
Wenn die Bassbox durchs Regal vibriert
Es war ein Samstagabend im Juni, so gegen halb zwölf. Wir lagen schon im Bett, mein Mann döste bereits weg, und ich hatte gerade noch zwei Seiten in meinem Buch gelesen. Dann fing es an. Erst dumpf, dann immer lauter. Diese tiefen Bässe, die man nicht nur hört, sondern regelrecht spürt. Im Magen, in der Brust, überall. Ich dachte zuerst, das kommt von draußen, von der Straße vielleicht. Aber nein. Es kam von nebenan.
Mein Mann murmelte was Unverständliches, drehte sich zur Seite. Ich lag da und versuchte, es zu ignorieren. Ist ja Samstag, dachte ich, die Leute haben ein Recht auf ein bisschen Spaß. Außerdem will ich nicht die Spaßbremse sein, die wegen jeder Kleinigkeit sofort an die Decke geht. Also wartete ich. Vielleicht wird's ja leiser. Vielleicht ist gleich Schluss.
War es aber nicht. Im Gegenteil. Nach zehn Minuten wurde es noch lauter. Und dann passierte das, was mich wirklich nervös machte: Das Weinglas auf meinem Nachttisch fing an zu vibrieren. Ich schwöre. Es stand da, halb voll noch vom Abendessen, und zitterte im Takt der Musik. Ich starrte es an, fasziniert und genervt zugleich. Mein Mann war mittlerweile auch wieder wach. „Sag mal", brummte er, „ist das jetzt ein Konzert oder was?"
Ich weiß noch, wie ich damals überlegte: Was macht man in so einer Situation? Rüberlaufen und klingeln? Durchs Treppenhaus brüllen? Oder einfach die Polizei rufen, so wie man das in Filmen immer sieht? Keine dieser Optionen fühlte sich richtig an. Die Polizei kam mir übertrieben vor, rübergehen irgendwie peinlich. Aber schlafen konnte ich auch nicht.
Also bin ich aufgestanden, habe mir was übergezogen und bin rüber. Ich erinnere mich noch genau an das Gefühl im Flur – diese Mischung aus Wut und Unsicherheit. Was sage ich denn jetzt? „Entschuldigung, könnten Sie bitte leiser sein?" Klingt so spießig. „Hey, macht mal halblang!" Klingt aggressiv. Ich hatte keine Ahnung. Vor der Tür hab ich dann kurz durchgeatmet, geklingelt, und gehofft, dass ich nicht wie eine hysterische Nachbarin rüberkomme.
Die Tür ging auf, und da stand unser Nachbar – sympathischer Typ, Anfang dreißig, den wir schon ein paar Mal im Treppenhaus getroffen hatten. Hinter ihm sah ich ein paar Leute, Getränke in der Hand, entspannte Atmosphäre. Er guckte mich an, ein bisschen überrascht, und ich brachte irgendwie einen Satz raus. Ich glaube, es war sowas wie: „Tut mir leid, dass ich störe, aber die Musik ist bei uns ziemlich laut." Freundlich, mit einem Lächeln. Nicht anklagend, nicht fordernd. Einfach nur ein Hinweis.
Und weißt du was? Es hat funktioniert. Er entschuldigte sich sofort, meinte, er hätte nicht gemerkt, dass es so laut ist, drehte die Musik runter, und das war's. Keine große Sache. Als ich zurück ins Bett kam, sagte mein Mann: „Siehste, manchmal reicht's einfach, wenn man was sagt." Stimmt. Aber trotzdem saß mir das noch eine Weile nach. Diese ganze Situation. Das Abwägen, das Überlegen, was man darf und was nicht.
Weil ehrlich gesagt wusste ich nicht genau, wo eigentlich die Grenze ist. Ab wann ist Musik zu laut? Ab wann hat man das Recht, sich zu beschweren? Und was passiert eigentlich, wenn der Nachbar einfach weitermacht?
Später habe ich mich da ein bisschen schlaugemacht, weil mich das wirklich interessiert hat. Und ich muss sagen, es ist komplizierter, als man denkt. Aber auch klarer, als viele glauben. Es gibt nämlich tatsächlich Regeln, an die sich alle halten müssen. In Deutschland – und das ist gesetzlich verankert – gilt die sogenannte Nachtruhe. Die geht von 22 Uhr abends bis 6 Uhr morgens. Das steht in verschiedenen Gesetzen, unter anderem in den Landesimmissionsschutzgesetzen der einzelnen Bundesländer. Die Details können sich ein bisschen unterscheiden, aber das Grundprinzip ist überall gleich: Nachts muss Ruhe sein.
