
Private Haftpflicht zahlt nicht bei fremder Brille – warum?
Es war nur ein kleiner Moment: Im Café rutschte mir die Jacke vom Stuhl – direkt auf den Tisch der Freundin. Ihre Brille lag dort. Knack. Ein Bügel war ab. „Kein Problem, das zahlt doch deine Haftpflicht", dachte ich. Denkste. Die Versicherung lehnte ab: fremde Brille, geliehen, nicht versichert. Ich war fassungslos – bis ich verstand, dass solche Dinge in fast jedem Vertrag ausgeschlossen sind. Seitdem weiß ich: Nicht alles, was nach Unfall aussieht, ist auch versichert. Und Freundschaft ist teurer als jeder Ersatz.
Zuletzt aktualisiert: 03.11.2025
🔹 Worum es heute geht: Warum private Haftpflichtversicherungen bei bestimmten Schäden – wie beschädigten Brillen von Freunden – häufig nicht zahlen und welche Ausschlüsse man kennen sollte.
🔹 Was wir gelernt haben: Geliehene oder in Obhut genommene Gegenstände fallen oft unter den Ausschluss „Schäden an fremden Sachen in eigenem Gewahrsam" – eine Klausel, die viele nicht kennen.
🔹 Was Leser:innen davon haben: Klarheit über die Grenzen der eigenen Versicherung, praktische Tipps zur Schadensmeldung und ein besseres Verständnis für Versicherungsbedingungen.
An diesem Samstagnachmittag im Café sollte alles ganz entspannt sein. Meine Freundin Sarah und ich hatten uns endlich mal wieder Zeit genommen für einen ausführlichen Plausch. Die Kinder waren bei ihren Vätern, wir hatten Ruhe, Cappuccino und ein paar Stunden nur für uns. Sarah hatte ihre neue Brille dabei – ein ziemlich teures Designer-Modell, wie sie stolz erzählte. Sie legte sie auf den Tisch, während sie in ihrer Tasche nach dem Handy kramte. Ich wollte meine Jacke über die Stuhllehne hängen, aber irgendwie rutschte sie mir aus der Hand. In Zeitlupe – so kam es mir vor – fiel sie auf den Tisch. Direkt auf die Brille.
Das Geräusch werde ich nicht vergessen. Ein kurzes, hartes Knacken. Sarah schaute auf, ich schaute hin, und da lag die Brille: Ein Bügel war sauber abgebrochen. Nicht verbogen, nicht angeknackst – komplett ab. Mein erster Gedanke war: „Oh Gott, wie peinlich." Mein zweiter: „Macht nichts, das zahlt ja die Haftpflicht." Sarah winkte ab, meinte, sei nicht so schlimm, könne man reparieren. Aber ich bestand darauf: „Nein, das war meine Schuld, ich melde das meiner Versicherung, und dann ist das erledigt."
Ganz ehrlich, bis zu diesem Moment hatte ich ein naives Vertrauen in meine Haftpflichtversicherung. Ich zahle seit Jahren brav meine Beiträge, hatte noch nie einen Schaden gemeldet, und dachte: Genau dafür ist die Versicherung doch da. Wenn ich versehentlich etwas kaputt mache, springt sie ein. Klingt logisch, oder? Ich füllte noch am selben Abend das Online-Formular aus, lud Fotos von der kaputten Brille hoch, schrieb eine kurze Schilderung des Vorfalls. Sarah hatte mir die Rechnung vom Optiker geschickt – 420 Euro für die Brille, zwei Monate alt. Ich dachte, in ein paar Tagen kommt die Zusage, und die Sache ist vom Tisch.
Eine Woche später kam die Antwort der Versicherung. Ich öffnete das PDF voller Erwartung – und dann stand da, in höflicher, aber unmissverständlicher Sprache: „Sehr geehrte Frau [Name], nach Prüfung Ihres Schadensfalls müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass eine Leistung nicht erbracht werden kann. Grund: Der Schaden betrifft eine fremde Sache, die sich in Ihrem Gewahrsam befand. Gemäß unseren Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) sind Schäden an geliehenen, gemieteten oder in Obhut genommenen Sachen vom Versicherungsschutz ausgenommen."
