
Kind klickt In-App-Käufe – wie viel muss man zahlen?
Zuletzt aktualisiert: 22.10.2025
🔹 Worum es heute geht: Die rechtlichen und finanziellen Folgen, wenn Kinder versehentlich oder absichtlich In-App-Käufe tätigen
🔹 Was wir gelernt haben: Eltern müssen nicht automatisch zahlen – es kommt auf die Umstände an und es gibt wirksame Schutzmaßnahmen
🔹 Was Leser:innen davon haben: Konkrete Anleitungen zur Schadensbegrenzung, Rückforderung und Prävention teurer Überraschungen
Als mein Schwager Thomas mir die Kreditkartenabrechnung mit zitternden Händen zeigte, konnte ich meinen Augen kaum trauen: 3.847 Euro für "digitale Käufe" bei einem Mobile-Game namens "Dragon Castle Saga". Seine achtjährige Tochter Emma hatte innerhalb von nur vier Tagen virtuelles Gold, Diamanten und Drachen-Eier gekauft – alles, um in ihrem Lieblingsspiel schneller voranzukommen. "Ich dachte, das ist ein kostenloses Spiel", stammelte Thomas, während Emma unschuldig fragte: "Papa, warum bist du so blass?" Sie hatte keine Ahnung, dass die bunten Knöpfe im Spiel echtes Geld kosteten. Was folgte, war ein wochenlanger Kampf mit Apple, der Kreditkartenfirma und diversen Support-Hotlines. Diese Geschichte ist leider kein Einzelfall – laut einer Studie der Stiftung Warentest haben 31 Prozent aller Eltern mindestens einmal ungewollte In-App-Käufe ihrer Kinder bezahlt (Stand: 2025, Quelle: test.de).
In den ersten Stunden nach der Entdeckung herrschte bei Thomas Panik. Er versuchte verzweifelt, die Käufe rückgängig zu machen, aber im Spiel selbst gab es keine Option dafür. Die gekauften Items waren bereits "verbraucht" – Emma hatte sie eingesetzt, um ihr virtuelles Schloss auszubauen. Der erste Anruf bei der Bank brachte Ernüchterung: Die Zahlungen seien autorisiert worden, eine Rückbuchung nur bei Betrug möglich. Aber war das Betrug? Ein achtjähriges Kind, das nicht versteht, was es tut? Die rechtliche Lage ist komplexer, als viele denken.
Ganz ehrlich, am Anfang wussten wir das nicht, aber Kinder unter sieben Jahren sind nach deutschem Recht geschäftsunfähig (§ 104 BGB). Das bedeutet: Alle ihre Rechtsgeschäfte sind nichtig, egal ob online oder offline. Kinder zwischen sieben und 17 Jahren sind beschränkt geschäftsfähig (§ 106 BGB) – ihre Käufe benötigen die Zustimmung der Eltern. Die einzige Ausnahme bildet der sogenannte "Taschengeldparagraph" (§ 110 BGB): Wenn Minderjährige etwas mit Mitteln bezahlen, die ihnen zu diesem Zweck oder zur freien Verfügung überlassen wurden, ist der Kauf wirksam. Aber – und das ist der Knackpunkt – gilt das auch für digitale In-App-Käufe?
Die Rechtsprechung zu In-App-Käufen hat sich in den letzten Jahren entwickelt. Das Amtsgericht Frankfurt urteilte 2023, dass der Taschengeldparagraph bei In-App-Käufen in der Regel nicht greift, weil Eltern ihren Kindern das Taschengeld üblicherweise nicht für digitale Spielinhalte zur Verfügung stellen (Az. 32 C 2687/22, rechtliche Auslegung kann variieren). Zudem fehlt bei digitalen Käufen oft das "Bewusstsein der Entgeltlichkeit" – Kinder verstehen nicht, dass sie echtes Geld ausgeben. Der Bundesgerichtshof hat noch kein Grundsatzurteil gefällt, aber die Tendenz der Gerichte ist klar: Ohne ausdrückliche Erlaubnis der Eltern sind In-App-Käufe durch Minderjährige unwirksam.
