
Der Fleck an der Wand – oder wie wir lernten, dass Recht haben und Recht bekommen zwei verschiedene Dinge sind
Ich weiß noch genau, wann ich den Fleck zum ersten Mal gesehen habe. Es war an einem Sonntagmorgen, ich lag noch im Bett, Markus war schon aufgestanden, um Brötchen zu holen, und ich hab einfach so an die Decke gestarrt. Kennt ihr das? Diese halbe Stunde zwischen Aufwachen und Aufstehen, wo man einfach nur daliegt und den Kopf leer macht?
Jedenfalls hab ich da gelegen, und mein Blick ist irgendwie an der Wand hängengeblieben. An der Wand gegenüber vom Bett, da wo normalerweise nichts Besonderes ist. Nur weiße Wand, ein bisschen langweilig vielleicht, aber eben Wand. Nur dass da jetzt plötzlich was war. Ein dunkler Fleck. Nicht riesig, vielleicht so groß wie eine Handfläche, aber definitiv da. Und definitiv vorher nicht da gewesen.
Ich bin aufgestanden und näher rangegangen. Der Fleck sah aus wie... ja, wie eigentlich? Schwer zu beschreiben. Dunkel, ein bisschen gräulich, die Ränder nicht ganz scharf. Ich hab mit dem Finger drangetippt – keine Ahnung warum, als ob das irgendwas bringen würde – und die Wand fühlte sich normal an. Nicht feucht oder so. Einfach nur Wand mit Fleck drauf.
Als Markus mit den Brötchen zurückkam, hab ich ihn direkt ins Schlafzimmer gezerrt. „Schau mal", hab ich gesagt und auf die Wand gezeigt. Er hat erstmal gar nicht gesehen, was ich meine. „Da", hab ich gesagt, „der Fleck." Dann hat er ihn auch gesehen und die Stirn gerunzelt. „Wasserfleck?", meinte er.
Wasserfleck. Mein erster Gedanke war: Von wo soll der denn kommen? Über uns ist nur der Dachboden, und da war, soweit wir wussten, nie was mit Wasser. Es hatte auch nicht geregnet in letzter Zeit, jedenfalls nicht so stark, dass irgendwo was undicht geworden wäre. Aber was sollte es sonst sein?
Die nächsten Tage hab ich den Fleck beobachtet. Klingt ein bisschen paranoid, aber ich konnte nicht anders. Jeden Morgen hab ich nachgeschaut: Ist er größer geworden? Hat er sich verändert? Und tatsächlich – nach drei, vier Tagen hatte ich das Gefühl, dass er ein bisschen größer geworden war. Nicht dramatisch, aber doch merklich.
Und dann kam mir der Gedanke, den ich eigentlich die ganze Zeit schon verdrängt hatte: Schimmel. Das könnte Schimmel sein. Nicht dieser typische grün-schwarze Schimmel, den man sofort erkennt, sondern so ein schleichender, der sich langsam ausbreitet und den man erstmal nicht als solchen identifiziert.
Ich hab's Markus gesagt, und seine Reaktion war: „Mist." Genau das Wort, nichts anderes. „Mist." Weil wir beide wussten, was das bedeutet. Diskussionen mit dem Vermieter. Handwerker, die vielleicht kommen oder auch nicht. Stress. Ärger. Zeitaufwand.
Markus ist da direkter als ich. „Wenn die nix machen, warum sollen wir dann voll zahlen?", meinte er schon am gleichen Abend. „Wir können doch die Miete kürzen. Das steht uns zu." Ich war skeptischer. Nicht weil ich nicht fand, dass wir im Recht wären – natürlich war der Fleck ein Mangel, natürlich musste der Vermieter sich darum kümmern. Aber ich hatte irgendwie im Hinterkopf, dass Mietminderung nicht so einfach ist, wie man denkt. Dass man da Fehler machen kann, die einen am Ende teuer zu stehen kommen.
