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Versicherungen & Recht

Der große Zahnzusatz-Schwindel: Was wir erst nach der ersten Rechnung begriffen

by Winterberg 2025. 11. 18.

Als uns die Zahnversicherung die Zähne zeigte

Gestern hat Markus beim Aufräumen wieder diese alte Mappe gefunden. "Schau mal", sagte er und wedelte mit einem Stapel ausgedruckter Screenshots herum. "Unsere Beweissammlung von damals." Ich musste schmunzeln. Damals – das war vor drei Jahren, als wir dachten, wir hätten den Deal des Jahrhunderts gemacht. Eine Zahnzusatzversicherung für 9,99 Euro im Monat, die angeblich "alles abdeckt". Spoiler: Tat sie nicht.

Es fing alles ganz harmlos an. Ich scrollte abends durchs Internet, eigentlich auf der Suche nach einem Rezept für Zitronenkuchen. Wie das so ist mit diesen Werbeanzeigen – plötzlich poppte da was auf: "Nie wieder Angst vor Zahnarztkosten! Vollschutz für unter 10 Euro!" Das Lächeln auf dem Foto war strahlend weiß, perfekt, vertrauenerweckend.

Markus saß neben mir auf dem Sofa. "Zeig mal", meinte er. Die Website sah professionell aus. Große blaue Buttons, viele Häkchen bei den Leistungen, zufriedene Kundenstimmen. "100% Kostenübernahme bei Zahnersatz" stand da in fetten Lettern. Darunter: "Keine Wartezeiten, keine Gesundheitsfragen."

Wir waren gerade beide beim Zahnarzt gewesen. Kontrolluntersuchung, nichts Dramatisches. Aber die Ärztin hatte bei mir gemeint, dass da hinten links eine Krone fällig werden könnte. "In ein, zwei Jahren vielleicht." Bei Markus war's ähnlich. Und Kronen sind teuer. Richtig teuer.

"Lass uns das mal durchrechnen", sagte Markus. Er holte seinen Taschenrechner. Typisch Ingenieur. "9,99 mal 12, das sind 120 Euro im Jahr. Eine Krone kostet mindestens 800 Euro Eigenanteil. Wenn die alles zahlen, haben wir das nach einer Behandlung schon wieder raus."

Klang logisch. Zu logisch, im Nachhinein betrachtet.

Ich klickte mich durch die Website. Überall diese Versprechen. "Voller Schutz vom ersten Tag", "Keine versteckten Kosten", "Einfach online abschließen". Es gab sogar einen Rechner, wo man eingeben konnte, was man sparen würde. Bei einer Krone: 800 Euro. Bei einem Implantat: 2000 Euro. Die Zahlen leuchteten grün auf dem Bildschirm.

"Warte mal", sagte ich. "Wo ist denn das Kleingedruckte?" Markus suchte mit. Ganz unten auf der Seite, winzig klein, ein Link: "Versicherungsbedingungen". 47 Seiten PDF. "Das lesen wir morgen", meinte Markus. Es war schon spät.

Hätten wir's mal gleich gelesen.

Am nächsten Tag war ich beim Sport, Markus hat den Vertrag abgeschlossen. Online, ging ganz schnell. "Hab alles ausgefüllt", sagte er stolz, als ich nach Hause kam. "Die Police kommt per E-Mail."

Die kam auch. Mit einer automatischen Mail: "Herzlichen Glückwunsch! Sie sind jetzt rundum geschützt!" Rundum. Dieses Wort sollte uns noch lange verfolgen.

Drei Monate später war es dann soweit. Der Backenzahn links, der schon länger gezickt hatte, brauchte tatsächlich eine Krone. Meine Zahnärztin machte einen Kostenvoranschlag: 950 Euro, davon übernimmt die Krankenkasse 380 Euro. Bleiben 570 Euro Eigenanteil.

"Kein Problem", sagte ich. "Wir haben ja jetzt die Zusatzversicherung."

Ich schickte den Kostenvoranschlag ein. Per App, ganz modern. Zwei Tage später kam die Antwort. Ich erinnere mich noch genau, wie ich die E-Mail öffnete, schon innerlich das gesparte Geld zählend.

"Sehr geehrte Frau Weber, leider können wir die Kosten für Ihre geplante Behandlung nicht übernehmen. Grund: Die Behandlungsnotwendigkeit bestand bereits vor Vertragsabschluss."

Wie bitte?

Ich las die Mail dreimal. Dann rief ich Markus an. "Die zahlen nicht. Die sagen, das Problem bestand schon vorher."

"Das kann nicht sein", meinte er. "Da stand doch: keine Wartezeiten, keine Gesundheitsfragen."