Ich musste den Absatz dreimal lesen, bis ich ihn verstand. Gewahrsam? Obhut? Die Brille lag doch nur auf dem Tisch! Ich hatte sie mir nicht geliehen, nicht in die Hand genommen, nicht aufbewahrt. Aber laut Versicherung war bereits die Tatsache, dass die Brille sich in meiner unmittelbaren Nähe befand und ich sie hätte beaufsichtigen können, ausreichend, um den Ausschluss greifen zu lassen. Ich rief bei der Hotline an, erklärte die Situation noch einmal. Die Mitarbeiterin war freundlich, aber bestimmt: „Das ist eine Standardklausel. Fast alle Haftpflichtversicherungen schließen solche Schäden aus."
Später am Abend saß ich mit Markus am Küchentisch und ging unsere Versicherungsunterlagen durch. Wir holten den dicken Ordner mit all den Verträgen raus – Hausrat, Haftpflicht, Rechtsschutz. Ich suchte die AVB unserer Haftpflichtversicherung und fand tatsächlich den entsprechenden Passus, versteckt in Paragraph 7, Absatz 3: „Ausgeschlossen sind Schäden an fremden Sachen, die der Versicherungsnehmer gemietet, geliehen, gepachtet, durch verbotene Eigenmacht erlangt oder in sonstiger Weise in Besitz, Gewahrsam oder Obhut hat." Das stand da, kleingedruckt, in einem Satz, den ich bei Vertragsabschluss vermutlich überflogen, aber nie wirklich durchdacht hatte.
Was wir daraus gelernt haben: Versicherungsbedingungen sind tückisch. Sie klingen oft kompliziert, und viele Klauseln erschließen sich erst, wenn man tatsächlich einen Schaden hat. Der Begriff „Gewahrsam" ist dabei besonders weit ausgelegt. Er umfasst nicht nur Dinge, die man ausdrücklich zur Aufbewahrung übernommen hat – wie den Haustürschlüssel der Nachbarin oder das geliehene Auto –, sondern kann auch Situationen einschließen, in denen man faktisch die Kontrolle über eine fremde Sache hat oder haben könnte. Das ist rechtlich eine Grauzone und führt immer wieder zu Streitfällen zwischen Versicherten und Versicherungen.
In den Tagen danach habe ich mich intensiv mit dem Thema beschäftigt. Ich wollte verstehen, warum diese Klausel überhaupt existiert und ob es Möglichkeiten gibt, sich dagegen abzusichern. Dabei stieß ich auf einige interessante Hintergründe. Der Hauptgrund für den Ausschluss ist die sogenannte „Gefälligkeitsproblematik". Versicherungen befürchten, dass Menschen sich gegenseitig Gefälligkeiten erweisen – etwa etwas leihen – und bei einem Schaden dann einfach die Versicherung einspringen lassen. Das würde zu einer Art moralischem Risiko führen: Man würde weniger vorsichtig sein, weil ja „die Versicherung zahlt". Um das zu verhindern, schließen die meisten Verträge solche Schäden grundsätzlich aus.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) erklärt in seinen Leitlinien zu Haftpflichtversicherungen, dass dieser Ausschluss dem Schutz vor Missbrauch dient. Ohne diese Klausel könnten Versicherte theoretisch hochwertige Gegenstände von Freunden oder Verwandten „leihen", diese beschädigen und die Versicherung zur Erstattung heranziehen. Das würde die Prämienkalkulation durcheinanderbringen und letztlich alle Versicherten belasten. Daher haben sich diese Ausschlüsse als Standard etabliert. (Quelle: GDV – Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, https://www.gdv.de, Stand: 2025)
Allerdings gibt es Abstufungen und Ausnahmen, die man kennen sollte. Manche Versicherungen unterscheiden zwischen „beweglichen" und „unbeweglichen" Sachen. Immobilien – etwa eine gemietete Wohnung – sind oft mitversichert, wenn auch mit Einschränkungen. Auch bei beweglichen Sachen gibt es manchmal Sonderregelungen: Einige Premium-Tarife decken Schäden an geliehenen Gegenständen bis zu einer bestimmten Summe ab, etwa bis 5.000 oder 10.000 Euro. Das muss man aber im Kleingedruckten nachprüfen. Bei unserem Vertrag gab es keine solche Regelung – wir hatten einen Standard-Tarif, und der schloss alles aus.