Also hab ich gesagt: „Lass uns erstmal recherchieren. Lass uns rausfinden, wie das richtig geht." Markus fand das ein bisschen übertrieben – „Man meldet den Mangel und kürzt die Miete, so schwer ist das doch nicht" –, aber er hat trotzdem zugestimmt, dass wir uns erstmal informieren.
Ich hab also angefangen zu lesen. Mietrecht, Mietminderung, Schimmel in der Wohnung. Und was soll ich sagen? Es ist komplizierter, als man denkt. Viel komplizierter.
Das Erste, was ich gelernt hab: Ja, man darf die Miete mindern, wenn es einen Mangel gibt. Das ist ein Recht, das Mieter haben. Steht im BGB, § 536. Wenn die Wohnung nicht so ist, wie sie sein sollte – also wenn es zum Beispiel Schimmel gibt, oder Heizung kaputt ist, oder sowas –, dann darf man die Miete reduzieren. So weit, so gut.
Aber – und hier fängt es an, tricky zu werden – man kann nicht einfach so die Miete kürzen. Es gibt Schritte, die man einhalten muss. Und wenn man die nicht einhält, kann man richtig Ärger bekommen. Bis hin zur Kündigung, im schlimmsten Fall.
Der erste Schritt ist: den Mangel melden. Klingt logisch, oder? Aber wichtig ist: schriftlich. Nicht nur anrufen oder im Treppenhaus mal eben erwähnen, sondern wirklich schriftlich. E-Mail, Brief, egal – Hauptsache, es ist dokumentiert. Weil man später, wenn's drauf ankommt, beweisen können muss, dass man den Mangel gemeldet hat.
In der Meldung sollte man den Mangel genau beschreiben. Also nicht nur „da ist was an der Wand", sondern konkret: wo ist es, wie groß ist es, seit wann ist es da, wie sieht es aus. Am besten mit Fotos. Klingt nach viel Aufwand, aber es ist wichtig. Weil der Vermieter wissen muss, worum es geht. Und weil man selbst später nachweisen können muss, wie der Mangel aussah.
Der zweite Schritt: dem Vermieter eine Frist setzen. Das hab ich vorher nicht gewusst. Man kann nicht einfach sagen „der Mangel ist da, also kürz ich jetzt die Miete". Man muss dem Vermieter erstmal die Chance geben, den Mangel zu beheben. Rechtlich gesagt: eine angemessene Frist zur Beseitigung. Was „angemessen" heißt, kommt auf den Mangel an. Bei einer kaputten Heizung im Winter sind das vielleicht ein paar Tage. Bei einem Wasserfleck an der Wand können das zwei, drei Wochen sein.
Und erst dann – erst wenn die Frist abgelaufen ist und nichts passiert ist – darf man die Miete mindern. Und auch dann muss man das ankündigen. Man kann nicht einfach weniger überweisen und denken „die werden schon sehen". Man muss schreiben: „Die Frist ist abgelaufen, der Mangel wurde nicht behoben, deshalb mindere ich die Miete ab sofort um X Prozent."
X Prozent – das ist nochmal eine eigene Wissenschaft. Wie viel darf man eigentlich mindern? Auch das hab ich recherchiert. Es kommt auf die Schwere des Mangels an. Bei einem kleinen Wasserfleck vielleicht fünf oder zehn Prozent. Bei großflächigem Schimmel im ganzen Schlafzimmer vielleicht fünfzig Prozent oder mehr. Wenn die Wohnung unbewohnbar ist, kann man sogar hundert Prozent mindern – also gar keine Miete zahlen.
Aber hier ist die Crux: Man muss selbst einschätzen, wie viel angemessen ist. Und wenn man zu viel mindert, wird's problematisch. Dann kann der Vermieter sagen: „Sie haben zu wenig Miete gezahlt, Sie sind im Zahlungsverzug." Und das kann zu einer Kündigung führen. Krass, oder? Man will sein Recht wahrnehmen, macht dabei aber einen Fehler in der Einschätzung, und plötzlich steht man als der Böse da.
