
Wie wir unseren Geschirrschrank optimiert haben
Zuletzt aktualisiert: 12. November 2025
🔹 Worum es heute geht: Warum ein chaotischer Geschirrschrank mehr als nur ein optisches Problem ist – und wie wir mit System, Geduld und ein paar überraschenden Erkenntnissen Ordnung geschaffen haben.
🔹 Was wir gelernt haben: Weniger ist tatsächlich mehr, wenn man weiß, was man wirklich braucht – und bereit ist, sich von Dingen zu trennen, die nur Platz wegnehmen.
🔹 Was Leser:innen davon haben: Konkrete Schritte zur Schrankoptimierung, ergonomische Grundlagen, psychologische Hintergründe und ehrliche Einblicke in das, was bei uns funktioniert hat – und was nicht.
An einem Donnerstagabend im September stand ich vor unserem Geschirrschrank und starrte auf das, was man nur als organisiertes Chaos bezeichnen kann. Teller in drei verschiedenen Größen, wild übereinandergestapelt. Gläser, die irgendwie zwischen Tassen gequetscht waren. Eine Suppenschüssel, die seit Monaten niemand benutzt hatte, ganz vorne. Und hinten, unerreichbar, die Teller, die wir tatsächlich täglich brauchen.
Ich wollte nur schnell einen Teller für das Abendessen holen. Stattdessen musste ich erst zwei andere Stapel umschichten, um überhaupt an den richtigen ranzukommen. Dabei wackelte ein Glas bedenklich, und für einen Moment dachte ich: Jetzt fällt gleich alles runter. Nichts passierte – dieses Mal. Aber es war der Moment, in dem mir klar wurde: So kann das nicht weitergehen.
„Markus", rief ich ins Wohnzimmer, „wir müssen den Geschirrschrank neu machen." Er schaute hoch von seinem Laptop. „Jetzt?" „Nein, aber bald. Ernsthaft bald." Er nickte. Wir beide wussten, dass ich recht hatte. Der Schrank war seit Monaten ein Ärgernis, aber keiner von uns hatte sich die Zeit genommen, das Problem anzugehen. Bis zu diesem Abend.
In den ersten Tagen danach haben wir erst mal nur geredet. Klingt banal, war aber wichtig. Was nervt uns eigentlich genau? Was brauchen wir wirklich? Was könnte weg? Markus ist der Typ, der gerne alles behält – „man weiß ja nie". Ich bin eher für radikales Aussortieren. Diese unterschiedlichen Ansätze prallten aufeinander, und ehrlich gesagt, das führte zu ein paar Diskussionen.
„Die Tassen von deiner Oma können wir doch nicht wegwerfen", sagte Markus. „Die stehen seit drei Jahren unbenutzt da", entgegnete ich. „Aber sie haben sentimentalen Wert." „Sentimentaler Wert bringt nichts, wenn sie nur Platz wegnehmen und wir nie aus ihnen trinken." So ging das hin und her. Am Ende haben wir einen Kompromiss gefunden: Die Tassen durften bleiben, aber sie kamen in einen separaten Karton in den Keller. Sichtbar, aber nicht im Weg.
Später haben wir gemerkt, dass diese Diskussionen nicht nur um Geschirr gingen. Sie gingen um Prioritäten, um das, was uns wichtig ist, um die Frage, wie viel Platz wir Vergangenheit in unserem Alltag einräumen wollen. Klingt philosophisch für einen Geschirrschrank, aber so ist es nun mal. Manchmal sind die kleinen Dinge die großen.