Was uns besonders geärgert hat: Die Situation war objektiv betrachtet ein klarer Haftpflichtfall. Ich hatte durch meine Unachtsamkeit einen Schaden verursacht. Es war kein Vorsatz, keine grobe Fahrlässigkeit – einfach nur ein Missgeschick. Genau für solche Fälle sollte eine Haftpflichtversicherung eigentlich da sein. Aber die rechtliche Konstruktion mit dem Gewahrsam hebelt das aus. Sarah und ich standen also vor der Frage: Wie gehen wir damit um? Ich fühlte mich moralisch verpflichtet, den Schaden zu ersetzen. Immerhin war es meine Schuld. Also überwies ich ihr die 420 Euro – aus eigener Tasche.
Sarah war übrigens sehr verständnisvoll. Sie meinte, ich müsse das nicht tun, es sei ja nur ein Unfall gewesen. Aber für mich war klar: Ich habe es verursacht, also übernehme ich die Verantwortung. Trotzdem nagte die Frage an mir: Hätte ich das nicht anders lösen können? Gibt es eine Versicherung, die so etwas abdeckt? Und vor allem: Was bedeutet diese Klausel eigentlich alles? Wo sind die Grenzen?
Um das herauszufinden, habe ich mich an einen Versicherungsmakler gewandt. Er erklärte mir, dass es tatsächlich verschiedene Tarife gibt, die unterschiedlich großzügig mit dem Thema „Gewahrsam" umgehen. Einige Versicherer bieten sogenannte „erweiterte Deckungen" an, die bestimmte Risiken miteinschließen. Dazu gehört zum Beispiel der Zusatzbaustein „Schäden an gemieteten oder geliehenen Sachen". Dieser Baustein kostet je nach Versicherer zwischen 10 und 50 Euro zusätzlich pro Jahr und deckt Schäden bis zu einer vereinbarten Höchstsumme ab – oft 10.000 bis 50.000 Euro. (Stand: 2025, Prämien und Deckungssummen können je nach Anbieter stark variieren)
Solche erweiterten Deckungen sind besonders sinnvoll für Menschen, die häufig fremde Gegenstände nutzen. Wer zum Beispiel beruflich oft mit Leihgeräten arbeitet – etwa Fotografen, Handwerker, Eventmanager – sollte unbedingt darauf achten, dass die Haftpflicht solche Schäden abdeckt. Auch Familien mit Kindern profitieren davon: Kinder leihen sich ständig Dinge von Freunden – Spielzeug, Bücher, Sportgeräte. Geht etwas kaputt, kann das schnell teuer werden. Mit der erweiterten Deckung ist man abgesichert.
Eine Übersicht über typische Ausschlüsse in Haftpflichtversicherungen:
| Ausschlussgrund | Beispiel | Mögliche Lösung |
| Sachen in Gewahrsam | Geliehene Brille, Nachbarschlüssel | Erweiterte Deckung buchen*¹ |
| Mietsachschäden | Schaden an Mietwohnung | Oft in neueren Tarifen enthalten*² |
| Schäden durch Haustiere | Hund beißt Besucher | Separate Tierhalterhaftpflicht nötig*³ |
| Vorsatz | Absichtliche Beschädigung | Generell nicht versicherbar |
¹ Zusatzbaustein „geliehene Sachen" kostet ca. 10–50 € pro Jahr.
² Bei vielen modernen Tarifen bis 50.000 € oder mehr mitversichert.
³ Tierhalterhaftpflicht ist gesondert abzuschließen, Kosten ca. 50–150 € jährlich (Stand: 2025).
Was uns der Makler außerdem erklärte: Es gibt einen Unterschied zwischen „Gewahrsam" und „Verwahrung". Gewahrsam bedeutet, dass man faktisch die Kontrolle über eine Sache hat – etwa weil sie in der eigenen Wohnung liegt oder man sie benutzt. Verwahrung ist enger gefasst und bezeichnet die bewusste Übernahme der Aufbewahrungspflicht – etwa wenn die Nachbarin explizit sagt: „Pass bitte auf meinen Schlüssel auf, während ich im Urlaub bin." Juristisch ist das relevant, weil bei Verwahrung strengere Sorgfaltspflichten gelten. In der Praxis der Versicherungen verschwimmen die Grenzen aber oft, und viele Versicherer behandeln beides gleich – nämlich als Ausschlussgrund.