Was heißt das konkret? Es bedeutet nicht, dass man keinen Mucks mehr machen darf. Man kann immer noch Musik hören, fernsehen, sich unterhalten. Aber eben so, dass es die Nachbarn nicht stört. Die Faustregel ist: Zimmerlautstärke. Das ist ein Begriff, den man immer wieder liest, der aber ziemlich schwammig ist. Was für den einen Zimmerlautstärke ist, ist für den anderen schon zu laut. Aber im Kern bedeutet es: Die Geräusche sollen so leise sein, dass sie in den Nachbarwohnungen nicht oder kaum wahrnehmbar sind.
Ich finde das total spannend, weil es zeigt, wie unterschiedlich Menschen Lärm wahrnehmen. Mein Mann zum Beispiel kann bei Musik schlafen, ich nicht. Für ihn wäre die Musik damals vielleicht noch okay gewesen, für mich war sie unerträglich. Und genau da fängt das Problem an: Was ist objektiv zu laut, und was ist subjektives Empfinden?
Die Rechtsprechung versucht da einen Mittelweg zu finden. Es gibt tatsächlich Urteile, in denen festgelegt wurde, wie viel Dezibel nachts erlaubt sind. In Wohngebieten liegt die Grenze meist bei etwa 30 bis 35 Dezibel nachts in Innenräumen. Das ist ungefähr so laut wie Flüstern oder ein leiser Kühlschrank. Tagsüber sind bis zu 50 Dezibel erlaubt, was in etwa einem normalen Gespräch entspricht. Aber ehrlich gesagt geht niemand mit einem Schallpegelmessgerät rum und prüft das nach. Es geht eher um das Prinzip: Wenn die Nachbarn sich gestört fühlen, ist es zu laut.
Was ich auch nicht wusste: Es gibt nicht nur die Nachtruhe, sondern auch die Mittagsruhe. Die ist allerdings nicht bundesweit einheitlich geregelt, sondern hängt von der Hausordnung oder den kommunalen Vorschriften ab. Meistens gilt sie zwischen 13 und 15 Uhr. In dieser Zeit soll man ebenfalls Rücksicht nehmen. Keine lauten Renovierungsarbeiten, keine Partys, keine Musik auf voller Lautstärke. Wobei ich sagen muss: Die Mittagsruhe wird in der Praxis kaum noch durchgesetzt. Die meisten Leute arbeiten mittags oder sind unterwegs. Aber theoretisch gibt es sie noch.
Und dann ist da noch der Sonntag. Sonntags gelten oft noch strengere Regeln, weil es ein gesetzlich geschützter Ruhetag ist. Da sollte man besonders zurückhaltend sein, was Lärm angeht. Rasen mähen, Bohrmaschine rausholen, Musik laut aufdrehen – das kommt sonntags meistens nicht gut an. Nicht nur bei den Nachbarn, sondern auch rechtlich gesehen.
Aber zurück zu unserer Geschichte. Was wäre eigentlich passiert, wenn unser Nachbar nicht auf mich gehört hätte? Wenn er die Musik einfach weiterlaufen gelassen hätte oder sogar noch lauter gedreht hätte? Dann hätten wir tatsächlich die Polizei rufen können. Oder das Ordnungsamt, je nachdem, was in der jeweiligen Stadt zuständig ist. Und das ist kein leerer Drohung. Die Behörden nehmen Ruhestörung ernst.
Wenn die Polizei kommt, prüft sie die Situation vor Ort. Meistens reicht schon die Anwesenheit der Beamten, damit die Musik leiser wird. Aber sie können auch offiziell ermahnen oder eine Verwarnung aussprechen. Und wenn das nicht hilft oder wenn es zu Wiederholungen kommt, kann es teuer werden. Es gibt Bußgelder für Ruhestörung, die können je nach Bundesland und Schwere der Störung zwischen 50 und mehreren hundert Euro liegen. In krassen Fällen, wenn jemand wiederholt und bewusst gegen die Regeln verstößt, kann es sogar eine Anzeige wegen Ordnungswidrigkeit geben. Das fällt dann unter Paragraph 117 des Ordnungswidrigkeitengesetzes, kurz OWiG.