Deshalb ist es oft sicherer, erstmal vorsichtig zu mindern. Lieber zu wenig als zu viel. Man kann die Minderung ja immer noch anpassen, wenn sich rausstellt, dass der Mangel schlimmer ist als gedacht.
Ich hab das alles Markus erklärt, und er war erstmal überrascht. „Das ist ja kompliziert", meinte er. „Wieso macht man das so kompliziert?" Gute Frage. Ich vermute, es hat damit zu tun, dass das Mietrecht versucht, beide Seiten zu schützen – Mieter und Vermieter. Mieter sollen nicht in mangelhaften Wohnungen leben müssen, aber Vermieter sollen auch nicht willkürlich um ihre Einnahmen gebracht werden. Deshalb gibt es diese ganzen Regeln und Prozeduren.
Am nächsten Tag haben wir Fotos von dem Fleck gemacht. Mehrere, aus verschiedenen Winkeln, mit einem Lineal daneben für die Größe, mit Datum und Uhrzeit auf dem Foto. Dann hab ich eine E-Mail an unseren Vermieter geschrieben. Ich hab mich bemüht, sachlich zu bleiben. Nicht anklagend, nicht aggressiv, einfach nur beschreibend.
„Sehr geehrter Herr Müller, in unserem Schlafzimmer ist seit etwa einer Woche ein dunkler Fleck an der Wand (siehe Fotos im Anhang). Der Fleck befindet sich an der Wand gegenüber vom Bett, etwa 1,50 Meter über dem Boden. Er ist circa 15 cm im Durchmesser und scheint größer zu werden. Wir vermuten, dass es sich um Feuchtigkeit oder möglicherweise Schimmel handelt. Bitte kümmern Sie sich um die Behebung dieses Mangels. Wir setzen Ihnen hierfür eine Frist von zwei Wochen."
Zwei Wochen – das erschien uns angemessen. Nicht zu kurz, sodass er überhaupt reagieren kann, aber auch nicht zu lang, sodass der Schaden sich verschlimmert.
Die Antwort kam überraschend schnell. Am nächsten Tag schon. Herr Müller schrieb, dass er sich das ansehen lassen würde und dass ein Handwerker vorbeikommen würde. Er gab uns zwei mögliche Termine. Okay, dachte ich. Das läuft ja erstmal ganz gut.
Markus meinte: „Siehste, man muss nur sagen, was Sache ist." Aber ich war noch vorsichtig. Nur weil er reagiert hatte, hieß das ja noch nicht, dass das Problem auch wirklich gelöst werden würde.
Der Handwerker kam eine Woche später. Ein freundlicher älterer Herr, der sich den Fleck angeschaut hat, Messungen gemacht hat, und dann meinte: „Das ist Feuchtigkeit von außen. Die Wand ist nicht richtig isoliert an der Stelle, und wenn's kalt wird, kondensiert die Feuchtigkeit an der Innenwand. Muss von außen gedämmt werden."
„Und wie lange dauert das?", hab ich gefragt. Er hat überlegt. „Kommt drauf an. Muss erstmal beauftragt werden. Dann Termin finden. Ich würde sagen, in zwei bis drei Wochen können wir das machen."
Okay. Also noch ein bisschen Wartezeit. Aber immerhin war klar, was das Problem war und dass es gelöst werden würde. Ich hab dem Vermieter danach nochmal geschrieben und ihm den Befund des Handwerkers mitgeteilt, und er hat bestätigt, dass die Arbeiten in Auftrag gegeben wurden.
In der Zeit, wo wir gewartet haben, hab ich noch ein bisschen mehr über das Thema Mietminderung gelesen. Was mich besonders interessiert hat, war die Frage: Wie oft geht das eigentlich schief? Wie viele Mieter mindern falsch und bekommen dann Probleme?