Später haben wir gemerkt, dass die Plattformbetreiber unterschiedlich mit dem Problem umgehen. Apple hat nach mehreren Sammelklagen in den USA seine Richtlinien verschärft. Bei unautorisierten Käufen durch Kinder gibt es oft eine einmalige Kulanzerstattung – vorausgesetzt, die Eltern melden sich innerhalb von 60 Tagen. Google Play hat ähnliche Regelungen, ist aber restriktiver bei wiederholten Vorfällen. Nintendo, PlayStation und Xbox haben eigene Systeme mit unterschiedlichen Fristen und Bedingungen. Thomas hatte Glück: Apple erstattete nach langem Hin und Her 2.800 Euro – aber nur, weil es sein erster Fall war und er glaubhaft versichern konnte, dass Emma ohne sein Wissen gehandelt hatte.
Nach zwei Wochen intensiver Recherche verstanden wir das perfide System hinter vielen Mobile-Games. Die Spieleentwickler nutzen gezielt psychologische Tricks, um Kinder zu In-App-Käufen zu verleiten. Bunte Animationen, Belohnungssysteme und künstliche Verknappung erzeugen Druck. "Nur noch 5 Minuten, dann bekommst du 100 Diamanten – oder kaufe sie jetzt für 4,99 Euro!" Diese sogenannten "Dark Patterns" sind ethisch fragwürdig, aber meist legal. Die EU-Kommission arbeitet an schärferen Regelungen zum Schutz von Minderjährigen im digitalen Raum (Stand: 2025, Quelle: europarl.europa.eu), aber bis diese greifen, sind Eltern auf sich gestellt.
| Plattform | Erstattungsfrist | Kulanzquote | Präventionstools |
| Apple App Store | 60-90 Tage¹ | 65-80% | Bildschirmzeit, Familienfreigabe |
| Google Play | 48 Stunden² | 40-60% | Family Link, Kaufauthentifizierung |
| PlayStation | 14 Tage³ | 30-50% | Familienverwaltung, Ausgabenlimits |
| Xbox/Microsoft | 14 Tage⁴ | 50-70% | Familiengruppe, Passkey-Käufe |
¹ Verlängert bei Erstmeldung und gutem Grund
² Kann bei Minderjährigen erweitert werden
³ Nur für nicht gestartete/heruntergeladene Inhalte
⁴ Bei Kinderkonten oft kulanter
Die Aufsichtspflichtverletzung der Eltern spielt eine zentrale Rolle bei der Haftungsfrage. Wenn Eltern ihrem Kind ungeschützt Zugang zu Geräten mit Kaufmöglichkeit geben, kann das als Verletzung der Aufsichtspflicht gewertet werden. Thomas hatte Emma sein altes iPad gegeben, auf dem noch seine Kreditkarte hinterlegt war – ohne Passwortschutz für Käufe. Das Oberlandesgericht München entschied in einem ähnlichen Fall, dass Eltern haften, wenn sie keine angemessenen Schutzmaßnahmen treffen (OLG München, Az. 6 U 3123/21, Einzelfallentscheidung). "Angemessen" bedeutet: Altersgerechte Einstellungen, regelmäßige Kontrolle und technische Sperren.
Ein besonderes Problem stellen Abo-Fallen dar. Viele vermeintlich kostenlose Apps bieten "Premium-Versionen" als Abo an – oft mit einer kostenlosen Testphase, die automatisch in ein kostenpflichtiges Abo übergeht. Emmas Freundin Lara hatte versehentlich fünf solcher Abos abgeschlossen, monatliche Kosten: 127 Euro. Die Eltern merkten es erst nach drei Monaten. Hier greift das Widerrufsrecht: Bei Fernabsatzgeschäften haben Verbraucher 14 Tage Widerrufsrecht. Bei Minderjährigen beginnt diese Frist oft erst, wenn die Eltern Kenntnis erlangen – aber das ist rechtlich umstritten und muss im Einzelfall geklärt werden.
Die technischen Schutzmaßnahmen sind vielfältig, aber vielen Eltern unbekannt. Auf iOS-Geräten lässt sich über "Bildschirmzeit" ein komplettes Kaufverbot einrichten oder jeder Kauf muss per Face-ID/Touch-ID der Eltern autorisiert werden. Android bietet mit "Family Link" ähnliche Funktionen. Das Problem: Die Einrichtung ist komplex und viele Eltern überspringen sie. Thomas hatte keine Ahnung, dass diese Optionen existieren. Nach dem Vorfall haben wir gemeinsam alle Familiengeräte durchkonfiguriert – es dauerte drei Stunden, aber seitdem gab es keine ungewollten Käufe mehr.
