
Der ewige Kampf mit dem Staubsaugerkabel (oder: Warum wir immer noch keinen Akkusauger haben)
Gestern war wieder so ein Tag. Ich stand im Flur, Staubsauger in der Hand, und das Kabel war – natürlich – zu kurz. Wieder mal. Thomas kam gerade aus der Küche, sah mich da stehen mit diesem Gesichtsausdruck, den er inzwischen „deine Staubsauger-Miene" nennt, und musste lachen. „Soll ich dir die Kabeltrommel aus dem Keller holen?", fragte er grinsend.
Die Kabeltrommel. Ach ja. Das war vor drei Wochen meine geniale Idee gewesen. Zwanzig Meter Verlängerung, dachte ich, damit komme ich locker durch die ganze Wohnung. Was ich nicht bedacht hatte: Unser Kater Emil fand das orange Kabelgewirr hochinteressant. Das Chaos, das entstand, als er sich darin verfing und panisch durch die Wohnung raste... sagen wir einfach, die Kabeltrommel ist seitdem wieder im Keller.
Es ist schon verrückt, wenn man mal drüber nachdenkt. Wir leben im Jahr 2024, haben Smartphones, die praktisch kleine Computer sind, Autos, die fast von selbst fahren können – aber mein Staubsaugerkabel ist immer noch zu kurz. Thomas meint, das sei ein Naturgesetz. Wie die Schwerkraft oder dass Butterbrote immer auf die Butterseite fallen.
Dabei ist unser Staubsauger gar nicht mal so alt. Vier Jahre vielleicht? Wir haben ihn gekauft, als wir hier eingezogen sind. Ich erinnere mich noch an den Tag im Elektromarkt. Thomas stand vor den Regalen und hat Datenblätter verglichen wie ein Wissenschaftler. „2000 Watt Leistung", murmelte er. „HEPA-Filter der Klasse 13." Ich nickte wissend, obwohl ich keine Ahnung hatte, was ein HEPA-Filter ist. Später hab ich's gegoogelt – steht für High Efficiency Particulate Air filter, falls es jemanden interessiert. Die Dinger filtern 99,95% aller Partikel aus der Luft. Beeindruckend, aber hilft mir auch nicht, wenn das Kabel nicht bis ins Schlafzimmer reicht.
Die Sache mit der Kabellänge ist übrigens kein Zufall. Ich hab mal recherchiert – ja, ich recherchiere sowas, wenn mich was nervt. Die meisten Staubsaugerkabel sind zwischen sechs und zwölf Meter lang. Der Durchschnitt liegt bei acht Metern. Warum? Weil die Hersteller davon ausgehen, dass in normalen Wohnungen alle 8-10 Meter eine Steckdose ist. Das mag in Neubauten stimmen, aber unsere Altbauwohnung? Ha! Da hat wohl niemand in den 1960ern daran gedacht, dass man mal mehr als eine Stehlampe pro Zimmer brauchen könnte.
Thomas hat seine eigene Methode entwickelt, mit dem Problem umzugehen. Er nennt es „strategisches Saugen". Klingt wichtig, ist aber eigentlich nur systematisches Umstecken. Erst die Küche komplett, dann umstecken, Flur saugen, wieder umstecken, Wohnzimmer. Sehr deutsch, sehr gründlich. Ich dagegen... ich sauge kreativ. Mal hier, mal da, je nachdem, wo ich gerade Krümel sehe. Das führt dazu, dass ich öfter umstecken muss als er. Gestern waren es fünf Mal. Neuer Rekord.
Meine Mutter hatte übrigens einen Vorwerk. Die Dinger sind legendär, nicht nur wegen ihrer Langlebigkeit – manche funktionieren noch nach dreißig Jahren – sondern auch wegen ihrer Kabellänge. Zehn bis zwölf Meter Standard. Kein Wunder, dass Vorwerk-Vertreter früher so erfolgreich waren. Die kamen in die Wohnung, haben einmal durchgesaugt ohne umzustecken und die Hausfrauen waren begeistert. Marketing durch praktische Demonstration, würde man heute sagen.