Die Antwort ist: ziemlich viele. Ich hab Gerichtsurteile gefunden, wo Mieter gekündigt wurden, weil sie die Miete gekürzt hatten, ohne den Mangel vorher richtig zu melden. Oder weil sie zu viel gemindert hatten. Oder weil sie gemindert hatten, obwohl sie selbst für den Mangel verantwortlich waren – zum Beispiel weil sie nicht richtig gelüftet hatten und deshalb Schimmel entstanden ist.
Das ist nämlich auch ein wichtiger Punkt: Mietminderung geht nur, wenn der Vermieter für den Mangel verantwortlich ist. Wenn man selbst schuld ist – weil man zum Beispiel nicht heizt, nicht lüftet, etwas kaputt gemacht hat –, dann hat man kein Recht auf Minderung. Logisch eigentlich, aber trotzdem wichtig zu wissen.
Ich hab auch Statistiken gefunden, die mich überrascht haben. In Deutschland gibt es jedes Jahr tausende von Gerichtsverfahren wegen Mietminderung. Die meisten davon drehen sich um Schimmel, Heizungsausfälle oder Lärm. Und in vielen Fällen verlieren die Mieter, nicht weil sie kein Recht auf Minderung gehabt hätten, sondern weil sie Fehler im Verfahren gemacht haben.
Das hat mir nochmal gezeigt, wie wichtig es ist, das richtig zu machen. Es reicht nicht, im Recht zu sein. Man muss auch beweisen können, dass man im Recht ist. Man muss die richtigen Schritte einhalten. Sonst steht man am Ende mit leeren Händen da – oder schlimmer, mit einer Kündigung.
Was ich auch spannend fand: In anderen Ländern läuft das teilweise ganz anders. In den USA zum Beispiel gibt es in vielen Bundesstaaten sogenannte „Escrow"-Verfahren. Das heißt, wenn man die Miete mindern will, zahlt man die volle Miete weiter, aber auf ein Treuhandkonto. Das Geld wird dann da geparkt, bis der Streit geklärt ist. Wenn der Mieter recht bekommt, kriegt er einen Teil zurück. Wenn der Vermieter recht bekommt, kriegt der das Geld. Klingt kompliziert, verhindert aber, dass Mieter in Zahlungsverzug geraten.
In Deutschland haben wir das nicht. Hier muss man selbst entscheiden: Mindere ich oder nicht? Und wenn ja, wie viel? Und dann trägt man das Risiko, dass man falsch liegt.
Nach etwa zwei Wochen – also innerhalb der ursprünglichen Frist, die wir gesetzt hatten – kam tatsächlich eine Firma und hat die Wand von außen gedämmt. War ein ordentlicher Aufwand, mit Gerüst und allem. Aber es wurde gemacht. Der Fleck ist seitdem nicht mehr größer geworden, und nach ein paar Wochen war er sogar fast verschwunden. Die Wand hat sich wieder normalisiert.
Kein Streit, kein Drama, keine Mietminderung nötig. Weil wir es richtig angegangen sind – zumindest glaube ich das. Weil wir sachlich geblieben sind, weil wir dokumentiert haben, weil wir dem Vermieter die Chance gegeben haben zu reagieren.
Markus meinte später: „Weißt du was? Ich glaub, das war gut, dass wir nicht gleich die Miete gekürzt haben. Das hätte die Stimmung vergiftet." Und ich glaube, er hat recht. Natürlich hätten wir die Miete mindern können, wenn nichts passiert wäre. Das war unser Recht. Aber durch die Art, wie wir's gemacht haben – erstmal kommunizieren, erstmal eine Chance geben –, ist das Verhältnis zum Vermieter gut geblieben.
Und das ist, glaube ich, auch wichtig. Es geht nicht nur darum, sein Recht durchzusetzen, sondern auch darum, wie man zusammenlebt. Wie man miteinander umgeht. Vermieter und Mieter sind ja nicht Feinde, auch wenn es sich manchmal so anfühlt. Im Idealfall ist es eine Geschäftsbeziehung, bei der beide Seiten fair behandelt werden wollen.
