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Versicherungen & Recht

Supermarkt-Parkplatz: Wer wirklich zahlt, wenn dein Rad ein Auto trifft

by Winterberg 2025. 11. 17.

Gestern stand ich vor dem Supermarkt und traute meinen Augen nicht. Mein Fahrrad lag quer über dem Gehweg, der Lenker hatte eine ordentliche Schramme in die Beifahrertür des daneben geparkten BMW gezogen. Mindestens dreißig Zentimeter lang, tief genug, dass man das blanke Blech sehen konnte. Mir wurde schlecht.

„Das war bestimmt der Wind", sagte eine ältere Dame, die gerade aus dem Laden kam. „Vorhin hat's ganz schön gepustet." Ich nickte nur stumm und dachte: Wind hin oder her, der Kratzer ist da, und jetzt?

Meine Frau kam gerade mit dem Einkaufswagen raus, sah mich da stehen wie bestellt und nicht abgeholt. „Was ist denn los?" Ich zeigte auf das Chaos. Sie wurde blass. „Oh nein. Nicht schon wieder."

Schon wieder, ja. Vor drei Jahren hatten wir schon mal so eine Geschichte. Damals war es ihr Rad, das umgefallen war und dabei einen Kinderwagen touchiert hatte. Zum Glück nur ein Kratzer am Gestell, die Mutter war entspannt, wir haben uns entschuldigt und ihr zwanzig Euro gegeben für die Unannehmlichkeiten. Diesmal sah die Sache anders aus. Ein BMW, eine richtige Delle, und weit und breit kein Besitzer in Sicht.

Während ich noch überlegte, was zu tun war, kam ein Mann mittleren Alters auf uns zu. Anzug, Schlüssel in der Hand. Mein Herz rutschte in die Hose. Er ging direkt auf den BMW zu. „Ist das Ihr Wagen?", fragte ich mit einer Stimme, die höher klang als beabsichtigt. Er nickte, sah dann die Schramme. Sein Gesicht verfinsterte sich.

Was dann folgte, war ein Gespräch, das ich so schnell nicht vergesse. Der Mann – nennen wir ihn Herr Weber – war erstaunlich ruhig. „Ist das Ihr Fahrrad?", fragte er. Ich nickte. Er seufzte. „Na toll. Der Wagen ist gerade mal drei Wochen alt."

Ich entschuldigte mich etwa fünfzehnmal in zwei Minuten, erklärte die Situation mit dem Wind, bot an, meine Versicherung einzuschalten. Er holte sein Handy raus, machte Fotos von allem – dem Kratzer, meinem Fahrrad, dem Fahrradständer, sogar dem Kassenzettel, den er noch in der Hand hatte, vermutlich als Zeitnachweis.

„Wissen Sie was", sagte er dann, „lassen Sie uns das vernünftig regeln. Haben Sie eine Haftpflichtversicherung?" Hatte ich. Gott sei Dank. Die kostet uns 89 Euro im Jahr, und bis zu diesem Moment hatte ich mich oft gefragt, wofür eigentlich. Jetzt wusste ich es.

Die private Haftpflichtversicherung ist tatsächlich eine der wichtigsten Versicherungen überhaupt. In Deutschland haben etwa 85% der Haushalte eine, was eigentlich zu wenig ist, wenn man bedenkt, was alles passieren kann. Sie deckt Schäden ab, die man anderen zufügt – fahrlässig, nicht vorsätzlich natürlich. Das kann von der zerbrochenen Vase bei Freunden bis zum Millionenschaden reichen, wenn jemand wegen dir einen schweren Unfall hat.

Bei Fahrrädern ist die Rechtslage interessant. Ein Fahrrad gilt rechtlich als Sache, nicht als Fahrzeug im versicherungstechnischen Sinne. Deshalb braucht man auch keine separate Fahrradhaftpflicht, wie es sie für Autos gibt. Die normale Privathaftpflicht reicht. Anders ist es übrigens bei E-Bikes über 25 km/h – die gelten als Kleinkrafträder und brauchen eine eigene Versicherung.

Herr Weber und ich tauschten Kontaktdaten und Versicherungsnummern aus. Er war professionell, machte sich Notizen. „Ich bin selbst bei einer Versicherung", erklärte er. „Ich weiß, wie das läuft. Melden Sie den Schaden so schnell wie möglich, dann geht das seinen Gang."

Während wir da standen, fing meine Frau an, sich den Fahrradständer genauer anzuschauen. „Guck mal", sagte sie und wackelte an der Konstruktion. Das ganze Ding war locker. Die Schrauben, die es im Boden verankern sollten, hatten sich gelockert. Bei jedem Fahrrad, das man reinstellte, kippte die ganze Reihe ein bisschen.