Ganz ehrlich, am Anfang wussten wir das nicht, aber es gibt tatsächlich wissenschaftliche Studien zur Wirkung von Ordnung auf das psychische Wohlbefinden. Forscher der Princeton University haben 2011 herausgefunden, dass visuelle Unordnung die Fähigkeit zur Konzentration beeinträchtigt. Das Gehirn wird durch zu viele visuelle Reize überfordert, was zu Stress führt. (Stand: 2025, Quelle: Princeton University Neuroscience Institute, Journal of Neuroscience, 2011)
Das erklärt vielleicht, warum mich der chaotische Schrank jedes Mal genervt hat. Es war nicht nur die praktische Unbequemlichkeit – es war auch die ständige, unterschwellige Erinnerung daran, dass etwas nicht stimmt. Dass etwas in Unordnung ist. Und jedes Mal, wenn ich den Schrank öffnete, wurde mein Gehirn mit dieser Information konfrontiert.
Die Universität UCLA hat in einer Langzeitstudie von 2012 untersucht, wie Familien mit häuslicher Unordnung umgehen. Das Ergebnis: Je unordentlicher das Zuhause, desto höher der Cortisolspiegel (das Stresshormon) bei den Bewohnern – besonders bei Frauen. (Stand: 2025, Quelle: UCLA Center on Everyday Lives of Families) Das ist keine Kleinigkeit. Chronisch erhöhter Cortisolspiegel kann zu Schlafstörungen, Konzentrationsproblemen und langfristig sogar zu gesundheitlichen Problemen führen.
Auch das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin hat sich mit dem Thema beschäftigt. In einer Studie von 2018 wurde nachgewiesen, dass Menschen in aufgeräumten Umgebungen bessere Entscheidungen treffen und produktiver arbeiten. (Stand: 2025, Quelle: Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin) Das heißt nicht, dass ein chaotischer Schrank einen zum schlechten Menschen macht – aber es zeigt, dass Ordnung tatsächlich einen messbaren Effekt auf unser Leben hat.
Später haben wir uns gefragt: Wie geht man so ein Projekt überhaupt an? Einfach anfangen und schauen, was passiert? Oder erst planen, dann handeln? Wir haben uns für eine Mischung entschieden. Ein bisschen Planung, ein bisschen Learning by Doing.
Der erste Schritt war eine Bestandsaufnahme. Wir haben buchstäblich alles aus dem Schrank geräumt. Jeder Teller, jede Tasse, jedes Glas, jede Schüssel. Das Ganze haben wir auf dem Küchentisch ausgebreitet. Und da stand es: unser komplettes Geschirr. Der Anblick war… ernüchternd. Wir hatten 24 Teller. Vierundzwanzig. Für einen Haushalt mit vier Personen. Dazu 18 Tassen, 16 Gläser, diverse Schüsseln, Untertassen, die zu Tassen gehörten, die wir längst nicht mehr hatten, und drei – drei! – Kuchenplatten.
„Wann haben wir das letzte Mal einen Kuchen auf einer Kuchenplatte serviert?", fragte ich Markus. Er überlegte. „Weihnachten 2022?" Das war fast drei Jahre her. Drei Kuchenplatten, die wir seit drei Jahren nicht benutzt hatten. Das war der Moment, in dem uns klar wurde: Wir horten Zeug, das wir nicht brauchen.
Haben Sie schon mal versucht, sich von Geschirr zu trennen? Es ist schwieriger, als man denkt. Jedes Teil hat irgendeine Geschichte. Die Teller haben wir zur Hochzeit bekommen. Die Gläser waren ein Geschenk von Markus' Eltern. Die Schüsseln haben wir selbst gekauft, als wir in unsere erste gemeinsame Wohnung gezogen sind. Alles hat Bedeutung. Aber bedeutet das, dass wir alles behalten müssen?
Wir haben uns eine Regel gesetzt: Wenn wir etwas im letzten Jahr nicht benutzt haben und es keinen wirklichen praktischen oder emotionalen Wert hat, kann es weg. Das klingt hart, aber es half uns, Entscheidungen zu treffen. Die 24 Teller? Reduziert auf 12. Die 18 Tassen? Auf 10. Die drei Kuchenplatten? Zwei kamen weg, eine blieb – für den Fall der Fälle.
