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Versicherungen & Recht

Vier Monate Kampf: Wie wir der Berufsunfähigkeitsversicherung doch noch eine Zusage abrangen

by Winterberg 2025. 11. 18.

Die Berufsunfähigkeitsversicherung, die uns fast in den Wahnsinn trieb

Vorhin haben wir wieder darüber gelacht. Na ja, gelacht ist vielleicht das falsche Wort. Es war mehr so ein müdes Grinsen, während Tobias die alte Mappe aus dem Schrank holte. "Schau mal", sagte er und wedelte mit einem dicken Stapel Papier. "Unser Krimi von 2021."

Es war tatsächlich wie ein Krimi. Mit Wendungen, falschen Fährten und einem Ende, das keiner erwartet hätte. Angefangen hat alles ganz harmlos. Tobias hatte sich selbstständig gemacht, als Webdesigner. Nach drei Jahren lief es richtig gut, und wir dachten: Zeit, sich abzusichern.

"Du brauchst eine Berufsunfähigkeitsversicherung", hatte mein Vater gesagt. Er ist Rentner, war früher bei der Stadt angestellt. "Als Selbstständiger hast du nichts. Wenn was passiert, stehst du da."

Klar, wussten wir. Theoretisch. Aber mit Mitte dreißig denkt man nicht an Krankheit oder Unfälle. Man denkt an Projekte, Kunden, Wachstum. Trotzdem, Vater hatte recht.

Also machten wir uns auf die Suche. Online-Vergleichsportale, Testberichte, Empfehlungen von Freunden. Die Auswahl war... überwältigend. Hunderte Anbieter, tausende Tarife, Klauseln, die kein Mensch versteht.

Tobias verbrachte Abende damit, Bedingungen zu lesen. "Abstrakte Verweisung", murmelte er. "Was zur Hölle ist abstrakte Verweisung?"

Ich googelte. Abstrakte Verweisung bedeutet, dass die Versicherung dich auf irgendeinen anderen Job verweisen kann, wenn du deinen aktuellen nicht mehr ausüben kannst. Webdesigner geht nicht mehr? Dann werde doch Pförtner! Solange du irgendwas arbeiten kannst, zahlen sie nicht.

"Das wollen wir nicht", sagte Tobias.

Also suchten wir weiter. Nach Tarifen ohne abstrakte Verweisung. Die waren teurer. Deutlich teurer. Aber okay, Sicherheit kostet.

Nach wochenlanger Recherche hatten wir einen Favoriten. Eine große, bekannte Versicherung. Gute Bewertungen, faire Bedingungen, Preis im Rahmen. 180 Euro im Monat für 2.000 Euro Rente, falls Tobias berufsunfähig wird.

Der Online-Antrag war lang. Sehr lang. 23 Seiten. Gesundheitsfragen über Gesundheitsfragen. "Hatten Sie in den letzten 5 Jahren..." – und dann eine Liste von Krankheiten, von denen ich die Hälfte googeln musste.

Tobias war ehrlich. Das ist wichtig, hatten wir gelesen. Wer bei den Gesundheitsfragen lügt oder was verschweigt, riskiert später den Versicherungsschutz. Also schrieb er alles rein. Die Rückenschmerzen von 2019, als er zu viel am Rechner gesessen hatte. Drei Physiotherapie-Sitzungen. Der Hautausschlag 2020 – Stress, meinte der Arzt. Eine Kortisonsalbe, nach zwei Wochen war's weg.

"Meinst du, das ist ein Problem?", fragte er.

"Das sind Kleinigkeiten", sagte ich. "Jeder hat mal Rückenschmerzen."

Zwei Wochen später kam der Brief. Dick, schwer, voller Hoffnung. Ich machte ihn auf, während Tobias noch duschte.

"Sehr geehrter Herr Müller, nach eingehender Prüfung Ihres Antrags müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass wir keine Versicherung anbieten können."

Ablehnung.

Ich las es dreimal. Dann rief ich Tobias. Er kam aus dem Bad, Handtuch um die Hüften, Zahnbürste in der Hand. "Was?"

Die Begründung war... vage. "Aufgrund der Gesamtbewertung der Risikofaktoren." Welche Risikofaktoren? Die drei Physio-Sitzungen? Der Hautausschlag?

Tobias war sauer. Richtig sauer. "Ich bin 35, kerngesund, treibe Sport. Und die lehnen mich ab wegen ein paar Rückenschmerzen?"