Das änderte die Situation. War ich überhaupt schuld, wenn die Infrastruktur mangelhaft war? Herr Weber wurde hellhörig. „Das sollten wir dokumentieren", meinte er und machte noch mehr Fotos.

Die rechtliche Situation bei mangelhaften Fahrradständern ist kompliziert. Grundsätzlich hat der Betreiber eines Parkplatzes oder Supermarkts eine sogenannte Verkehrssicherungspflicht. Das bedeutet, er muss dafür sorgen, dass von seinen Einrichtungen keine Gefahr ausgeht. Ein wackeliger Fahrradständer könnte diese Pflicht verletzen.

Aber – und das ist das große Aber – man muss als Nutzer auch eine gewisse Sorgfalt walten lassen. Wenn der Mangel offensichtlich ist und man sein Rad trotzdem dort abstellt, trägt man eine Mitschuld. Das nennt sich dann „Mitverschulden wegen Übernahme eines erkennbaren Risikos". Juristendeutsch vom Feinsten.

Wir gingen in den Supermarkt, fragten nach dem Marktleiter. Ein junger Mann kam, sichtlich genervt, er hatte wohl gerade Feierabend machen wollen. Wir erklärten die Situation. Er wurde bleich. „Oh Mann, nicht schon wieder. Letzte Woche ist da auch schon was passiert."

Aha. Der Laden wusste also von dem Problem. Das könnte relevant werden für die Haftungsfrage. Der Marktleiter holte ein Formular, einen Vordruck für „Schadensmeldungen auf dem Parkplatzgelände". Offenbar kam sowas öfter vor. Er füllte alles aus, wir unterschrieben, bekamen eine Kopie.

„Wir haben das schon dreimal bei der Zentrale gemeldet", sagte er entschuldigend. „Aber die sind zu geizig, neue Ständer zu kaufen. Kostet ja Geld." Er schüttelte den Kopf. „Tut mir echt leid mit Ihrem Schaden."

In den nächsten Tagen wurde es bürokratisch. Ich meldete den Schaden meiner Haftpflichtversicherung. Online ging das relativ fix, Fotos hochladen, Sachverhalt schildern, fertig. Zwei Tage später rief ein Sachbearbeiter an. Sehr freundlich, stellte ein paar Nachfragen. Ob ich das Rad ordnungsgemäß abgestellt hätte. Ob es gesichert war. Wie die Wetterbedingungen waren.

„Moment", sagte er dann, „Sie schreiben, der Fahrradständer war defekt?" Ich bestätigte das, erwähnte auch, dass der Marktleiter das Problem kannte. „Das ist interessant", meinte der Sachbearbeiter. „Da könnte eine Drittbeteiligung vorliegen."

Was dann folgte, war ein kleiner Exkurs in Versicherungsrecht. Wenn mehrere Parteien an einem Schaden beteiligt sind, wird die Haftung aufgeteilt. In meinem Fall: Ich hatte eine gewisse Sorgfaltspflicht beim Abstellen des Rads. Der Supermarkt hatte seine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Die Versicherungen würden das untereinander klären.

Für mich als Kunde war das erstmal gut. Meine Versicherung würde den Schaden bei Herrn Weber regulieren, sich dann aber möglicherweise einen Teil vom Supermarkt zurückholen. Das nennt sich Regress. Meine Prämie würde dadurch nicht steigen, weil ich nicht alleinschuldig war.

Die Psychologie hinter solchen Alltagsunfällen ist übrigens faszinierend. Es gibt den sogenannten „Fundamental Attribution Error" – wir neigen dazu, bei anderen Menschen charakterliche Ursachen für Fehler zu suchen, bei uns selbst aber situative. Wenn mir ein Fahrrad umfällt, war es der Wind oder der defekte Ständer. Wenn es jemand anderem passiert, war er zu dumm zum richtigen Abstellen.

Herr Weber rief mich eine Woche später an. Die Werkstatt hatte den Schaden auf 1.800 Euro geschätzt. Mir wurde wieder schlecht. „Keine Sorge", sagte er, „Ihre Versicherung hat schon zugesagt. Ich wollte nur Bescheid geben." Er klang entspannt, fast freundlich. „Wissen Sie was? Mir ist vor Jahren mal was Ähnliches passiert. Mein Einkaufswagen ist weggerollt und hat ein Auto gerammt. Seitdem passe ich höllisch auf."

Diese Solidarität unter Leidensgenossen gibt es häufiger, als man denkt. Fast jeder hat schon mal unabsichtlich einen Schaden verursacht. Das schweißt zusammen, schafft Verständnis. In den Niederlanden gibt es dafür sogar einen Begriff: „Pech gehad" – Pech gehabt. Man akzeptiert, dass Missgeschicke zum Leben gehören.