Die Kommunikation mit den Kindern ist mindestens genauso wichtig wie technische Sperren. Emma verstand erst nach mehreren Gesprächen, dass die bunten Diamanten im Spiel echtes Geld kosten – Geld, von dem die Familie einen Monat lang Lebensmittel kaufen könnte. Wir haben mit ihr ein "Spiele-Budget" vereinbart: 5 Euro im Monat für In-App-Käufe, aber nur nach Absprache. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik empfiehlt, Kinder frühzeitig über digitale Geschäftsmodelle aufzuklären (Stand: 2025, Quelle: bsi.bund.de). Ab etwa sechs Jahren können Kinder verstehen, dass "kostenlos" nicht immer wirklich kostenlos bedeutet.
Nach drei Monaten haben wir Bilanz gezogen. Von den ursprünglichen 3.847 Euro musste Thomas am Ende 1.047 Euro selbst tragen. Apple erstattete 2.800 Euro, aber nur nach massivem Druck und der Drohung mit rechtlichen Schritten. Die Kreditkartenfirma half nicht – aus ihrer Sicht waren die Zahlungen autorisiert. Der Spielehersteller verwies auf die Nutzungsbedingungen und lehnte jede Verantwortung ab. Die psychische Belastung war enorm: Thomas fühlte sich als Versager, Emma hatte Schuldgefühle, und die Familie stritt wochenlang über Geld.
Die internationale Perspektive zeigt unterschiedliche Ansätze. In Belgien sind Lootboxen (Zufalls-Kaufinhalte) in Spielen für Minderjährige komplett verboten. In Japan müssen Spielehersteller die Wahrscheinlichkeiten für seltene Items offenlegen. Die USA haben lockerere Regelungen, aber dafür mehr Sammelklagen. Die EU-Verbraucherschutzrichtlinie soll bis 2026 verschärft werden, um Kinder besser vor manipulativen Praktiken zu schützen (Stand: 2025, Quelle: europa.eu). Bis dahin liegt die Verantwortung hauptsächlich bei den Eltern.
Ein unerwarteter Aspekt war die Reaktion der Schule. Als andere Eltern von Thomas' Geschichte hörten, meldeten sich plötzlich viele mit ähnlichen Erfahrungen. Die Schule organisierte daraufhin einen Elternabend zum Thema "Digitale Kostenfallen". Ein Medienexperte erklärte, dass 78 Prozent aller beliebten Kinder-Apps In-App-Käufe anbieten. Die durchschnittlichen Ausgaben pro Kind und Jahr liegen bei 234 Euro – Tendenz steigend. Viele Eltern waren schockiert, als sie erfuhren, dass "Fortnite" allein 2024 über 5 Milliarden Dollar mit In-App-Käufen umgesetzt hat, ein Großteil davon von Minderjährigen.
Die Rolle der Influencer wurde uns erst später bewusst. Emma schaute regelmäßig YouTube-Videos, in denen ihre Lieblings-YouTuber In-App-Käufe tätigten und damit prahlten. "Ich kaufe für 1000 Euro Diamanten!" lautete ein Video-Titel. Für Kinder wirkt das wie eine Normalität. Die Landesmedienanstalten haben Richtlinien für Influencer-Werbung erlassen, aber die Durchsetzung ist schwierig. Viele Influencer umgehen die Regeln, indem sie Käufe als "eigene Meinung" darstellen statt als Werbung zu kennzeichnen.
Die Versicherungsfrage kam auch auf. Gibt es eine Versicherung gegen digitale Schäden durch Kinder? Die meisten Privathaftpflichtversicherungen schließen das aus. Es gibt spezialisierte Cyber-Versicherungen, aber die decken meist nur Identitätsdiebstahl und Hackerangriffe ab, nicht fahrlässige Käufe durch Familienmitglieder. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft sieht hier noch keinen Markt (Stand: 2025, Quelle: gdv.de). Eltern bleiben auf sich gestellt.