Er rief bei der Versicherung an. Die Dame am Telefon war freundlich, aber wenig hilfreich. "Die Entscheidung trifft unsere Risikoprüfung. Die Gründe kann ich Ihnen nicht nennen."

"Aber es muss doch einen Grund geben!"

"Tut mir leid, das ist vertraulich."

Vertraulich. Die Ablehnung unseres eigenen Antrags ist vertraulich.

Abends recherchierten wir. Und stießen auf interessante Informationen. Die Versicherungsbranche arbeitet mit Risikobewertungsmodellen. Algorithmen, die aus den Gesundheitsangaben eine Wahrscheinlichkeit berechnen. Rückenschmerzen plus Selbstständigkeit plus männlich plus Alter – zack, durchgefallen.

Mein Kollege Henrik, der früher bei einer Versicherung gearbeitet hat, erklärte es mir später genauer. "Die haben riesige Datenbanken. Millionen von Fällen. Die wissen statistisch, dass jemand mit Rückenschmerzen in der Vorgeschichte eine höhere Wahrscheinlichkeit hat, berufsunfähig zu werden. Auch wenn's nur drei Physio-Sitzungen waren."

"Aber das ist doch unfair", sagte ich.

"Aus deren Sicht nicht. Die rechnen mit Wahrscheinlichkeiten. Und Webdesigner sind sowieso Risikogruppe. Viel Sitzen, Stress, Burn-out-Gefahr."

Das Problem ist: Wenn eine Versicherung ablehnt, speichert sie das im HIS – dem Hinweis- und Informationssystem der deutschen Versicherungswirtschaft. Andere Versicherungen sehen dann: Aha, der wurde schon mal abgelehnt. Macht die nächste Bewerbung nicht einfacher.

Tobias schrieb einen Widerspruch. Sehr sachlich, sehr strukturiert. Er argumentierte, dass die Rückenschmerzen einmalig waren, vollständig ausgeheilt, keine Folgebehandlung. Der Hautausschlag war stressbedingt, auch längst Geschichte. Er legte Atteste bei, vom Orthopäden, vom Hautarzt. Beide bestätigten: vollständig genesen, keine Einschränkungen.

Die Antwort kam nach drei Wochen. Standardbrief. "Nach erneuter Prüfung müssen wir bei unserer Entscheidung bleiben."

Meine Schwester, die Anwältin ist, gab uns einen Tipp: "Fragt nach der genauen Begründung. Die müssen euch sagen, warum sie ablehnen. Zumindest in groben Zügen."

Also schrieb Tobias nochmal. Diesmal forderte er eine detaillierte Begründung. Berief sich auf Transparenzpflichten, Treu und Glauben, das ganze Programm.

Diesmal dauerte die Antwort vier Wochen. Aber sie kam. Und sie war aufschlussreich.

Die Versicherung schrieb, dass die Kombination aus Rückenbeschwerden und der Tätigkeit als Webdesigner ein erhöhtes Risiko darstelle. Studien zeigten, dass 40% aller Berufsunfähigkeitsfälle bei IT-Berufen auf Rückenprobleme oder psychische Erkrankungen zurückzuführen seien. Der Hautausschlag wurde als "psychosomatischer Indikator" gewertet.

"Psychosomatischer Indikator?", schnaubte Tobias. "Weil ich mal Stress hatte?"

Aber jetzt wussten wir wenigstens, woran wir waren. Und konnten gezielt argumentieren.

Wir holten uns Hilfe. Ein Versicherungsmakler, spezialisiert auf schwierige Fälle. Herr Petersen, Typ alter Hase, 30 Jahre im Geschäft. Er schaute sich die Unterlagen an und schmunzelte.

"Klassischer Fall", sagte er. "Die Versicherung hat überreagiert. Passiert oft bei Online-Anträgen. Da entscheidet der Computer, kein Mensch."

Er erklärte uns, dass viele Versicherungen bei Online-Anträgen sehr strenge Filter haben. Bestimmte Stichwörter – Rücken, Psyche, Stress – lösen automatisch rote Flaggen aus. Ein menschlicher Prüfer würde differenzierter schauen.

"Was können wir tun?", fragten wir.

"Zwei Möglichkeiten. Widerspruch mit neuen Argumenten. Oder bei einer anderen Versicherung probieren. Ich kenne ein paar, die individueller prüfen."