Später habe ich auch mit anderen Betroffenen gesprochen. Eine Bekannte erzählte mir, dass ihr Sohn beim Spielen die Spielkonsole eines Freundes beschädigt hatte. Wert: 500 Euro. Auch in ihrem Fall lehnte die Haftpflicht ab – gleiche Begründung. Ein Kollege von Markus hatte das Auto seines Bruders geliehen, einen Parkschaden verursacht, und seine Haftpflicht zahlte nicht, weil es ein „Familienmitglied" war und die Sache als „geliehen" galt. In vielen Fällen blieben die Leute auf den Kosten sitzen oder zahlten aus eigener Tasche, um die Beziehung nicht zu belasten.
Diese Geschichten zeigen: Das Problem ist weit verbreitet. Und es wird noch komplizierter, wenn man bedenkt, dass auch die Hausratversicherung des Geschädigten oft nicht einspringt. Denn die Hausratversicherung zahlt in der Regel nur bei Schäden durch versicherte Gefahren wie Feuer, Einbruch, Leitungswasser – nicht aber bei einfacher Beschädigung durch Dritte. Sarah hätte also auch über ihre eigene Versicherung nichts bekommen. Die Brille war einfach kaputt, und jemand musste zahlen. In unserem Fall war ich das.
Ein Aspekt, den wir vorher auch nicht bedacht hatten: die steuerliche Seite. Kann man solche Kosten vielleicht als außergewöhnliche Belastung absetzen? Wir haben unseren Steuerberater gefragt. Seine Antwort war ernüchternd: Nein, das geht nicht. Haftpflichtschäden, die man selbst zahlt, gelten nicht als außergewöhnliche Belastung im steuerrechtlichen Sinne. Sie sind vielmehr als allgemeines Lebensrisiko zu betrachten, das jeder selbst tragen muss. Also auch hier keine Entlastung.
Was können Verbraucher tun, um sich besser zu schützen? Erstens: Beim Abschluss oder bei der nächsten Verlängerung der Haftpflichtversicherung genau hinschauen. Die Stiftung Warentest empfiehlt in ihren aktuellen Tests von Haftpflichtversicherungen, auf folgende Punkte zu achten: Deckungssumme mindestens 10 Millionen Euro, Mitversicherung von Mietsachschäden, keine oder nur geringe Selbstbeteiligung, und – wenn relevant – Einschluss von Schäden an geliehenen oder gemieteten Sachen. Die Stiftung Warentest weist auch darauf hin, dass die Preisunterschiede zwischen Basis- und Premium-Tarifen oft moderat sind, die Leistungsunterschiede aber erheblich. (Quelle: Stiftung Warentest, https://www.test.de, Stand: 2025)
Zweitens: Dokumentation ist entscheidend. Wenn man etwas leiht oder verleiht, kann es sinnvoll sein, den Zustand vorher zu dokumentieren – etwa durch Fotos oder eine kurze schriftliche Notiz. Das schützt zwar nicht vor dem Versicherungsausschluss, hilft aber bei späteren Unstimmigkeiten über den tatsächlichen Schaden oder den Wert der Sache. In unserem Fall war das unkompliziert, weil Sarah die Rechnung hatte und der Schaden offensichtlich war. Aber ich habe von Fällen gehört, in denen gestritten wurde, ob der Gegenstand überhaupt schon vorher beschädigt war.
Drittens: Im Schadensfall sollte man dennoch immer bei der Versicherung anfragen. Selbst wenn man denkt, dass der Schaden nicht gedeckt ist, lohnt es sich, ihn zu melden. Manchmal interpretieren Versicherer die Bedingungen kulanter als erwartet, oder es gibt Sonderregelungen, die man nicht kennt. In unserem Fall war die Ablehnung eindeutig, aber zumindest hatten wir Gewissheit. Und: Jede Schadensmeldung ist auch eine Gelegenheit, die eigenen Vertragsbedingungen noch einmal zu überprüfen und gegebenenfalls zu wechseln.