Das erinnert mich an eine interessante Statistik, die ich neulich gelesen hab: Der durchschnittliche Deutsche verbringt 51 Minuten pro Woche mit Staubsaugen. Das sind über 44 Stunden im Jahr! Wenn man bedenkt, dass ich davon bestimmt zehn Minuten pro Woche nur mit Umstecken und Kabel entwirren verbringe...
„Warum kaufen wir nicht einfach einen Akkustaubsauger?", fragt ihr euch vielleicht. Gute Frage. Die stellen wir uns auch regelmäßig. Meine Schwester Julia hat so ein Teil. Einen dieser schicken, die aussehen wie Requisiten aus Star Wars. „Das Ding hat mein Leben verändert!", schwärmt sie. Bei ihr klingt das, als hätte sie eine spirituelle Erleuchtung erlebt, nicht nur ein neues Haushaltsgerät gekauft.
Wir waren auch schon mehrmals kurz davor. Standen im Laden, haben Modelle verglichen. Thomas hat sich durch gefühlt hundert Testberichte gelesen. „Der hier hat 185 Air Watt Saugleistung", erklärte er mir einmal. „Aber der Akku hält nur 35 Minuten." Air Watt – wieder so ein Begriff, den ich nachschlagen musste. Es ist eine Maßeinheit für die tatsächliche Saugleistung, im Gegensatz zur elektrischen Leistungsaufnahme. Man lernt nie aus.
Das Problem mit Akkusaugern ist aber nicht nur der Preis – obwohl 400 bis 600 Euro für die guten Modelle schon heftig sind. Es ist auch die Akkulaufzeit. Die meisten schaffen 20 bis 60 Minuten, je nach Saugstufe. Bei uns würde das reichen, unsere Wohnung ist nicht riesig. Aber Thomas macht sich Sorgen um die Akkulebensdauer. „Nach zwei, drei Jahren lässt die Leistung nach", sagt er. „Und dann?" Neue Akkus kosten oft 80 bis 100 Euro. Wenn man das durchrechnet...
Außerdem – und das ist der eigentliche Knackpunkt – unser alter Staubsauger funktioniert ja noch. Klar, das Kabel nervt. Klar, das Aufrollen klappt nie beim ersten Mal. Aber wegwerfen? Ein funktionierendes Gerät? Das widerspricht allem, was uns unsere Eltern beigebracht haben. „Das ist doch noch gut!", höre ich meine Mutter sagen. Und sie hat recht.
Diese Wegwerfmentalität ist sowieso ein Problem. Wusstet ihr, dass in Deutschland jährlich etwa 1,7 Millionen Tonnen Elektroschrott anfallen? Pro Kopf sind das über 20 Kilogramm. Staubsauger machen davon zwar nur einen kleinen Teil aus, aber trotzdem. Die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Staubsaugers liegt bei etwa acht Jahren. Unserer ist vier. Also theoretisch noch die Hälfte der Lebenszeit vor sich.
Wobei... die Geschichte mit dem Aufrollen macht mich wirklich wahnsinnig. Ihr kennt das bestimmt: Man drückt auf den roten Knopf, das Kabel saust zurück – zzzzip – sehr befriedigend. Aber dann, die letzten zwei Meter... nichts. Totale Verweigerung. Also zieht man nochmal, lässt los, wieder passiert nur die Hälfte.
Thomas behauptet, ich mache es falsch. „Du musst das Kabel führen", erklärt er dann und demonstriert es. Hält das Kabel locker in der Hand, lässt es durch die Finger gleiten. Bei ihm klappt's tatsächlich öfter. Ich glaube, der Staubsauger mag ihn einfach mehr.