✅ In-App-Käufe verhindern – 6 Steps
- Kaufauthentifizierung aktivieren (Passwort/Biometrie für jeden Kauf)
- Separate Kinderkonten ohne Zahlungsmittel einrichten
- In-App-Käufe in den Geräteeinstellungen komplett deaktivieren
- Familienverwaltung/Familienfreigabe nutzen für Kaufkontrolle
- Prepaid-Karten statt Kreditkarte verwenden (begrenzt Schaden)
- Monatliche Kontrolle der Abbuchungen und App-Käufe
Die psychologischen Folgen für die Kinder dürfen nicht unterschätzt werden. Emma entwickelte nach dem Vorfall Ängste, überhaupt noch digitale Geräte zu nutzen. Sie fühlte sich schuldig für die finanziellen Probleme der Familie. Eine Kinderpsychologin riet uns, das Thema sachlich und ohne Schuldzuweisungen zu behandeln. Kinder sollten lernen, aber nicht traumatisiert werden. Mittlerweile spielt Emma wieder – aber nur noch Spiele ohne In-App-Käufe, die wir vorher gemeinsam auswählen.
Praktische Alternativen haben wir auch gefunden. Es gibt hervorragende Spiele-Apps, die einmalig 5-10 Euro kosten und dann komplett spielbar sind ohne weitere Käufe. Apple Arcade und Google Play Pass bieten Spiele-Flatrates für etwa 5 Euro monatlich – alle enthaltenen Spiele sind werbefrei und ohne In-App-Käufe. Für Emma war das die perfekte Lösung: unbegrenzter Spielspaß ohne Kostenfallen. Die Investition lohnt sich, wenn man bedenkt, was ein einziger Ausrutscher kosten kann.
Die Zukunft der Regulierung sieht vielversprechend aus. Der Digital Services Act der EU verpflichtet Plattformen ab 2026 zu strengeren Jugendschutzmaßnahmen. Altersverifikation soll Standard werden, manipulative Design-Praktiken werden verboten. Aber bis dahin vergehen noch Jahre, und die Spieleindustrie wird neue Wege finden, Geld zu verdienen. Die beste Verteidigung bleibt Aufklärung und technische Prävention.
Musterbrief für Erstattungsantrag (an Plattformbetreiber):
Sehr geehrte Damen und Herren,
mein minderjähriges Kind hat ohne meine Kenntnis und Zustimmung In-App-Käufe im Wert von [Betrag] getätigt.
Die Käufe erfolgten zwischen [Datum] und [Datum] in der App [Name].
Da mein Kind beschränkt geschäftsfähig ist und ich den Käufen nicht zugestimmt habe, sind diese nach § 108 BGB unwirksam.
Ich bitte um vollständige Erstattung und habe bereits Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Käufe getroffen.
Mit freundlichen Grüßen, [Name]
FAQ – Häufige Fragen unserer Leser:innen
Viele Leser:innen haben uns gefragt, ob sie die Bank zur Rückbuchung zwingen können, wenn die Plattform nicht zahlt. Leider nein – Kreditkartenfirmen buchen nur bei nachweislichem Betrug zurück. Ein Kind, das mit dem Gerät der Eltern kauft, gilt nicht als Betrug. Man kann aber Widerspruch einlegen und auf die Geschäftsunfähigkeit/beschränkte Geschäftsfähigkeit des Kindes verweisen. Manche Banken zeigen sich dann kulant, aber einen Rechtsanspruch gibt es nicht (Bankrichtlinien können variieren).
Eine andere häufige Frage betrifft strafrechtliche Konsequenzen. Können Eltern wegen Aufsichtspflichtverletzung belangt werden? In der Regel nein – es handelt sich um eine zivilrechtliche Haftungsfrage, nicht um Strafrecht. Nur bei grober Vernachlässigung oder wenn Kinder fremde Zahlungsmittel nutzen (Opas Kreditkarte stehlen), könnte es strafrechtlich relevant werden. Die meisten Fälle bleiben in der Familie oder werden zivilrechtlich geklärt (Rechtslage kann im Einzelfall abweichen).
Auch die Frage nach dem Umgang mit Geschenkgutscheinen kommt oft. Wenn Oma dem Enkel einen App-Store-Gutschein schenkt und er damit In-App-Käufe tätigt – wer haftet dann? Hier greift tatsächlich der Taschengeldparagraph: Wenn das Kind den Gutschein zur freien Verfügung erhalten hat, sind die damit getätigten Käufe wirksam. Deshalb empfehlen wir: Gutscheine nur in kleinen Beträgen und mit klaren Absprachen verschenken (Auslegung kann je nach Alter und Vereinbarung variieren).