Das klingt jetzt alles sehr formal und abschreckend, aber ehrlich gesagt glaube ich, dass die meisten Fälle gar nicht so weit kommen. Die allermeisten Menschen haben Verständnis, wenn man sie höflich drauf hinweist. Niemand will absichtlich die Nachbarn nerven. Zumindest nicht die meisten. Es ist einfach oft so, dass man selbst gar nicht merkt, wie laut es ist. Wenn du mitten in der Party stehst, mit Freunden redest, lachst, Musik hörst – da bekommst du nicht mit, dass nebenan jemand nicht schlafen kann.
Ich habe mal gelesen, dass es in der Psychologie das Konzept der „Perspektivübernahme" gibt. Das bedeutet, dass man versucht, sich in die Lage des anderen zu versetzen. Und genau das fehlt manchmal. Wenn man selbst Spaß hat, denkt man nicht daran, dass andere gerade im Bett liegen und verzweifelt versuchen einzuschlafen. Das ist keine böse Absicht, das ist einfach menschlich. Deshalb ist es so wichtig, das Gespräch zu suchen. Meistens hilft ein freundlicher Hinweis mehr als hundert böse Blicke im Treppenhaus.
Mein Mann hat eine Theorie dazu. Er sagt: „Je anonymer eine Wohnsituation ist, desto mehr Konflikte gibt's." Und ich glaube, da ist was dran. In einem großen Mehrfamilienhaus, wo man die Nachbarn kaum kennt, ist die Hemmschwelle niedriger, laut zu sein. Weil man die Menschen ja nicht persönlich kennt, weil man sich nicht verbunden fühlt. In einem kleinen Haus, wo alle sich kennen und regelmäßig grüßen, achtet man automatisch mehr auf Rücksicht. Das ist nicht wissenschaftlich belegt, das ist nur unsere Beobachtung. Aber es macht Sinn, oder?
Kulturell gesehen gibt es auch große Unterschiede, wie mit Lärm umgegangen wird. In südeuropäischen Ländern zum Beispiel ist das Leben lauter. Da wird bis spät in die Nacht gefeiert, gelacht, Musik gehört. Das gehört zum Lebensgefühl dazu. In Deutschland sind wir da eher zurückhaltend. Hier wird Ruhe hochgeschätzt, Privatsphäre ist wichtig, und Lärm wird schnell als störend empfunden. Das heißt nicht, dass das eine besser ist als das andere. Es sind einfach unterschiedliche kulturelle Normen. Aber wenn man in Deutschland lebt, muss man sich eben an die Regeln hier halten. Auch wenn man aus einer anderen Kultur kommt, wo das alles lockerer gehandhabt wird.
Ich frage mich manchmal, ob wir in Deutschland vielleicht ein bisschen überempfindlich sind. Ob wir zu schnell genervt sind von Geräuschen, die eigentlich zum Leben dazugehören. Andererseits: Wenn man arbeiten muss, wenn man Kinder hat, die schlafen sollen, wenn man einfach seine Ruhe braucht nach einem langen Tag – dann ist es doch legitim, das auch einfordern zu können, oder? Es ist eine Balance. Einerseits soll jeder sein Leben leben können, andererseits muss man Rücksicht nehmen auf die Menschen um einen herum.
Was ich aus der ganzen Sache gelernt habe: Kommunikation ist das A und O. Bevor man die Polizei ruft, bevor man sich stundenlang ärgert und nicht schlafen kann – einfach mal rübergehen und freundlich fragen, ob es leiser gehen könnte. In den allermeisten Fällen wird das klappen. Und wenn nicht, dann weiß man immerhin, dass man es versucht hat, und kann mit gutem Gewissen die nächsten Schritte einleiten.
Unser Nachbar von damals? Der hat uns ein paar Tage später im Treppenhaus angesprochen und sich nochmal entschuldigt. Er meinte, er hätte gar nicht auf die Uhrzeit geachtet, und dass er das nächste Mal früher leiser machen würde. Seitdem hatten wir nie wieder Probleme. Im Gegenteil, wir grüßen uns freundlich, plaudern manchmal kurz, und das Verhältnis ist entspannt. Hätte ich damals nicht den Mut gehabt, zu klingeln, wäre das vielleicht anders gelaufen. Vielleicht hätte sich Frust aufgestaut, vielleicht hätte es irgendwann einen richtigen Streit gegeben. So aber ist alles gut.