Es gibt übrigens eine physikalische Erklärung dafür, warum das Kabel nicht komplett einrollt. Die Federspannung der Aufrollmechanik lässt mit der Zeit nach. Außerdem erhöht sich die Reibung durch Staub und Abnutzung. Man könnte die Feder nachspannen oder die Mechanik ölen, aber mal ehrlich – wer macht das schon?
Letzte Woche hatte ich einen besonders frustrierenden Staubsaug-Tag. Ich hatte gerade im Wohnzimmer angefangen, als Emil – unser Kater – beschloss, dass genau jetzt der perfekte Zeitpunkt wäre, seine Katzenstreu großflächig vor dem Klo zu verteilen. Also: Staubsauger ausschalten, ins Bad, saubermachen. Zurück ins Wohnzimmer, weitersaugen. Dann sehe ich durchs Fenster, wie der Paketbote kommt. Staubsauger aus, zur Tür rennen. Paket annehmen, zurück zum Staubsauger. Batterie leer. Moment, falsch – Staubsauger haben keine Batterie. Aber ich war leer.
Thomas fand mich später auf dem Sofa, umgeben von halb gesaugten Zimmern. „Schlechter Tag?", fragte er. „Der Staubsauger und ich", sagte ich, „wir verstehen uns heute nicht." Er hat dann zu Ende gesaugt. Mit seiner Methode. Systematisch. Ohne Murren.
Interessant ist ja, dass Staubsaugen kulturell ganz unterschiedlich gehandhabt wird. In Japan zum Beispiel ist es üblich, fast täglich zu saugen. Die Wohnungen sind kleiner, oft mit Tatami-Matten ausgelegt, die regelmäßige Pflege brauchen. In den USA dagegen wird oft nur einmal pro Woche gesaugt, dafür aber mit richtig großen, leistungsstarken Geräten. Die Amerikaner haben auch eine Vorliebe für Zentral-Staubsauganlagen – eingebaut ins Haus, mit Anschlüssen in jedem Zimmer. Kein Kabelprobleme mehr. Genial, aber für eine Mietwohnung nicht gerade praktikabel.
In Skandinavien ist übrigens der Staubsaugerbesitz pro Haushalt am höchsten. Viele haben einen Bodenstaubsauger und zusätzlich einen Handstaubsauger oder Akkusauger. Die Finnen haben sogar ein Wort für die Befriedigung, die man beim Staubsaugen eines sehr schmutzigen Teppichs empfindet: „siivousmieli" – Reinigungsgeist oder Säuberungssinn.
Bei uns gibt's kein spezielles Wort dafür, aber das Gefühl kenne ich. Wenn man diese richtig dreckige Stelle unterm Esstisch saugt, wo die Krümel vom Sonntagsfrühstück liegen, und dann ist alles sauber... das hat schon was Befriedigendes. Vorausgesetzt, das Kabel reicht bis dahin.
Apropos Sonntagsfrühstück – das ist bei uns immer ein Event. Thomas macht Pfannkuchen, ich bin für den Kaffee zuständig, Emil versucht, Sahne zu klauen. Und danach? Krümel überall. Wirklich überall. Wie schaffen Krümel es eigentlich, sich unter Möbel zu teleportieren, unter die man gar nicht gehen kann?
Die Physik der Krümelverteilung ist übrigens faszinierend. Es gibt tatsächlich Studien dazu. Krümel folgen beim Fallen nicht einfach der Schwerkraft, sondern werden durch Luftströmungen, elektrostatische Aufladung und die Bewegungen der Essenden in alle Richtungen verteilt. Ein Wissenschaftler hat mal ausgerechnet, dass ein durchschnittlicher Brotkrümel bis zu zwei Meter weit springen kann. Zwei Meter! Kein Wunder, dass sie überall landen.