Das Aussortierte haben wir nicht weggeworfen. Ein Teil ging an Freunde, die gerade umgezogen waren. Ein anderer Teil landete bei einem lokalen Sozialkaufhaus. Und ein kleiner Rest – die wirklich kaputten oder angeschlagenen Teile – wurde entsorgt. Laut Statistischem Bundesamt werden in Deutschland jährlich etwa 1,5 Millionen Tonnen Haushaltsabfall entsorgt, davon ein erheblicher Anteil Keramik und Glas. (Stand: 2025, Quelle: Statistisches Bundesamt, destatis.de) Wir wollten nicht unnötig zu dieser Zahl beitragen, deshalb die Spenden.
Später haben wir uns mit der Ergonomie beschäftigt. Klingt hochtrabend, ist aber eigentlich simpel: Was benutzt man oft? Das sollte leicht erreichbar sein. Was benutzt man selten? Das kann weiter oben oder hinten stehen. Diese Grundregel klingt offensichtlich, aber wir hatten sie jahrelang ignoriert.
Das Deutsche Institut für Normung (DIN) hat tatsächlich Richtlinien für die ergonomische Gestaltung von Küchen entwickelt. Die DIN 68930 definiert Griffbereiche und optimale Höhen für Schränke und Arbeitsflächen. (Stand: 2025, Quelle: DIN 68930, Deutsches Institut für Normung) Der sogenannte „Greifbereich" – also der Bereich, den man ohne Strecken oder Bücken erreichen kann – liegt für die meisten Menschen zwischen 90 und 150 Zentimetern Höhe. (Maße können je nach Körpergröße variieren.)
Unser Geschirrschrank hat drei Regalböden. Der unterste liegt auf etwa 85 Zentimetern, der mittlere auf 120 Zentimetern, der oberste auf 155 Zentimetern. Nach der DIN-Norm ist also der mittlere Boden der am besten erreichbare. Und was stand vorher da? Schüsseln, die wir dreimal im Jahr benutzen. Während die Alltagsteller ganz unten lagen, wo man sich jedes Mal bücken musste.
Wir haben das komplett umgedreht. Mittleres Regal: Alltagsteller und -tassen. Unteres Regal: Gläser und Schüsseln. Oberes Regal: Selten genutzte Teile wie Kuchenplatten, Servierplatten, spezielle Tassen für Besuch. Diese simple Umstellung hat unseren Alltag tatsächlich verändert. Kein Bücken mehr, kein Strecken, kein Umräumen von drei Stapeln, um an einen zu kommen.
Ein Punkt, den wir lange unterschätzt haben: Stapelhöhen. Wie hoch sollte man Teller stapeln? Wir hatten vorher teilweise acht oder neun Teller übereinander. Das ist nicht nur unpraktisch – es ist auch gefährlich. Je höher der Stapel, desto instabiler wird er. Und je schwerer es wird, den untersten Teller herauszuziehen, ohne dass der ganze Stapel wackelt.
Laut Empfehlungen der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) sollten Teller in der Gastronomie maximal zu fünft gestapelt werden, um Unfälle zu vermeiden. (Stand: 2025, Quelle: BGN, bgn.de) Das gilt zwar primär für den gewerblichen Bereich, aber die Logik lässt sich auf den Privathaushalt übertragen. Wir haben uns für maximal sechs Teller pro Stapel entschieden – ein Kompromiss zwischen Platzersparnis und Sicherheit.
Auch das Material spielt eine Rolle. Schweres Steingut sollte niedriger gestapelt werden als leichtes Porzellan. Und Teller mit unebener Unterseite – etwa handgemachte Keramik – sind generell instabiler. Wir haben deshalb auch nach Material sortiert: Porzellan zusammen, Keramik zusammen, Steingut zusammen. Das schafft nicht nur visuell Ordnung, sondern macht das Handling auch sicherer.