Natürlich gibt es auch die anderen Fälle. Die schwierigen Nachbarn, die sich nicht einsichtig zeigen. Die, die trotz mehrfacher Bitten weitermachen. Für solche Situationen ist es gut zu wissen, dass man rechtliche Möglichkeiten hat. Dass man nicht hilflos ist, sondern sich wehren kann. Aber ich hoffe, dass das die Ausnahme bleibt.
Was mir auch aufgefallen ist: Es gibt eine gewisse Jahreszeit, in der Lärmprobleme häufiger vorkommen. Im Sommer, wenn die Fenster offen sind, wenn es abends lange hell ist, wenn Leute draußen sitzen und feiern – da gibt es einfach mehr Lärm. Das ist normal, das gehört zum Sommer dazu. Aber es bedeutet auch, dass man in dieser Zeit besonders aufeinander achten sollte. Vielleicht die Musik etwas leiser stellen, wenn man merkt, dass die Nachbarn ihre Fenster offen haben. Oder die Balkon-Party nicht bis drei Uhr nachts ziehen. Kleine Gesten der Rücksicht können viel bewirken.
Mein Mann erzählt gerne von seiner Studienzeit, als er in einer WG gewohnt hat. Da war quasi jedes Wochenende Party. Aber sie hatten eine Abmachung mit den Nachbarn: Wenn sie feiern wollten, haben sie vorher Bescheid gesagt. Manchmal sogar eine kleine Einladung in den Briefkasten geworfen. Nicht unbedingt, damit die Nachbarn auch kommen – obwohl das manchmal passiert ist –, sondern einfach als Geste. Als Zeichen: Hey, wir wissen, dass es heute laut werden könnte, aber es ist nur ausnahmsweise, und wir geben uns Mühe, nicht zu übertreiben. Und weißt du was? Das hat funktioniert. Weil die Nachbarn sich respektiert gefühlt haben.
Ich glaube, das ist der Kern der Sache. Respekt. Es geht nicht darum, dass man nie Musik hören darf oder nie Spaß haben darf. Es geht darum, dass man die Menschen um sich herum mitdenkt. Dass man versteht, dass die eigene Freiheit da aufhört, wo die Freiheit des anderen anfängt. Das klingt jetzt wie so ein Spruch aus einem Philosophiebuch, aber es ist wahr.
Und rechtlich gesehen ist es eben so: Laute Musik ist kein Kavaliersdelikt. Das ist keine Bagatelle, die man einfach ignorieren kann. Wenn jemand sich beschwert und man macht trotzdem weiter, kann das ernsthafte Konsequenzen haben. Nicht nur finanziell, sondern auch zwischenmenschlich. Ein zerstrittenes Verhältnis zu den Nachbarn ist unangenehm. Man trifft sich im Treppenhaus, man lebt Tür an Tür, da will man doch lieber ein gutes Verhältnis haben.
Ich erinnere mich an eine andere Geschichte, die mir eine Freundin erzählt hat. Bei ihr im Haus gab es einen Nachbarn, der regelmäßig laut Musik gehört hat. Mitten in der Nacht, wochenlang. Die anderen Bewohner haben sich beschwert, sind rübergegangen, haben geklingelt – nichts half. Irgendwann haben sie die Hausverwaltung eingeschaltet, die hat ihm eine Abmahnung geschickt. Auch das hat nichts gebracht. Am Ende ist die Polizei mehrfach gekommen, es gab Bußgelder, und schließlich wurde ihm die Wohnung gekündigt. Ja, das ist tatsächlich möglich. Wiederholte Ruhestörung kann ein Kündigungsgrund sein. Das ist natürlich der absolute Extremfall, aber es zeigt: Die Sache wird ernst genommen.
Was ich auch spannend finde: Es gibt mittlerweile Apps und Geräte, mit denen man Lautstärke messen kann. Man kann also theoretisch nachweisen, wie laut es tatsächlich war. Das kann hilfreich sein, wenn es zu einem Rechtsstreit kommt. Aber ehrlich gesagt hoffe ich, dass die meisten Menschen nie in eine solche Situation kommen. Weil es einfach viel besser ist, wenn man das direkt klären kann, ohne Anwälte und Gerichte.
Mein Mann meinte neulich: „Weißt du, was ich nicht verstehe? Warum manche Leute denken, sie können machen, was sie wollen, nur weil sie in ihrer eigenen Wohnung sind." Und ich glaube, das ist ein weit verbreiteter Irrtum. Viele denken: Ist doch meine Wohnung, da kann ich tun, was ich will. Aber so ist es nicht. Man lebt in einem Haus mit anderen Menschen, und damit ist man Teil einer Gemeinschaft. Und in einer Gemeinschaft gibt es Regeln. Die sind nicht dazu da, um einen zu ärgern, sondern um ein friedliches Zusammenleben zu ermöglichen.