Aber zurück zum Staubsauger. Ich habe neulich mal nachgerechnet: Wenn ich jede Woche fünf Mal umstecken muss, sind das 260 Mal im Jahr. Wenn jedes Umstecken eine Minute dauert – Stecker raus, Kabel aufrollen, Gerät zur nächsten Steckdose tragen, wieder abrollen, einstecken – sind das über vier Stunden im Jahr nur fürs Umstecken! Vier Stunden! Da könnte ich einen halben Arbeitstag draus machen.
Thomas findet meine Rechnung übertrieben. „Eine Minute pro Umstecken?", zweifelt er. „Das geht schneller." Vielleicht bei ihm, mit seiner Methode. Bei mir dauert's länger, weil ich zwischendurch noch fluche, das Kabel entwirre, und mich frage, warum wir immer noch keinen Akkusauger haben.
Die Antwort ist vermutlich: Weil wir uns irgendwie arrangiert haben. So wie man sich mit vielem im Leben arrangiert. Die Spülmaschine, die man zweimal starten muss, damit sie richtig sauber spült. Der Wasserhahn im Bad, der tropft, wenn man ihn nicht ganz fest zudreht. Die Nachbarn über uns, die jeden Sonntagmorgen Möbel verrücken. Oder was auch immer sie da oben machen – Thomas glaubt ja, sie bowlen.
Diese kleinen Ärgernisse gehören irgendwie dazu. Sie machen unser Zuhause zu unserem Zuhause. Perfekt wäre langweilig. Oder? Naja, ein bisschen weniger Kabelsalat wäre schon schön.
Gestern Abend, nachdem das Staubsauger-Drama vorbei war und die Wohnung sauber war, saßen wir auf dem Sofa. Emil hatte es sich auf Thomas' Schoß gemütlich gemacht und schnurrte. „Weißt du was?", sagte ich. „Morgen schauen wir uns Akkusauger an." Thomas nickte. „Machen wir."
Wir waren beide still für einen Moment. Dann sagte er: „Aber nur schauen, oder?" „Nur schauen", bestätigte ich.
Heute Morgen hab ich übrigens wieder gesaugt. Mit unserem alten Staubsauger. Viermal umgesteckt. Das Kabel hat sich beim Aufrollen verknotet. Emil ist geflüchtet. Alles wie immer.
Aber wisst ihr was? Die Wohnung ist sauber. Und das ist ja eigentlich das, was zählt. Auch wenn der Weg dahin... nun ja, ihr wisst schon.
Vielleicht kaufen wir nächste Woche einen Akkusauger. Oder übernächste. Oder wir warten, bis unser alter den Geist aufgibt. Bei der Qualität deutscher Haushaltsgeräte kann das noch dauern. Sehr lange dauern.
Bis dahin kämpfe ich weiter mit dem Kabel. Es ist unser Kampf, der Staubsauger und ich. Manchmal gewinne ich, manchmal er. Meistens endet es unentschieden – die Wohnung ist sauber, aber ich bin genervt.
Thomas meint, ich soll das Ganze sportlicher sehen. „Stell dir vor, es ist ein Workout", schlägt er vor. „Krafttraining beim Umstecken, Dehnübungen beim Kabel entwirren." Sehr witzig. Obwohl... bei 260 Mal Umstecken im Jahr...
Ach, wisst ihr was? Ich glaube, ich hab jetzt genug über Staubsauger philosophiert. Zeit für einen Kaffee. Den trinke ich übrigens in der sauberen Küche. Mit Blick auf den sauberen Boden. Der übrigens wirklich sehr sauber ist. Trotz Kabel-Drama. Oder vielleicht gerade deswegen – wer weiß, vielleicht macht der Ärger ja gründlicher.
Nächste Woche erzähle ich euch dann, warum unsere Spülmaschine ein Eigenleben führt. Oder warum Thomas glaubt, dass unser Toaster uns hasst. Oder die Geschichte mit dem Wäscheständer, der... aber das ist wirklich eine andere Geschichte.
Bis dahin: Möge euer Staubsaugerkabel immer lang genug sein. Oder wenigstens einen Meter länger als unseres.
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