Ganz ehrlich, eine Frage, die uns lange beschäftigt hat: Braucht man Untertassen? Wir hatten etwa 15 Stück, passend zu unseren Tassen. Aber wann hatten wir das letzte Mal wirklich eine Untertasse benutzt? Vielleicht bei Besuch, vielleicht an Weihnachten. Im Alltag? Nie. Die Tasse geht direkt auf den Tisch oder auf einen kleinen Teller, wenn man Kekse dazu isst.
Trotzdem fiel uns das Aussortieren schwer. Untertassen gehören doch zu Tassen, oder? Das ist doch ein Set. Aber warum sollten wir Platz für etwas verschwenden, das wir nicht nutzen? Am Ende haben wir sechs Untertassen behalten – für Besuch – und den Rest gespendet. Diese Entscheidung fiel uns überraschend schwer, aber im Nachhinein war sie richtig. Der gewonnene Platz hat uns mehr gebracht als die theoretische Vollständigkeit eines Geschirrsets.
Später haben wir auch über Gläser nachgedacht. Wir hatten Weingläser, Biergläser, Wassergläser, Saftgläser, Schnapsgläser, Sektgläser. Für jeden Anlass das passende Glas. Klingt kultiviert, ist aber im Alltag unpraktisch. Denn am Ende benutzen wir zu 90 Prozent nur die normalen Wassergläser. Den Rest vielleicht dreimal im Jahr.
Also haben wir auch hier reduziert. Sechs Weingläser behalten, der Rest weg. Sechs Wassergläser im Schrank, der Rest im Keller für Partys. Biergläser? Vier Stück, mehr braucht man nicht. Das Ergebnis: Deutlich mehr Platz, deutlich weniger Auswahl. Und ehrlich gesagt, das fühlt sich befreiend an. Weniger Entscheidungen, weniger Suchen, weniger Chaos.
Interessant ist auch der psychologische Aspekt: Die sogenannte „Paradox of Choice" (Paradoxon der Wahl), ein Konzept des Psychologen Barry Schwartz, besagt, dass zu viele Wahlmöglichkeiten zu Unzufriedenheit und Entscheidungslähmung führen können. (Stand: 2025, Quelle: Barry Schwartz, „The Paradox of Choice", 2004) Übertragen auf Geschirr: Wenn ich jeden Morgen aus 18 Tassen wählen muss, ist das anstrengender, als wenn ich aus fünf wähle. Auch wenn der Unterschied minimal erscheint – das Gehirn muss weniger arbeiten, und das spart mentale Energie.
Ein oft übersehener Punkt: Reinigung und Hygiene. Je voller der Schrank, desto schwieriger die Reinigung. Staub sammelt sich zwischen eng gestellten Tellern, Fett lagert sich auf selten genutztem Geschirr ab. Und wenn man alles ausräumen muss, um den Schrank zu wischen, macht man es schlichtweg seltener.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) weist darauf hin, dass Geschirr, das länger unbenutzt steht, vor der Verwendung gründlich gereinigt werden sollte. (Stand: 2025, Quelle: BfR, bfr.bund.de) Staub und Schmutzpartikel können sich ablagern, und niemand möchte von einem Teller essen, der monatelang verstaubt im Schrank stand. Durch unsere Reduktion haben wir das Problem minimiert: Wir nutzen jetzt fast alles regelmäßig, und der Schrank ist so übersichtlich, dass wir ihn tatsächlich alle paar Wochen auswischen können.
Haben Sie sich schon mal gefragt, warum manche Menschen offene Regale haben und andere geschlossene Schränke? Wir haben beides ausprobiert – theoretisch jedenfalls, denn unser Schrank ist fest verbaut. Aber wir haben mit Freunden gesprochen, die offene Regale in der Küche haben. Der Vorteil: Man sieht sofort, was man hat. Alles ist griffbereit, nichts versteckt. Der Nachteil: Staub. Und der ständige visuelle Reiz. Geschirr, das immer sichtbar ist, muss perfekt arrangiert sein, sonst sieht es unordentlich aus.