Abends saßen wir zusammen und lasen – endlich – die Versicherungsbedingungen. Auf Seite 23, Absatz 4, Unterpunkt c stand es: "Nicht versichert sind Behandlungen für Schäden, die bei Vertragsabschluss bereits bekannt waren oder bei denen eine Behandlung bereits angeraten oder geplant war."

"Aber das stand nicht in der Werbung", sagte ich.

Markus war schon wieder auf der Website. Tatsächlich, da stand immer noch "Keine Wartezeiten". Aber wenn man genau hinschaute, war da ein kleines Sternchen. Das Sternchen führte zu einer Fußnote, die man nur sah, wenn man ganz nach unten scrollte: "*gilt nicht für bereits angeratene Behandlungen."

"Das ist doch Betrug", schimpfte ich.

"Rechtlich wahrscheinlich nicht", meinte Markus. "Moralisch? Definitiv."

Wir recherchierten. Und je mehr wir lasen, desto klarer wurde das Bild. Wir waren nicht die Einzigen. In Internetforen fanden wir hunderte ähnliche Geschichten. Menschen, die dachten, sie wären abgesichert, und dann kam die böse Überraschung.

Eine Frau schrieb, sie hätte extra nachgefragt, ob ihre Parodontose-Behandlung übernommen würde. "Selbstverständlich", hieß es am Telefon. Schriftlich wollte ihr das niemand geben. Als sie die Rechnung einreichte: Ablehnung. Parodontose sei eine Vorerkrankung.

Ein Mann berichtete von seiner Implantat-Geschichte. In der Werbung hieß es "100% Erstattung für Implantate". Im Kleingedruckten: maximal 500 Euro im ersten Jahr, 1000 Euro im zweiten. Ein Implantat kostet aber 3000 Euro aufwärts.

Markus fand einen interessanten Artikel von einem Juristen. Der erklärte das System dahinter. Online-Werbung für Versicherungen bewegt sich oft in einer rechtlichen Grauzone. Solange irgendwo – und sei es noch so versteckt – die Einschränkungen erwähnt werden, ist es schwer, dagegen vorzugehen. Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, kurz UWG, verbietet zwar irreführende Werbung. Aber was genau ist irreführend?

Der Jurist schrieb, dass Gerichte da unterschiedlich urteilen. Manche sagen: Wenn die wichtigsten Einschränkungen nur im Kleingedruckten stehen, ist das irreführend. Andere meinen: Der Verbraucher muss sich eben informieren.

Interessant war auch, was er über die Psychologie dahinter schrieb. Online-Werbung nutzt gezielt psychologische Trigger. Zeitdruck ("Nur heute 20% Rabatt"), soziale Bewährtheit ("Schon 100.000 zufriedene Kunden"), Verlustaversion ("Schützen Sie sich vor hohen Kosten"). Unser Gehirn ist darauf programmiert, auf solche Signale zu reagieren. Rational denken? Fehlanzeige.

Meine Freundin Sarah, die in der Marketing-Branche arbeitet, erklärte mir das mal genauer. "Dark Patterns" nennt man diese Tricks. Websites werden so gestaltet, dass Nutzer zu bestimmten Handlungen gedrängt werden. Der große grüne "Jetzt abschließen"-Button, während der Link zu den Bedingungen grau und winzig ist. Pop-ups, die einen drängen. Countdown-Timer, die Stress erzeugen.

"Das ist alles psychologisch optimiert", sagte sie. "A/B-Tests, Eye-Tracking, Conversion-Optimierung. Die wissen genau, wo sie was platzieren müssen, damit ihr klickt."

In Skandinavien, erzählte sie, seien die Regeln strenger. Da muss alles Wesentliche direkt sichtbar sein. Keine versteckten Kosten, keine Sternchen-Akrobatik. Bei uns? "Selbstregulierung der Wirtschaft", wie es so schön heißt.

Wir beschlossen, uns zu wehren. Erstmal Widerspruch bei der Versicherung. Markus formulierte das sehr juristisch. Er argumentierte, dass die Werbung irreführend sei, dass wesentliche Einschränkungen verschwiegen würden, dass wir getäuscht worden seien.

Die Antwort kam prompt. Standardbrief. Man bedauere, aber die Bedingungen seien eindeutig, wir hätten diese akzeptiert, kein Anspruch.

Nächster Schritt: Verbraucherzentrale. Die Beratung kostete 30 Euro, war aber ihr Geld wert. Der Berater – Herr Schmidt, Mitte 50, Typ Lehrer kurz vor der Pension – kannte das Problem.

"Wir haben stapelweise solche Fälle", sagte er. "Gerade bei Zahnzusatzversicherungen ist das ein Riesenproblem." Er erklärte uns, dass viele dieser Online-Versicherungen mit Kampfpreisen locken, aber dann über Ausschlüsse ihr Geld sparen. "Die kalkulieren damit, dass sie die meisten Leistungen nicht zahlen müssen."