Ich hab später mit einer Freundin darüber geredet, die Anwältin ist. Nicht für Mietrecht, aber sie kennt sich trotzdem ein bisschen aus. Sie meinte: „Das Problem ist, dass viele Mieter ihre Rechte nicht kennen. Und viele Vermieter auch nicht. Dann entstehen Konflikte, die gar nicht sein müssten."
Sie hat mir ein Beispiel erzählt von einem Fall, den sie mal mitbekommen hat. Eine Mieterin hatte Schimmel in der Wohnung und wollte die Miete mindern. Sie hat die Miete einfach um die Hälfte gekürzt, ohne vorher was zu sagen. Der Vermieter hat ihr dann wegen Zahlungsverzug gekündigt. Sie ist vor Gericht gegangen, hat verloren, weil sie das Verfahren nicht richtig eingehalten hatte, und musste ausziehen. Obwohl sie im Grunde recht hatte – es gab wirklich Schimmel, und der Vermieter war verantwortlich. Aber weil sie es falsch gemacht hat, hat sie verloren.
„Deshalb ist es so wichtig", meinte meine Freundin, „dass man sich informiert, bevor man handelt. Dass man nicht einfach aus dem Bauch heraus entscheidet, sondern wirklich nachschaut: Wie mache ich das richtig?"
Das leuchtet mir total ein. Und es ist ja nicht nur bei Mietminderung so. In vielen Lebensbereichen ist es so, dass es nicht reicht, im Recht zu sein. Man muss auch wissen, wie man sein Recht durchsetzt. Welche Fristen gibt es? Welche Formalien muss man beachten? Was muss man dokumentieren?
Klingt anstrengend, und manchmal ist es das auch. Aber andererseits: Wenn man's richtig macht, spart man sich eine Menge Stress. Man vermeidet Fehler, die einen teuer zu stehen kommen können. Und man hat bessere Chancen, dass man am Ende das bekommt, was einem zusteht.
Was ich aus der ganzen Geschichte auch mitgenommen hab, ist die Bedeutung von Kommunikation. Wir hätten auch anders reagieren können. Wir hätten gleich einen aggressiven Ton anschlagen können, hätten drohen können mit Anwalt und Mietminderung und so weiter. Aber ich glaube nicht, dass das besser gewesen wäre.
Stattdessen haben wir erstmal sachlich den Mangel gemeldet. Haben Fotos geschickt, haben eine Frist gesetzt, aber in einem höflichen Ton. Und der Vermieter hat entsprechend reagiert. Er hat sich nicht angegriffen gefühlt, er hat nicht die Mauern hochgezogen, sondern hat konstruktiv reagiert.
Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt, der oft unterschätzt wird. Der Ton macht die Musik. Natürlich gibt es Vermieter, die sind schwierig, die reagieren auch auf freundliche Anfragen nicht. Aber viele reagieren durchaus, wenn man sie vernünftig anspricht. Und dann kann man sich eine Menge Ärger sparen.
Ein höflicher Ton hilft manchmal mehr als ein Paragraf – das ist so ein Satz, der mir seitdem oft im Kopf rumgeht. Nicht weil Paragrafen unwichtig wären. Man muss seine Rechte kennen, man muss wissen, was einem zusteht. Aber wie man diese Rechte einfordert, das macht einen Unterschied.
Neulich hab ich im Treppenhaus einen Nachbarn getroffen, dem ich von unserer Geschichte erzählt hab. Er hatte auch gerade ein Problem mit seiner Wohnung – irgendwas mit der Heizung. Und er meinte: „Ich weiß gar nicht, was ich machen soll. Ich trau mich nicht, beim Vermieter anzurufen."