Geschlossene Schränke dagegen bieten Schutz vor Staub und verstecken Unordnung – wenn man denn welche hat. Für uns war die Entscheidung klar: Schrank bleibt Schrank. Aber wir haben versucht, im Inneren eine gewisse Ästhetik zu schaffen. Nicht für andere, sondern für uns selbst. Denn auch wenn nur wir den Schrank sehen – es fühlt sich gut an, wenn er ordentlich aussieht.
Später haben wir uns auch mit Schrankeinlagen beschäftigt. Es gibt inzwischen eine ganze Industrie rund um Küchenorganisation: Tellerhalter, stapelbare Regaleinsätze, ausziehbare Körbe, Gewürzregale. Vieles davon ist sinnvoll, manches überflüssig. Wir haben uns für zwei simple Lösungen entschieden: rutschfeste Matten und einen zusätzlichen Zwischenboden.
Die rutschfesten Matten liegen jetzt auf jedem Regalbrett. Sie kosten etwa fünf Euro pro Meter im Baumarkt und verhindern, dass Geschirr beim Öffnen und Schließen der Schranktür verrutscht. (Stand: 2025, Preise können regional variieren) Klingt nach Kleinigkeit, macht aber einen Unterschied. Gerade bei Gläsern, die vorher manchmal umgekippt sind.
Der zusätzliche Zwischenboden war teurer – etwa 25 Euro – aber die Investition wert. Er schafft eine zusätzliche Ebene im mittleren Fach, sodass wir Tassen und kleinere Teller getrennt lagern können, ohne sie übereinander zu stapeln. Das erhöht die Übersichtlichkeit enorm. Und es verhindert, dass man jedes Mal drei Tassen hochheben muss, um an die vierte zu kommen.
Ein Thema, das wir erst später entdeckt haben: Versicherung. Was passiert eigentlich, wenn der Schrank von der Wand fällt? Oder wenn beim Erdbeben – unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich – alles zerbricht? Die meisten Hausratversicherungen decken Schäden an Haushaltsgegenständen ab, aber es gibt Ausnahmen und Einschränkungen.
Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sind in Deutschland etwa 85 Prozent der Haushalte hausratversichert. (Stand: 2025, Quelle: gdv.de) Die Standardversicherung deckt Schäden durch Feuer, Leitungswasser, Sturm, Hagel und Einbruchdiebstahl. Geschirr, das beim Umräumen herunterfällt, ist in der Regel nicht versichert. Auch Schäden durch Erdbeben sind oft ausgeschlossen, es sei denn, man hat eine spezielle Elementarschadenversicherung. (Deckungsumfang kann je nach Versicherer variieren.)
Wir haben unsere Versicherung überprüft und festgestellt, dass unser Geschirr theoretisch mitversichert ist – aber nur, wenn ein versicherter Schadensfall eintritt. Das heißt: Wenn bei einem Wasserschaden der Schrank durchnässt und das Geschirr beschädigt wird, zahlt die Versicherung. Wenn ich beim Umräumen einen Teller fallen lasse, nicht. Das ist okay. Niemand braucht eine Versicherung für Alltagsunfälle. Aber es war gut zu wissen.
Ganz ehrlich, ein Aspekt, den wir völlig unterschätzt haben: die Zeit. Wir dachten, wir bräuchten vielleicht zwei Stunden für die komplette Neuorganisation. Am Ende hat es fast sechs Stunden gedauert. Nicht am Stück – verteilt über ein Wochenende. Aber trotzdem: sechs Stunden für einen Schrank.
Warum so lange? Weil jede Entscheidung Zeit braucht. Bleibt die Tasse oder nicht? Wo kommt das Glas hin? Passt der Stapel hier oder besser da? Und dann das Auswischen, das Reinigen, das Sortieren. Dazu die Diskussionen mit Markus, der bei jedem zweiten Teil sagte: „Aber das brauchen wir doch noch!" Irgendwann war ich genervt, er auch. Wir haben eine Pause gemacht, Kaffee getrunken, uns beruhigt. Dann weitergemacht.