Er zeigte uns Statistiken. 40% aller Leistungsanträge bei Zahnzusatzversicherungen werden abgelehnt. Bei Online-Direktversicherern sogar über 50%. Die Gründe: Vorerkrankungen, nicht erfüllte Wartezeiten, Überschreitung von Höchstgrenzen, fehlende Dokumentation.

"Können wir klagen?", fragte Markus.

Herr Schmidt wiegte den Kopf. "Können schon. Aber lohnt es sich? Bei 570 Euro Streitwert?" Er rechnete vor: Anwaltskosten, Gerichtskosten, und wenn man verliert, zahlt man auch noch die Gegenseite. Schnell ist man bei 2000 Euro. Für 570 Euro Erstattung.

Er empfahl uns, es bei der BaFin zu melden. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. "Die sammeln Beschwerden. Wenn genug zusammenkommen, prüfen die den Anbieter."

Also schrieben wir an die BaFin. Wieder hat Markus das formuliert, sehr sachlich, mit allen Belegen. Screenshots von der Werbung – gut, dass wir die gemacht hatten. Die E-Mail-Bestätigung. Die Ablehnung. Alles.

Parallel dazu kündigten wir die Versicherung. Fristgerecht, per Einschreiben. Die Kündigung wurde bestätigt, allerdings mit dem Hinweis, dass wir die Beiträge bis zum Vertragsende weiterzahlen müssten. Noch drei Monate. 30 Euro für nichts.

Die BaFin antwortete nach sechs Wochen. Sehr förmlich. Man habe die Beschwerde zur Kenntnis genommen, werde diese in die Marktbeobachtung einbeziehen, könne aber im Einzelfall nicht tätig werden. Übersetzung: Danke für die Info, wir tun nichts.

Frustrierend? Ja. Aber dann passierten zwei interessante Dinge.

Erstens: Markus fand im Internet ein Forum, wo sich Betroffene organisierten. Ein Anwalt aus Hamburg sammelte Fälle für eine Musterfeststellungsklage. Wenn genug Leute mitmachen, könnte er stellvertretend für alle klagen. Wir haben uns angemeldet. Mal sehen, was draus wird.

Zweitens: Drei Monate nach unserer BaFin-Beschwerde änderte die Versicherung ihre Website. Die großen Versprechen waren immer noch da, aber die Einschränkungen deutlich sichtbarer. Zufall? Vielleicht.

Unsere Nachbarin, die bei einer Versicherung arbeitet – nicht bei der, um die es hier geht – erklärte uns mal die andere Seite. "Wisst ihr, wie viel Betrug es gibt?", fragte sie. Menschen, die Versicherungen abschließen, wenn sie schon wissen, dass eine teure Behandlung ansteht. Die beim Zahnarzt waren, Kostenvoranschlag bekommen haben, und dann schnell noch eine Versicherung suchen.

"Aber wir wussten doch gar nicht sicher, dass die Krone nötig wird", protestierte ich.

"Ich weiß", sagte sie. "Ihr seid die Ehrlichen, die darunter leiden. Aber die Versicherungen können nicht unterscheiden zwischen euch und denen, die das System ausnutzen wollen."

Das ist wohl das Dilemma. Auf beiden Seiten wird getrickst. Die Versicherungen mit ihrer Werbung, die Kunden mit falschen Angaben. Und die Ehrlichen? Stehen dazwischen.

Markus hat übrigens eine interessante Theorie entwickelt. Er sagt, das Problem sei das Internet selbst. Früher, beim Versicherungsvertreter vor Ort, hätte der einem erklärt, was geht und was nicht. Man hätte nachfragen können, hätte ein Gesicht vor sich gehabt, jemanden, der zur Rechenschaft gezogen werden könnte.

Online? Da optimiert ein Algorithmus die Verkaufsstrecke. Da testet künstliche Intelligenz, welche Formulierung mehr Abschlüsse bringt. Da ist alles auf schnellen Klick ausgelegt, nicht auf Verstehen.

Meine Kollegin aus der IT-Abteilung bestätigte das. Sie hatte mal ein Praktikum bei einem Insurtech-Startup gemacht. "Die tracken alles", erzählte sie. "Wie lange du auf welcher Seite bist, wo deine Maus hinwandert, an welcher Stelle du abbrichst." Dann wird optimiert. Nicht für Klarheit, sondern für Conversion. Wie viele Leute schließen ab.

"Und die Mitarbeiter?", fragte ich.

"Welche Mitarbeiter? Das läuft alles automatisch. Chatbot für Fragen, KI für die Anträge, Algorithmus für die Leistungsprüfung. Menschen kommen erst ins Spiel, wenn jemand sich beschwert."