Bei uns in Deutschland sind wir da oft weniger entspannt. Alles muss geklärt, zugeordnet, abgerechnet werden. Das hat Vor- und Nachteile. Einerseits sorgt es für Gerechtigkeit und klare Verhältnisse. Andererseits macht es das Leben komplizierter. In Japan zum Beispiel würde man in so einer Situation erstmal gemeinsam überlegen, wie man das Problem löst, statt gleich nach Schuldigen zu suchen.

Der Supermarkt hat übrigens tatsächlich reagiert. Drei Wochen nach dem Vorfall standen dort neue Fahrradständer. Massive Dinger aus Edelstahl, fest im Boden verankert. Der Marktleiter grinste, als er mich sah. „Die Zentrale hat's doch noch genehmigt. Hat nur einen weiteren Unfall gebraucht."

Das ist leider typisch. Präventionsmaßnahmen werden oft erst ergriffen, wenn schon was passiert ist. Dabei wäre Vorsorge viel günstiger. Die neuen Ständer haben vielleicht 2.000 Euro gekostet. Die Schäden, die durch die alten entstanden sind, waren sicher teurer. Aber so funktioniert menschliche Risikowahrnehmung nun mal. Wir reagieren stärker auf konkrete Ereignisse als auf abstrakte Wahrscheinlichkeiten.

Ich habe aus der ganzen Geschichte einiges gelernt. Praktisch gesehen: Ich checke jetzt immer den Fahrradständer, bevor ich mein Rad reinstelle. Ist er stabil? Steht mein Rad sicher? Könnte es kippen? Das dauert fünf Sekunden und kann viel Ärger ersparen. Außerdem mache ich öfter mal ein Foto, wenn ich mein Rad irgendwo abstelle. Klingt paranoid, aber im Schadensfall ist man froh über jede Dokumentation.

Was die Versicherung angeht: Ich habe unsere Police nochmal genau durchgelesen. Wir sind mit drei Millionen Euro Deckungssumme versichert, das klingt viel, ist aber Standard und auch sinnvoll. Ein schwerer Personenschaden kann schnell in die Millionen gehen. Die Versicherung deckt auch Schäden durch deliktunfähige Kinder ab – wichtig, weil Kinder unter sieben Jahren rechtlich nicht haftbar sind, man als Eltern aber trotzdem oft zahlen will oder muss.

Interessant war auch die Selbstbeteiligung. Wir haben keine, könnten aber 150 Euro Selbstbeteiligung vereinbaren und würden dann nur 65 statt 89 Euro im Jahr zahlen. Bei einem Schaden müssten wir dann die ersten 150 Euro selbst tragen. Lohnt sich das? Kommt drauf an. Statistisch gesehen melden die meisten Leute alle fünf bis zehn Jahre einen Haftpflichtschaden. Da rechnet sich die Selbstbeteiligung oft nicht.

Die Geschichte hat auch unser Verhältnis zum Fahrradfahren verändert. Meine Frau überlegt, sich ein Faltrad zu kaufen. „Das nehme ich dann einfach mit in den Laden", sagt sie. Keine schlechte Idee, aber auch nicht ganz unproblematisch. Viele Geschäfte verbieten Fahrräder im Laden, aus hygienischen und praktischen Gründen. Aber ein zusammengeklapptes Faltrad? Das ist rechtlich gesehen Gepäck, kein Fahrzeug mehr.

Was mir auch aufgefallen ist: Die Fahrradinfrastruktur in Deutschland ist oft mangelhaft. Nicht nur die Radwege, auch die Abstellmöglichkeiten. In den Niederlanden oder Dänemark gibt es überall vernünftige, sichere Fahrradständer. Bei uns sind es oft diese wackeligen Felgenkiller aus den 80ern, in die man das Vorderrad schiebt und die das Rad dann verbiegen.

Es gibt mittlerweile bessere Lösungen. Anlehnbügel zum Beispiel, an denen man Rahmen und Rad anschließen kann. Oder überdachte Fahrradboxen, die man mieten kann. In manchen Städten gibt es sogar bewachte Fahrradparkhäuser. Kostet ein paar Euro am Tag, aber dafür ist das Rad sicher.

Die rechtliche Situation bei Fahrradunfällen ist übrigens oft komplizierter als bei Autounfällen. Bei Autos gibt es klare Regeln, Vorfahrt, Geschwindigkeitsbegrenzungen, Pflichtversicherungen. Bei Fahrrädern ist vieles Grauzone. Wer haftet, wenn zwei Radfahrer zusammenstoßen? Was, wenn ein Fußgänger plötzlich auf den Radweg tritt? Oder wenn ein Kind mit dem Rad auf dem Gehweg fährt und einen Schaden verursacht?