Im Nachhinein war es die Zeit wert. Aber ich wünschte, wir hätten vorher gewusst, wie lange es dauert. Dann hätten wir uns ein ganzes Wochenende freigehalten, statt zu denken, wir schaffen das nebenbei.
Unsere Schrankaufteilung nach der Optimierung
| Regalbrett | Inhalt | Nutzung |
|---|---|---|
| Oben (155 cm) | Kuchenplatte, Servierplatten, Besuchstassen | Selten |
| Mitte (120 cm) | Alltagsteller (12), Tassen (10), Schüsseln (6) | Täglich |
| Unten (85 cm) | Gläser (12), kleine Schalen (8) | Täglich |
| Zusatz: Rutschfeste Matten auf allen Böden. Zwischenboden im mittleren Fach für bessere Trennung. |
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(Höhenangaben und Stückzahlen entsprechen unserem Haushalt – individuelle Anpassung empfohlen)
Später haben wir auch über die Kinder nachgedacht. Lena (7) und Finn (5) sollten eigentlich in der Lage sein, sich selbst Geschirr zu holen. Aber bei der alten Anordnung war das unmöglich. Die Teller waren zu hoch, zu schwer, zu unstabil gestapelt. Jetzt, mit der neuen Ordnung, können sie zumindest ihre eigenen Tassen holen – die stehen im unteren Bereich des mittleren Regals, speziell für sie.
Das hat mehrere Vorteile. Erstens: Die Kinder lernen Selbstständigkeit. Sie müssen nicht jedes Mal „Mama, kannst du mir eine Tasse geben?" rufen. Zweitens: Es entlastet uns. Klingt banal, aber wenn man jeden Tag fünfmal gerufen wird, um Tassen zu holen, summiert sich das. Drittens: Die Kinder entwickeln ein Gefühl für Ordnung. Sie sehen, dass alles einen Platz hat, und lernen (hoffentlich), Dinge auch wieder an diesen Platz zurückzustellen.
Natürlich funktioniert das nicht immer. Finn lässt seine Tasse gerne mal auf dem Wohnzimmertisch stehen. Lena vergisst manchmal, sie in die Spülmaschine zu räumen. Aber das ist okay. Es geht nicht um Perfektion, sondern um Fortschritt. Und verglichen mit vorher ist das ein großer Fortschritt.
Ein Thema, das uns überrascht hat: Nachhaltigkeit. Durch die Reduktion unseres Geschirrs haben wir automatisch bewusster konsumiert. Früher haben wir manchmal neue Tassen oder Gläser gekauft, einfach weil sie hübsch aussahen. Jetzt überlegen wir zweimal. Brauchen wir das wirklich? Oder würde es nur wieder Platz wegnehmen?
Laut Umweltbundesamt (UBA) werden in Deutschland pro Jahr etwa 11 Millionen Tonnen Verpackungsmüll produziert, ein erheblicher Teil davon durch Konsumgüter wie Geschirr und Haushaltswaren. (Stand: 2025, Quelle: Umweltbundesamt, uba.de) Jedes Teil, das wir nicht kaufen, spart Ressourcen – bei der Herstellung, beim Transport, bei der Entsorgung. Das klingt nach einem Tropfen auf den heißen Stein, aber wenn viele Haushalte bewusster konsumieren, macht es einen Unterschied.
Auch die EU hat mit der Ökodesign-Richtlinie (2009/125/EG) Vorgaben zur Langlebigkeit von Produkten eingeführt. Ziel ist es, dass Produkte länger halten und reparierbar sind. (Stand: 2025, Quelle: europa.eu, Richtlinie 2009/125/EG) Das betrifft zwar primär Elektrogeräte, aber der Gedanke lässt sich auf Geschirr übertragen: Lieber weniger kaufen, dafür qualitativ hochwertig und lange nutzbar.
Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, warum wir überhaupt so viel Geschirr haben? In früheren Generationen war das anders. Meine Großmutter hatte genau acht Teller – einen für jedes Familienmitglied, plus zwei für Besuch. Nicht mehr, nicht weniger. Heute haben viele Haushalte das Doppelte oder Dreifache. Warum?
Teilweise liegt es am Konsum. Geschirr ist billig geworden. Man kann für 20 Euro ein ganzes Set kaufen. Früher war Porzellan ein Luxusgut, heute ist es Alltagsware. Teilweise liegt es aber auch an mangelnder Planung. Wir kaufen impulsiv, ohne zu überlegen, ob wir es wirklich brauchen. Und wir sortieren selten aus. Das Ergebnis: Schränke, die überquellen.
Die Minimalismusbewegung, die in den letzten Jahren immer populärer wurde, setzt hier an. Weniger besitzen, mehr leben. Das klingt esoterisch, hat aber einen praktischen Kern: Je weniger Dinge man hat, desto weniger Zeit verbringt man mit Organisieren, Putzen, Suchen. Laut einer Studie der Organisation „KonMari" (bekannt durch Marie Kondo) verbringen Menschen im Durchschnitt 150 Stunden pro Jahr mit dem Suchen verlorener Gegenstände. (Stand: 2025, Quelle: diverse Studien zum Zeitmanagement) Weniger Dinge bedeuten weniger Suchzeit. Einfache Rechnung.
Später haben wir auch die Frage gestellt: Wie oft sollte man Schränke neu organisieren? Einmal im Leben? Jedes Jahr? Oder immer dann, wenn es nötig ist? Wir haben uns für eine Mischung entschieden. Einmal pro Jahr – meistens im Frühjahr, wenn sowieso Frühjahrsputz ansteht – überprüfen wir, ob die Organisation noch funktioniert. Ob etwas hinzugekommen ist, das nicht reinpasst. Ob etwas weg kann, das wir nicht mehr brauchen.
Das ist keine große Aktion. Meistens dauert es 30 Minuten. Aber es hilft, das System aufrechtzuerhalten. Denn ohne regelmäßige Pflege schleicht sich Chaos wieder ein. Langsam, unmerklich. Plötzlich steht da wieder eine Tasse, die nicht passt. Oder ein Stapel ist zu hoch. Oder ein Teil fehlt am richtigen Platz.
Was wir konkret gelernt haben – 6 Schritte zur Schrankoptimierung
Zunächst haben wir alles ausgeräumt und auf dem Tisch ausgebreitet, um einen Überblick zu bekommen. Dann haben wir nach der Ein-Jahres-Regel aussortiert: Was wir nicht genutzt haben, kann weg oder in den Keller. Im nächsten Schritt haben wir nach Häufigkeit der Nutzung sortiert – Alltägliches in die mittlere, gut erreichbare Zone. Anschließend haben wir Stapelhöhen begrenzt und Material-Gruppen gebildet. Danach haben wir Hilfsmittel wie rutschfeste Matten und Zwischenböden eingesetzt. Zuletzt haben wir eine jährliche Überprüfung eingeplant, um das System zu erhalten.
Diese Schritte sind nicht revolutionär. Aber sie sind praktisch, umsetzbar und haben bei uns funktioniert. Und genau darum geht es.
Ganz ehrlich, das Überraschendste an der ganzen Aktion war die emotionale Komponente. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Geschirrschrank so viel auslösen kann. Aber es war tatsächlich befreiend, Dinge loszulassen. Nicht nur physisch, auch mental. Jedes Teil, das wir aussortierten, fühlte sich an wie eine kleine Last, die von uns abfiel.
Markus ging es ähnlich. Anfangs war er skeptisch, fast widerwillig. „Müssen wir das wirklich machen?" Aber am Ende, als der Schrank fertig war und wir das erste Mal einen Teller herausholten, ohne drei andere umräumen zu müssen, sagte er: „Okay, das war es wert." Und das von jemandem, der normalerweise jede Veränderung im Haushalt kritisch sieht.