Ich hab ihm dann erzählt, wie wir's gemacht haben. Dass man den Mangel melden muss, schriftlich, mit Fotos. Dass man eine Frist setzen sollte. Dass man dokumentieren sollte. Und dass man höflich bleiben sollte, zumindest am Anfang. „Und wenn nichts passiert?", hat er gefragt. „Dann kannst du immer noch die Miete mindern", hab ich gesagt. „Aber gib ihm erstmal die Chance zu reagieren."
Er war richtig erleichtert. „Okay, das klingt machbar", meinte er. Ein paar Tage später hab ich ihn wieder getroffen, und er erzählte mir, dass er dem Vermieter geschrieben hatte und dass der schon reagiert hatte. „Die Heizung wird nächste Woche repariert", meinte er. Problem gelöst, ohne Stress, ohne Drama.
Das ist so ein Moment, wo ich gemerkt hab: Es ist wichtig, dass wir uns gegenseitig helfen, solche Sachen zu verstehen. Dass wir Wissen teilen. Weil viele Leute sind überfordert mit Mietrecht, mit ihren Rechten als Mieter. Die wissen nicht, was sie tun können, was sie tun sollten, was sie lassen sollten. Und dann passieren Fehler, die vermeidbar wären.
Ich hab seitdem auch angefangen, ein bisschen aufmerksamer zu sein, wenn es um solche Themen geht. Wenn ich mitkriege, dass jemand ein Problem mit seiner Wohnung hat, erzähl ich von unserer Erfahrung. Nicht belehrend, einfach als Beispiel: So haben wir's gemacht, und es hat funktioniert.
Markus macht sich manchmal ein bisschen lustig darüber. „Du bist jetzt Hobby-Mietrechtsberaterin", sagt er dann grinsend. Aber im Grunde findet er es auch gut. Weil es eben wichtig ist. Weil es Leuten helfen kann.
Der Fleck an unserer Wand ist übrigens komplett weg. Die Wand ist wieder gleichmäßig weiß, und wenn man nicht wüsste, dass da mal was war, würde man's nicht sehen. Manchmal, wenn ich morgens aufwache und an die Wand gucke, denk ich kurz dran. An die Zeit, als wir nicht wussten, ob das ein großes Problem wird oder nicht. An die Recherche, an die E-Mails, an die Gespräche mit Markus darüber, wie wir reagieren sollen.
Und ich bin froh, dass wir's so gemacht haben, wie wir's gemacht haben. Dass wir nicht vorschnell gehandelt haben, sondern uns informiert haben. Dass wir nicht gleich auf Konfrontation gegangen sind, sondern erstmal kommuniziert haben. Dass wir geduldig waren und dem Vermieter die Chance gegeben haben zu reagieren.
Recht haben und Recht bekommen sind zwei verschiedene Dinge – das hab ich in dieser ganzen Geschichte gelernt. Man kann hundertprozentig im Recht sein, aber wenn man's falsch anstellt, kommt man trotzdem nicht zu seinem Recht. Und umgekehrt: Wenn man's richtig macht, auch wenn es ein bisschen mehr Aufwand bedeutet, dann hat man gute Chancen, dass am Ende alles gut wird.
Manchmal ist es die Mühe wert, sich die Zeit zu nehmen. Zu recherchieren, zu dokumentieren, die richtigen Schritte einzuhalten. Nicht weil man pedantisch sein will, sondern weil man sich damit selbst schützt. Weil man sich Stress und Ärger erspart. Weil man am Ende das bekommt, was einem zusteht – ohne gleich vor Gericht landen zu müssen.
Und wer weiß? Vielleicht hilft unsere Geschichte ja auch anderen, die sich in einer ähnlichen Situation wiederfinden. Die vor einem dunklen Fleck an der Wand stehen und sich fragen: Was mach ich jetzt? Denen können wir sagen: Erstmal durchatmen. Dann Fotos machen. Dann schriftlich melden. Dann abwarten. Und erst wenn nichts passiert, die nächsten Schritte gehen.
So einfach – und so kompliziert – kann es sein.