Kinder bis acht Jahre müssen auf dem Gehweg fahren, bis zehn Jahre dürfen sie es. Das wissen viele nicht. Und was auch viele nicht wissen: Wenn das Kind auf dem Gehweg einen Fußgänger anfährt, greift oft keine Versicherung. Kinder unter sieben sind deliktunfähig, die Eltern haften nur bei Verletzung der Aufsichtspflicht. Der Geschädigte bleibt dann oft auf seinem Schaden sitzen.

Deshalb gibt es immer mehr Familien, die eine spezielle Familienhaftpflicht mit Kinderklausel abschließen. Die zahlt auch dann, wenn das deliktunfähige Kind einen Schaden verursacht und die Eltern rechtlich nicht haften müssten. Das erhält den Familienfrieden in der Nachbarschaft.

Apropos Nachbarschaft: Nach meinem Fahrrad-Fiasko habe ich mal in unserer WhatsApp-Nachbarschaftsgruppe gefragt, wer ähnliche Erfahrungen gemacht hat. Die Resonanz war erstaunlich. Fast jeder hatte eine Geschichte. Umgefallene Räder, rollende Einkaufswagen, vom Wind verwehte Mülltonnen. Ein Nachbar erzählte, sein Sonnenschirm sei mal über drei Gärten geflogen und in einem Pool gelandet. „Zum Glück war niemand drin", meinte er.

Diese kleinen Alltagskatastrophen verbinden uns irgendwie. Man merkt: Jedem kann sowas passieren. Niemand ist perfekt, Unfälle gehören zum Leben. Wichtig ist nur, wie man damit umgeht. Verantwortung übernehmen, sich entschuldigen, den Schaden regulieren. Mehr kann man nicht tun.

Was mich auch nachdenklich gemacht hat: Wie abhängig wir von Versicherungen sind. Ohne meine Haftpflicht hätte ich die 1.800 Euro selbst zahlen müssen. Das hätte wehgetan. Sehr sogar. Aber was ist mit Leuten, die sich keine Versicherung leisten können? Oder die vergessen haben, eine abzuschließen?

In manchen Ländern gibt es eine Pflicht zur Haftpflichtversicherung, in Deutschland nicht. Das wird immer wieder diskutiert. Die Befürworter sagen: Es schützt die Opfer von Schäden. Die Gegner meinen: Es ist ein Eingriff in die persönliche Freiheit. Schwieriges Thema.

Letztendlich war die ganze Sache für mich eine Lehre in Demut. Man kann noch so vorsichtig sein – manchmal reicht ein Windstoß, und schon hat man ein Problem. Das Leben ist unberechenbar. Man kann sich absichern, vorsichtig sein, aufpassen. Aber eine Garantie gibt's nicht.

Herr Weber hat mir übrigens später noch eine Nachricht geschickt. Sein Auto war repariert, alles gut. „Und wissen Sie was", schrieb er, „der Werkstattmeister hat mir erzählt, dass letzte Woche jemand mit einem Fahrrad in seine Werkstatttür gefahren ist. Scheint gerade Fahrradsaison zu sein." Mit einem Zwinkersmiley.

Ich musste lachen. Manchmal hilft Humor, um mit den kleinen Katastrophen des Alltags umzugehen. Und die Erkenntnis, dass man nicht allein ist mit seinen Missgeschicken. Irgendwo kippt gerade ein anderes Fahrrad um, rollt ein Einkaufswagen weg, fliegt ein Sonnenschirm davon. So ist das Leben. Chaotisch, unberechenbar, manchmal teuer. Aber auch irgendwie menschlich.

Seitdem fahre ich übrigens öfter mit dem Bus zum Einkaufen. Ist entspannter. Und billiger, wenn man die versteckten Kosten von Fahrradpannen mitrechnet. Meine Frau lacht mich aus. „Wegen einmal Pech gibst du auf?" Nein, aufgeben nicht. Aber eine kleine Pause tut gut. Bis die Erinnerung an den BMW-Kratzer verblasst ist. Und bis ich wieder vergessen habe, wie sich das anfühlt, wenn man vor einem beschädigten Auto steht und weiß: Das war ich.

Aber eines habe ich gelernt: Das nächste Mal, wenn ich mein Rad abstelle, wackle ich erst am Ständer. Und parke nicht neben teuren Autos. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Oder in meinem Fall: die Mutter des unbeschädigten BMW.