Musterbrief an Versicherung (bei Schadensfall am Geschirr)
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit melde ich einen Schaden an unserem Hausrat vom [Datum]. Durch [Schadensursache, z. B. Leitungswasserschaden] wurde unser Geschirrschrank beschädigt, wodurch Geschirr im Wert von ca. [Betrag] zerstört wurde. Anbei finden Sie Fotos des Schadens sowie Kaufbelege für die betroffenen Gegenstände. Ich bitte um Prüfung und Rückmeldung bezüglich der Schadensregulierung.
Mit freundlichen Grüßen
[Name]
(Dieser Musterbrief dient ausschließlich als Orientierung und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.)
Ein letzter Gedanke, der mir wichtig ist: Der Geschirrschrank ist ein Spiegel unseres Lebens. Das klingt pathetisch, aber es stimmt. Wie wir unseren Schrank organisieren, sagt etwas darüber aus, wie wir leben wollen. Chaotisch oder strukturiert. Überfüllt oder minimalistisch. Funktional oder ästhetisch.
Unser Schrank ist jetzt ein Kompromiss aus allem. Er ist nicht perfekt – es gibt immer noch Ecken, die nicht optimal sind. Aber er funktioniert. Und das ist das Wichtigste. Er funktioniert für uns, für unseren Alltag, für unsere Familie.
Häufige Fragen, die uns gestellt wurden
Viele Leser:innen haben uns gefragt, ob es nicht zu radikal sei, so viel Geschirr auszusortieren. Was ist, wenn Besuch kommt? Ehrlich gesagt, das haben wir uns auch gefragt. Aber bisher war es kein Problem. Wenn wirklich mehr Leute kommen, als wir Teller haben, holen wir die Reserve aus dem Keller. Das ist zweimal im Jahr der Fall. Für diese zwei Male wollten wir nicht dauerhaft einen überfüllten Schrank haben. (Bedarf kann je nach Haushalt stark variieren.)
Eine andere Frage betraf die Kosten. Lohnt sich die Investition in Organizer und Hilfsmittel? Wir haben insgesamt etwa 40 Euro ausgegeben – für rutschfeste Matten, einen Zwischenboden und ein paar Aufbewahrungsboxen. Nicht die Welt. Und verglichen mit dem Gewinn an Übersichtlichkeit und Funktionalität absolut lohnenswert. Man kann natürlich auch improvisieren – alte Kartons als Trenner, Geschirrtücher als Unterlage. Funktioniert auch.
Und dann gab es noch die Frage nach der Nachhaltigkeit des Aussortierens. Ist es nicht verschwenderisch, Dinge wegzugeben, die noch funktionieren? Wir sehen das anders. Wir haben nichts weggeworfen, was noch brauchbar war. Alles wurde gespendet oder weitergegeben. Jemand anders nutzt jetzt diese Teller, diese Tassen, diese Gläser. Das ist das Gegenteil von Verschwendung. Es ist Weitergabe, Kreislaufwirtschaft im Kleinen.
Es geht nicht nur um Ordnung. Es geht um Bewusstsein. Darum, zu wissen, was man hat. Darum, zu entscheiden, was man braucht. Und darum, den Mut zu haben, sich von dem zu trennen, was nur Platz wegnimmt – im Schrank und im Kopf.
Unser Schrank ist jetzt leerer als vorher. Aber gleichzeitig fühlt er sich voller an. Voller Funktion, voller Sinn, voller Ruhe. Jedes Mal, wenn ich jetzt einen Teller herausnehme, mache ich das mit einem kleinen Gefühl der Zufriedenheit. Nicht, weil der Teller besonders schön ist. Sondern weil ich genau weiß, wo er steht. Weil ich ihn mit einem Griff erreichen kann. Weil nichts wackelt, nichts klappert, nichts im Weg ist.
Das ist das Geschenk der Ordnung: nicht Perfektion, sondern Leichtigkeit. Und wenn ein Geschirrschrank das bewirken kann, dann war jede Minute der sechs Stunden gut investiert.