Ein weiterer wichtiger Punkt: die Kommunikation mit dem Geschädigten. Sarah und ich haben offen darüber gesprochen, was passiert ist und wie wir damit umgehen. Das hat unsere Freundschaft nicht belastet – im Gegenteil, ich glaube, sie hat uns sogar näher zusammengebracht, weil wir ehrlich und fair miteinander umgegangen sind. Aber ich kenne auch Fälle, in denen solche Vorfälle zu Streit und Entfremdung geführt haben. Oft aus dem Gefühl heraus, dass der eine nicht genug Verantwortung übernimmt oder der andere zu viel verlangt.
Hier hilft es, klar zu kommunizieren und realistische Erwartungen zu haben. Wenn ich jemandem etwas leihe, sollte ich mir bewusst sein, dass es kaputt gehen kann – und dass ich möglicherweise auf den Kosten sitzen bleibe, wenn die Versicherung nicht zahlt. Umgekehrt sollte ich als Verursacher bereit sein, den Schaden zu ersetzen, auch wenn keine Versicherung einspringt. Das ist eine Frage des Anstands und der Fairness.
Inzwischen haben wir unsere Haftpflichtversicherung gewechselt. Wir haben einen Tarif mit erweiterter Deckung abgeschlossen, der Schäden an geliehenen Sachen bis 20.000 Euro einschließt. Das kostet uns etwa 25 Euro mehr im Jahr – ein überschaubarer Betrag für deutlich mehr Sicherheit. Natürlich hoffen wir, dass wir diese Leistung nie brauchen werden. Aber falls doch, sind wir jetzt besser abgesichert.
Was viele auch nicht wissen: Es gibt regionale und branchenspezifische Unterschiede bei Versicherungen. Manche Versicherer sind spezialisiert auf bestimmte Berufsgruppen oder Lebensmodelle. So gibt es etwa Tarife für Freiberufler, die beruflich oft mit fremdem Equipment arbeiten, oder Familientarife, die typische Kinderrisiken (wie eben das Ausleihen und Kaputtmachen von Spielzeug) besser abdecken. Es lohnt sich, mehrere Angebote einzuholen und die Bedingungen genau zu vergleichen.
Auch die EU hat sich in den letzten Jahren verstärkt mit Verbraucherschutz im Versicherungsbereich beschäftigt. Das Europäische Parlament hat mehrfach gefordert, dass Versicherungsbedingungen transparenter und verständlicher formuliert werden müssen. Viele Verbraucher fühlen sich von den komplexen AVB überfordert, und das führt dazu, dass sie ihren Versicherungsschutz falsch einschätzen. Die EU-Richtlinie über Versicherungsvertrieb (IDD) verlangt daher, dass Versicherer und Makler klar und verständlich über Leistungen und Ausschlüsse informieren. (Quelle: Europäisches Parlament, Richtlinie (EU) 2016/97, https://www.europarl.europa.eu, Stand: 2025)
In der Praxis hapert es allerdings oft an der Umsetzung. Viele Versicherte unterschreiben Verträge, ohne die Bedingungen wirklich zu verstehen. Und selbst wenn man die AVB liest – sie sind oft so juristisch formuliert, dass der durchschnittliche Laie sie kaum nachvollziehen kann. Hier wäre mehr Klartext gefragt: Statt „Ausschluss von Schäden an Sachen in Gewahrsam" könnte man schreiben: „Achtung: Wenn Sie sich etwas leihen und es kaputt geht, zahlen wir nicht." Das wäre ehrlich und verständlich.