Wir entschieden uns für beides. Petersen formulierte einen neuen Widerspruch. Professionell, mit Verweis auf aktuelle Rechtsprechung. Er argumentierte, dass einmalige, ausgeheilte Beschwerden keine dauerhafte Risikoerhöhung darstellen. Er zitierte Urteile, wo Versicherungen zu Unrecht abgelehnt hatten.

Parallel dazu bereitete er einen Antrag bei einer anderen Versicherung vor. Kleiner, spezialisierter, teurer. "Die prüfen jeden Fall einzeln", sagte er. "Kein Algorithmus, echte Menschen."

Der Antrag war anders. Statt Online-Formular ein Gespräch. Ein Mitarbeiter der Versicherung kam zu uns nach Hause. Herr Zimmermann, freundlich, Mitte vierzig, selbst Familienvater.

Er stellte Fragen, aber anders. Nicht wie ein Verhör, sondern wie ein Gespräch. "Erzählen Sie mal von Ihrer Arbeit. Wie sieht ein typischer Tag aus?"

Tobias erzählte. Von seinen Projekten, seinen Kunden, seinem Büro-Setup mit höhenverstellbarem Schreibtisch. "Nach den Rückenschmerzen habe ich alles ergonomisch eingerichtet", erklärte er.

Zimmermann nickte. "Vernünftig. Prävention ist wichtig."

Er fragte auch nach dem Hautausschlag. Tobias erklärte den Kontext. Ein Großprojekt, das schiefgelaufen war. Kunde zahlte nicht, Stress, Existenzangst. "War eine harte Zeit", gab er zu.

"Und wie gehen Sie heute mit Stress um?"

Tobias erzählte vom Sport, von der besseren Projektplanung, von mir als Rückhalt. Zimmermann machte sich Notizen.

Am Ende sagte er: "Ich kann nichts versprechen, aber ich sehe kein großes Problem. Sie sind jung, gesund, die alten Beschwerden sind ausgeheilt. Das sollte gehen."

Zwei Wochen später kam die Zusage. Nicht zum Standardtarif – es gab einen Risikozuschlag von 30%. Statt 180 Euro nun 234 Euro im Monat. Aber immerhin, eine Zusage.

Fast zeitgleich kam die Antwort auf unseren Widerspruch bei der ersten Versicherung. Überraschung: Sie lenkten ein. Teilweise. Sie boten eine Versicherung mit Ausschlussklauseln an. Rückenleiden nicht versichert, psychische Erkrankungen nicht versichert. Dafür normale Beiträge.

Wir standen vor der Wahl. Voller Schutz für mehr Geld oder eingeschränkter Schutz zum Normalpreis?

Mein Vater riet zum vollen Schutz. "Was bringt eine Berufsunfähigkeitsversicherung, die ausgerechnet die häufigsten Ursachen ausschließt?"

Henriks Meinung war anders. "Nehmt den Ausschluss. Besser als gar nichts. Und in fünf Jahren könnt ihr nachverhandeln."

Wir diskutierten tagelang. Pro und contra, hin und her. Am Ende entschied Tobias' Bauchgefühl. "Ich will den vollen Schutz. Auch wenn's mehr kostet."

Also nahmen wir das Angebot der zweiten Versicherung. 234 Euro im Monat, 2.000 Euro BU-Rente, keine Ausschlüsse, keine abstrakte Verweisung.

Die ganze Prozedur hatte vier Monate gedauert. Vier Monate Briefe, Telefonate, Recherche, Stress. Aber wir hatten was gelernt.

Zum einen: Ehrlichkeit bei Gesundheitsfragen ist wichtig, aber man sollte auch nicht übertreiben. Jedes kleine Zipperlein anzugeben kann nach hinten losgehen. Ein befreundeter Arzt sagte uns später: "Relevante Sachen müssen rein. Aber der eingewachsene Zehennagel von vor drei Jahren? Eher nicht."

Zum anderen: Eine Ablehnung ist nicht das Ende. Man kann widersprechen, neu verhandeln, andere Versicherungen probieren. Das System ist nicht in Stein gemeißelt.

Interessant war auch, was wir über die Versicherungsbranche gelernt haben. Die arbeiten mit Statistiken aus den 1990er Jahren. Damals war ein Bandscheibenvorfall oft das Karriereende. Heute? Minimalinvasive OP, nach sechs Wochen wieder fit. Aber die Risikobewertung hinkt hinterher.

