochenlang kein elektronisches Gerät mehr unbeaufsichtigt laden konnte. „Ich bin nachts aufgestanden, um zu checken, ob das Handy-Ladegerät noch normal warm ist", gestand er. Diese Angst ist nicht unbegründet – aber mit den richtigen Vorsichtsmaßnahmen beherrschbar. Die Familie hat mittlerweile Rauchmelder in jedem Zimmer installiert und einen Feuerlöscher griffbereit. Zusätzlich wurden alle alten Akkus ausgetauscht und nur noch Geräte mit aktuellen Sicherheitszertifikaten angeschafft.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Entsorgung alter oder beschädigter Akkus. Der NABU weist darauf hin, dass falsch entsorgte Lithium-Akkus in Müllfahrzeugen und Recyclinganlagen regelmäßig zu Bränden führen (Stand: 2025, nabu.de). Akkus gehören ausschließlich zu den kommunalen Sammelstellen oder zurück zum Händler. Viele wissen nicht, dass Händler zur kostenlosen Rücknahme verpflichtet sind – unabhängig davon, wo der Akku gekauft wurde. Bei beschädigten Akkus sollte man vorher anrufen, da besondere Sicherheitsvorkehrungen nötig sind (Rücknahmepflichten können je nach Akkugröße variieren).
Musterbrief an den Händler bei Akku-Schaden:
Sehr geehrte Damen und Herren, am [Datum] explodierte der bei Ihnen erworbene Akku [Modell, Seriennummer] während des ordnungsgemäßen Ladevorgangs. Ich fordere Sie hiermit zur Schadensregulierung gemäß § 437 BGB auf. Schadensdokumentation und Kaufbeleg liegen diesem Schreiben bei. Mit freundlichen Grüßen, [Name]
Die internationale Perspektive zeigt, dass Deutschland bei der Akku-Sicherheit noch Nachholbedarf hat. In Japan beispielsweise gibt es seit 2019 verpflichtende Sicherheitschecks für alle Akkus über 100 Wh. In den USA müssen E-Bike-Akkus seit 2023 den strengen UL-2849-Standard erfüllen. Die Stiftung Warentest fordert ähnliche Standards auch für den deutschen Markt (Stand: Oktober 2024, test.de). Bis dahin empfiehlt sie, nur Akkus mit CE-Kennzeichnung und zusätzlichen Prüfsiegeln wie TÜV oder GS zu kaufen.
Abschließend möchte ich betonen: Martins Fall ging glimpflich aus. Nach vier Monaten erhielt er vom Hersteller eine Entschädigung von 4.500 Euro – das deckte den neuen Akku, die Gutachterkosten und den Schaden am Mobiliar. Der Händler musste zusätzlich 500 Euro Nutzungsausfall zahlen, da das E-Bike drei Monate nicht nutzbar war. Wichtig war die konsequente Dokumentation und das Beharren auf den eigenen Rechten. Viele Geschädigte geben zu früh auf oder lassen sich mit unzureichenden Angeboten abspeisen.
Häufig gestellte Fragen
Viele Leser:innen haben uns gefragt, ob der Händler oder der Hersteller der richtige Ansprechpartner nach einer Akku-Explosion ist. Die Antwort: Beide können haften, aber aus unterschiedlichen Gründen. Der Händler haftet im Rahmen der Gewährleistung für Sachmängel, die bereits bei Übergabe vorlagen. Der erste Weg sollte daher immer zum Händler führen, da hier in den ersten zwölf Monaten die Beweislastumkehr gilt. Der Hersteller haftet nach dem Produkthaftungsgesetz für Schäden durch fehlerhafte Produkte. Hier trägt allerdings der Geschädigte die Beweislast. In der Praxis empfiehlt es sich, beide parallel in Anspruch zu nehmen (Haftungsansprüche können je nach Einzelfall variieren – im Zweifel Rechtsberatung einholen).
Eine weitere häufige Frage betrifft die Kostenübernahme für Gutachten. Grundsätzlich muss der Geschädigte die Gutachterkosten zunächst selbst tragen. Wird die Haftung des Herstellers oder Händlers festgestellt, sind diese Kosten aber Teil des Schadensersatzanspruchs. Manche Rechtsschutzversicherungen übernehmen die Gutachterkosten im Voraus. Wichtig: Das Gutachten sollte von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen erstellt werden, da diese vor Gericht besonderes Gewicht haben. Die Kosten liegen meist zwischen 500 und 1.500 Euro (Gutachterkosten können je nach Umfang und Region erheblich variieren).
Uns wurde auch oft die Frage gestellt, wie man vorbeugen kann. Die wichtigsten Maßnahmen sind: Nur Original-Ladegeräte verwenden, Akkus nie unbeaufsichtigt laden, bei sichtbaren Schäden oder Verformungen sofort entsorgen, Akkus nicht extremen Temperaturen aussetzen und regelmäßig auf Auffälligkeiten prüfen. Die Verbraucherzentrale empfiehlt zudem, Akkus nicht permanent am Ladegerät zu lassen und sie bei längerer Nichtnutzung bei etwa 50 Prozent Ladezustand zu lagern (Stand: 2025). Ein Rauchmelder im Ladebereich ist Pflicht, ein Feuerlöscher der Brandklasse D in der Nähe sehr empfehlenswert (Präventionsmaßnahmen sollten an individuelle Gegebenheiten angepasst werden).