Gruselig, oder?

Letzte Woche hatte ich wieder Zahnarzt. Die Krone musste gemacht werden, ging nicht mehr anders. 570 Euro Eigenanteil, wie angekündigt. Wir haben's bezahlt. Aus eigener Tasche.

"Wenigstens haben wir was gelernt", meinte Markus, als wir die Rechnung bekamen.

Stimmt. Wir haben gelernt, dass man immer – wirklich immer – das Kleingedruckte lesen muss. Vor dem Abschluss, nicht danach. Dass man Screenshots machen sollte von allem, was wichtig erscheint. Dass "keine Wartezeit" nicht heißt "keine Einschränkungen". Dass 100% selten wirklich 100% sind.

Wir haben auch eine neue Zahnzusatzversicherung. Diesmal richtig recherchiert. Stiftung Warentest gelesen, Bedingungen studiert, bei Unklarheiten nachgefragt. Schriftlich. Die ist teurer, 24 Euro im Monat. Aber sie zahlt wirklich. Das haben wir schriftlich.

Neulich beim Grillen erzählten wir die Geschichte. Fast jeder hatte was Ähnliches erlebt. Handyverträge mit versteckten Kosten. Fitnessstudios, die nicht kündbar waren. Stromtarife mit Lockangeboten und bösen Überraschungen.

Mein Schwager, der Jurist ist, meinte: "Das Problem ist, dass die Rechtsprechung hinterherhinkt. Die Gesetze stammen aus einer Zeit, als Verträge noch auf Papier geschlossen wurden. Mit Bedenkzeit, mit Beratung. Online ist alles anders. Schneller, aber auch undurchsichtiger."

Er erzählte von einem Fall am Europäischen Gerichtshof. Da ging es um vorausgefüllte Häkchen bei Online-Bestellungen. Du weißt schon, diese "Ja, ich möchte den Newsletter"-Kästchen, die schon angekreuzt sind. Der EuGH hat entschieden: Das ist unzulässig. Der Kunde muss aktiv zustimmen.

"Aber bis so was durchgesetzt wird, vergehen Jahre", fügte er hinzu. "Und die Unternehmen finden immer neue Tricks."

Stimmt wohl. Letztens sah ich eine Werbung: "Vollkasko für Ihr Lächeln – ab 7,99!" Ich musste lachen. Bitter lachen. Vollkasko. Als ob.

Markus hat mittlerweile eine Excel-Tabelle. Da trägt er alle unsere Versicherungen ein. Was sie kosten, was sie leisten, wo die Haken sind. "Never again", sagt er.

Ob's hilft? Wer weiß. Die nächste verlockende Werbung kommt bestimmt. Der nächste "unschlagbare Deal". Die nächste "einmalige Gelegenheit".

Aber wir sind vorbereitet. Screenshots-Ordner angelegt. Bedingungen-Lesebrille bereit. Skeptisches Grundrauschen eingeschaltet.

Und wenn uns nochmal jemand "Rundum-Schutz" verspricht? Dann fragen wir: "Rundum was genau? Und wo steht das? Und können Sie das schriftlich bestätigen?"

Die 570 Euro für die Krone haben wir übrigens von der Steuer abgesetzt. Außergewöhnliche Belastung. Hat geklappt. Immerhin 140 Euro zurückbekommen. Nicht viel, aber besser als nichts.

Die Moral von der Geschichte? Trau keiner Werbung, die zu gut klingt. Lies das Kleingedruckte, bevor du unterschreibst. Mach Screenshots von allem. Und wenn's schiefgeht: Wehr dich. Auch wenn's mühsam ist.

Ach ja, die Musterfeststellungsklage läuft noch. Der Anwalt ist optimistisch. Es haben sich über 500 Betroffene gemeldet. Das Gericht prüft gerade die Zulässigkeit. Kann noch dauern, meinte er. Ein, zwei Jahre vielleicht.

Aber hey, wenn am Ende die Versicherung zahlen muss und ihre Werbung ändern muss? Dann hat sich's gelohnt. Nicht nur für uns. Für alle, die nach uns kommen.

Bis dahin? Zahlen wir unsere Zahnarztrechnungen selbst. Und unsere neue, teurere, aber ehrlichere Versicherung. Die übrigens tatsächlich gezahlt hat, als Markus seine Füllung brauchte. 180 Euro, komplett übernommen. Ohne Drama, ohne Ausreden.

So soll's sein. Eigentlich.

Übrigens, falls du auch gerade überlegst, eine Versicherung online abzuschließen: Nimm dir Zeit. Lies alles. Frag nach, wenn was unklar ist. Und trau keinem Countdown-Timer. Der läuft morgen wieder von vorne.