Ich persönlich versuche, das auch auf uns selbst anzuwenden. Wenn wir mal etwas lauter sind – vielleicht haben wir Besuch, vielleicht schauen wir einen Film mit gutem Sound – dann achte ich darauf, dass es nicht zu spät wird. Und wenn es doch mal später wird, mache ich leiser. Nicht weil ich Angst vor einer Anzeige habe, sondern weil ich weiß, wie es ist, wenn man nicht schlafen kann wegen Lärm. Und ich will nicht, dass unsere Nachbarn sich so fühlen.
Es gibt übrigens auch Situationen, in denen man ein bisschen Nachsicht haben sollte. Wenn Nachbarn ein Baby haben, das nachts schreit – da kann man nichts machen. Das ist kein Lärm, der vermeidbar ist. Oder wenn jemand krank ist und hustet. Oder wenn jemand nachts arbeiten muss und deshalb zu ungewöhnlichen Zeiten duscht. Solche Dinge gehören zum Leben dazu. Da wäre es unfair, sich zu beschweren.
Aber – und das ist wichtig – Musik ist etwas anderes. Musik ist kontrollierbar. Man kann den Lautstärkeregler runterdrehen, man kann Kopfhörer benutzen, man kann den Bass reduzieren. Es gibt so viele Möglichkeiten, Musik zu hören, ohne andere zu stören. Deshalb ist da auch weniger Toleranz angebracht.
Was ich auch interessant finde: In manchen Ländern gibt es sogenannte „Party-Walls", also besonders dicke Wände zwischen Wohnungen, damit Geräusche nicht so leicht durchdringen. In Deutschland ist das nicht überall Standard. Gerade in Altbauten hört man oft ziemlich viel von den Nachbarn. Das macht die Sache natürlich nicht einfacher. Aber auch da gilt: Man muss das Beste draus machen und Rücksicht nehmen.
Neulich haben wir überlegt, ob wir uns vielleicht selbst mal soundproofen sollten. Also so Schaumstoffplatten an die Wände, dämmende Vorhänge, solche Sachen. Nicht weil wir besonders laut sind, sondern einfach präventiv. Damit wir uns sicherer fühlen, dass wir niemanden stören. Aber dann dachten wir: Eigentlich ist das nicht nötig. Wir sind nicht laut, wir halten uns an die Regeln, und wenn es doch mal ein Problem geben sollte, werden uns die Nachbarn hoffentlich ansprechen. So wie wir es damals gemacht haben.
Am Ende ist es eine Frage der gegenseitigen Achtsamkeit. Wenn alle ein bisschen aufeinander achten, wenn alle bereit sind, nachzugeben und Kompromisse einzugehen, dann funktioniert das Zusammenleben. Wenn aber jeder nur an sich denkt und meint, er kann machen, was er will, dann gibt es Konflikte. Und die sind unangenehm für alle Beteiligten.
Also, falls du dich mal fragst, ob du die Musik noch lauter drehen kannst oder ob das schon zu viel ist: Denk an deine Nachbarn. Stell dir vor, du liegst im Bett, müde, willst schlafen, und dann dröhnt es von nebenan. Wie würde sich das anfühlen? Und wenn du dir nicht sicher bist, dann frag einfach. Klingel rüber, sag: „Ich würde gerne noch ein bisschen Musik hören, ist das okay für euch?" Ich garantiere dir, die meisten Leute werden das zu schätzen wissen. Weil es zeigt, dass du an sie denkst.
Und wenn du auf der anderen Seite bist, wenn du derjenige bist, der nicht schlafen kann wegen der Musik – dann trau dich, was zu sagen. Freundlich, ruhig, ohne Vorwürfe. Meistens reicht das. Und falls nicht, dann weißt du jetzt: Du hast Rechte. Du musst das nicht hinnehmen. Es gibt Wege, damit umzugehen. Aber der erste Schritt sollte immer das Gespräch sein.
Ich bin froh, dass wir damals den Mut hatten, zu klingeln. Es hätte auch anders laufen können, klar. Aber es ist gut gelaufen. Und seitdem haben wir ein entspanntes Verhältnis zu unserem Nachbarn. Das ist mehr wert als jede Party, die bis drei Uhr nachts geht.