Ein weiteres Thema, das wir im Zuge unserer Recherche entdeckt haben: Cyberversicherungen und digitale Risiken. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) weist darauf hin, dass auch im digitalen Bereich Haftungsfragen immer wichtiger werden. Was ist zum Beispiel, wenn ich versehentlich einen Virus auf dem Computer eines Freundes installiere oder dessen Daten lösche? Klassische Haftpflichtversicherungen decken solche Cyberrisiken oft nicht ab. Es gibt aber inzwischen spezielle Cyberversicherungen, die auch private Nutzer abschließen können. (Quelle: BSI – Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, https://www.bsi.bund.de, Stand: 2025)
Interessanterweise spielt auch der Umweltschutz eine Rolle bei Haftpflichtfragen. Der NABU – Naturschutzbund Deutschland – weist darauf hin, dass umweltschädliches Verhalten zunehmend zu Haftungsfällen führt. Wer etwa auf dem geliehenen Grundstück eines Freundes durch Unachtsamkeit Öl oder Chemikalien verschüttet und damit den Boden kontaminiert, kann mit erheblichen Kosten konfrontiert werden. Auch hier greifen oft Ausschlüsse in den Versicherungsbedingungen, weil es sich um „Sachen in Obhut" oder um Umweltschäden handelt. Der NABU fordert daher eine bessere Aufklärung über solche Risiken. (Quelle: NABU – Naturschutzbund Deutschland e.V., https://www.nabu.de, Stand: 2025)
Auch der BUND – Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland – thematisiert in seinen Informationsmaterialien die Bedeutung von persönlicher Haftung für Umweltschäden. In einer Broschüre aus dem Jahr 2024 wird betont, dass Verursacher für ökologische Schäden oft lebenslang haften – unabhängig davon, ob eine Versicherung zahlt oder nicht. Der BUND empfiehlt daher, sich beim Umgang mit potenziell umweltschädlichen Substanzen oder Geräten besonders vorsichtig zu verhalten und im Zweifel lieber auf die Nutzung zu verzichten. (Quelle: BUND – Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., https://www.bund.net, Stand: 2025)
Zurück zu unserem persönlichen Fall: Wie haben wir die Situation letztlich verarbeitet? Ehrlich gesagt, war ich noch wochenlang frustriert. Nicht wegen des Geldes – 420 Euro sind viel, aber nicht existenzbedrohend –, sondern wegen des Gefühls, dass das System irgendwie unfair ist. Man zahlt jahrelang in eine Versicherung ein, und wenn man sie dann braucht, findet sich ein Paragrafen, der einen ausschließt. Markus sagte irgendwann: „Vielleicht ist es ja auch gut, dass du jetzt weißt, wie es läuft. Beim nächsten Mal bist du vorbereitet."
Und das stimmt. Seitdem bin ich viel vorsichtiger im Umgang mit fremden Sachen. Wenn ich mir etwas leihe, behandle ich es, als wäre es mein eigenes – oder sogar noch sorgfältiger. Und ich überlege zweimal, ob ich überhaupt etwas leihe oder verleihe. Manchmal ist es einfacher, selbst etwas zu kaufen oder auf etwas zu verzichten, als das Risiko einzugehen. Das klingt vielleicht übertrieben, aber nach dieser Erfahrung verstehe ich die Zurückhaltung mancher Menschen besser.
Hier kommt unsere praktische Checkliste für den Umgang mit geliehenen Gegenständen:
✅ Geliehene Sachen schützen – 6 Steps
- Zustand dokumentieren: Vor der Übergabe Fotos machen, sichtbare Mängel notieren, idealerweise schriftlich festhalten.
- Versicherungsschutz prüfen: Vorab klären, ob die eigene Haftpflicht solche Schäden abdeckt – sonst eventuell Zusatzversicherung abschließen.
- Sorgfältig behandeln: Geliehene Dinge besonders achtsam verwenden, nicht weiterverleihen, sicher aufbewahren.
- Schäden sofort melden: Bei Beschädigung umgehend den Eigentümer informieren und Versicherung kontaktieren.
- Reparaturkosten klären: Kostenvoranschläge einholen, mit Eigentümer absprechen, ob Reparatur oder Ersatz gewünscht ist.
- Verantwortung übernehmen: Auch wenn Versicherung ablehnt – moralisch für entstandenen Schaden einstehen.
Musterschreiben bei Schadensmeldung (Haftpflicht):
Sehr geehrte Damen und Herren,
am [Datum] habe ich versehentlich einen Gegenstand meiner Freundin beschädigt (siehe Anlage).
Die Unterlagen (Fotos, Rechnung, Sachverhaltsschilderung) liegen im Anhang.
Ich bitte um Prüfung und eine schriftliche Rückmeldung zum Versicherungsschutz.
Mit freundlichen Grüßen, [Name]
Was wir auch gelernt haben: Nicht jeder Versicherer ist gleich kulant. Es gibt Unterschiede in der Bearbeitungsgeschwindigkeit, der Kommunikation und der Auslegung von Grenzfällen. Manche Versicherer sind bekannt dafür, dass sie im Zweifel eher für den Kunden entscheiden, andere legen die Bedingungen restriktiv aus. Das sollte man bei der Wahl der Versicherung berücksichtigen. Bewertungsportale und Erfahrungsberichte im Internet können hier hilfreich sein – auch wenn man sie kritisch lesen sollte.
Ein letzter Gedanke zu diesem Thema: die gesellschaftliche Dimension. In einer Gesellschaft, in der Versicherungen eine so große Rolle spielen, verändert sich auch das Verhalten der Menschen. Früher – so erzählten es uns unsere Eltern – war es selbstverständlich, dass man für selbst verursachte Schäden aufkam. Heute denken viele sofort: „Das regelt die Versicherung." Das führt einerseits zu mehr Sorglosigkeit, andererseits aber auch zu Konflikten, wenn die Versicherung dann doch nicht zahlt. Vielleicht wäre es gesünder, wenn wir wieder mehr persönliche Verantwortung übernehmen würden – nicht weil wir müssen, sondern weil es richtig ist.
Abschließend möchte ich noch einmal betonen: Trotz aller Versicherungen bleibt ein Restrisiko. Es gibt Situationen, in denen man auf den eigenen Kosten sitzen bleibt. Das ist ärgerlich, aber nicht zu ändern. Wichtig ist, dass man sich dessen bewusst ist und entsprechend handelt. Und dass man im Schadensfall nicht die Freundschaft oder die Beziehung aufs Spiel setzt, nur weil es um Geld geht. Sarah und ich lachen heute über den Vorfall. Die Brille wurde repariert (günstiger als erwartet, nur 180 Euro), und ich habe ihr den Betrag erstattet. Unsere Freundschaft ist intakt, und ich habe eine wichtige Lektion gelernt.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Viele Leser:innen haben uns nach diesem Artikel gefragt, was sie tun können, wenn sie in eine ähnliche Situation geraten. Hier sind die häufigsten Fragen:
1. Zahlt die Haftpflicht wirklich nie bei geliehenen Sachen?
Das kommt auf den Tarif an. Viele Standard-Tarife schließen Schäden an geliehenen, gemieteten oder in Obhut genommenen Sachen aus. Es gibt aber auch erweiterte Tarife, die solche Schäden bis zu einer bestimmten Höhe (oft 10.000–50.000 Euro) abdecken. Man sollte die eigenen Versicherungsbedingungen prüfen oder beim Versicherer nachfragen. (Quelle: GDV – Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, https://www.gdv.de, Stand: 2025 – Angaben können je nach Versicherer abweichen)
2. Was kann ich tun, wenn meine Versicherung einen Schaden ablehnt?
Zunächst sollte man die Ablehnung schriftlich verlangen und genau prüfen, welcher Ausschluss genannt wird. Dann kann man überlegen, ob dieser Ausschluss tatsächlich greift oder ob man Widerspruch einlegen möchte. In Zweifelsfällen hilft ein Gespräch mit einem Versicherungsmakler oder einem auf Versicherungsrecht spezialisierten Anwalt. Manchmal lohnt sich auch die Kontaktaufnahme mit dem Versicherungsombudsmann, einer unabhängigen Schlichtungsstelle. (Quelle: Stiftung Warentest, https://www.test.de, Stand: 2025)
3. Bin ich rechtlich verpflichtet, den Schaden selbst zu zahlen, wenn die Versicherung nicht zahlt?
Grundsätzlich ja, wenn man den Schaden schuldhaft verursacht hat. Nach § 823 BGB haftet man für Schäden, die man anderen zufügt – unabhängig davon, ob eine Versicherung einspringt oder nicht. In der Praxis hängt die Durchsetzung aber davon ab, ob der Geschädigte klagt und ob man selbst bereit ist, zu zahlen. Moralisch und rechtlich ist man jedoch in der Verantwortung. (Quelle: BGB § 823, Stand: 2025)
Unterm Strich war diese Erfahrung mit der zerbrochenen Brille lehrreich, wenn auch schmerzhaft. Wir haben viel über Versicherungen, Haftung und persönliche Verantwortung gelernt. Wir sind jetzt besser informiert und haben unsere Versicherung entsprechend angepasst. Und wir gehen vorsichtiger mit fremden Sachen um – nicht aus Angst, sondern aus Respekt. Denn letztlich geht es darum, fair miteinander umzugehen und zu den eigenen Fehlern zu stehen. Versicherungen können vieles abfedern – aber nicht alles. Und manchmal ist das auch gut so.