Psychische Erkrankungen sind das neue große Ding. Früher waren es die Rücken, heute ist es der Kopf. Burn-out, Depression, Angststörungen – die häufigste Ursache für Berufsunfähigkeit. Besonders bei Selbstständigen. Der Druck, immer performen zu müssen, keine Krankheitstage, keine Sicherheit.

Eine Psychologin, die wir später kennenlernten, erklärte uns das mal. "Selbstständige haben ein doppelt so hohes Risiko für psychische Erkrankungen wie Angestellte. Aber sie gehen seltener zum Arzt, aus Angst vor den Konsequenzen. Ein Teufelskreis."

Deshalb sind Versicherungen bei Selbstständigen so vorsichtig. Jedes Anzeichen von Stress oder psychischer Belastung ist eine rote Flagge.

Unser Makler Petersen erzählte uns noch andere Geschichten. Von einem Lehrer, der abgelehnt wurde, weil er mal beim Psychologen war. Trauerbegleitung nach dem Tod seiner Mutter. Die Versicherung: "Psychotherapie ist Psychotherapie."

Von einer Krankenschwester, die keinen Vertrag bekam, weil sie Übergewicht hatte. BMI 28. Nicht mal richtig übergewichtig, nur ein bisschen zu viel. Ablehnung.

Von einem Handwerker, der durchfiel, weil er mal einen Arbeitsunfall hatte. Finger gequetscht, vollständig verheilt. Trotzdem: zu riskant.

"Das System ist kaputt", sagte Petersen. "Die, die die Versicherung am meisten brauchen, bekommen sie oft nicht."

Stimmt wohl. Wer kerngesund ist, jung, ohne Vorgeschichte – der bekommt günstige Tarife. Wer schon mal krank war, älter ist, einen riskanten Beruf hat – Pech gehabt.

In anderen Ländern läuft das anders. In Schweden zum Beispiel gibt es eine staatliche Grundsicherung bei Berufsunfähigkeit. Nicht viel, aber genug zum Überleben. Private Versicherungen sind nur Zusatz. In den USA hingegen... da bist du ohne private Vorsorge verloren. Da lehnen Versicherungen ab, wenn du das falsche Gen hast. Genetische Diskriminierung nennt sich das.

Bei uns ist es ein Mittelweg. Es gibt die gesetzliche Erwerbsminderungsrente, aber die ist ein Witz. Volle Rente nur, wenn du gar nicht mehr arbeiten kannst. Nicht mal drei Stunden am Tag. Und selbst dann sind es vielleicht 1.000 Euro. Davon kann keiner leben.

Also braucht man private Vorsorge. Aber die bekommt nicht jeder. Oder nur zu absurden Preisen. Ein Bekannter, Diabetiker, zahlt 400 Euro im Monat für 1.500 Euro BU-Rente. Wahnsinn.

Tobias' Versicherung läuft jetzt seit zwei Jahren. Bisher mussten wir sie nicht in Anspruch nehmen, zum Glück. Die 234 Euro tun jeden Monat weh, besonders wenn mal ein Auftrag wegbricht. Aber wir schlafen besser.

Letztes Jahr hatte Tobias übrigens wieder Rückenschmerzen. Diesmal vom Umzug, wir haben ein Haus gekauft. Er war beim Arzt, hat's behandeln lassen. "Muss ich das der Versicherung melden?", fragte er mich.

Gute Frage. Bei bestehenden Verträgen muss man Verschlechterungen nur melden, wenn danach gefragt wird. Aber es gibt Nachversicherungsgarantien, da kann man die Rente erhöhen, ohne neue Gesundheitsprüfung. Da sollte man aufpassen.

Wir haben nichts gemeldet. Die Rückenschmerzen waren nach einer Woche weg. Kein Grund zur Panik.

Was würden wir heute anders machen?

Wir würden früher anfangen. Mit Mitte zwanzig, wenn man noch keine Krankengeschichte hat. Da sind die Beiträge niedrig und die Annahme quasi garantiert.

Wir würden gleich zum Makler gehen. Nicht erst selbst probieren. Die kennen die Tricks, wissen, welche Versicherung was akzeptiert.

Wir würden bei den Gesundheitsfragen strategischer sein. Nicht lügen, aber auch nicht jeden Schnupfen erwähnen. Die Frage ist immer: War es behandlungsbedürftig? Hat es Folgen? Wenn nein, dann...

Und wir würden nicht aufgeben. Die erste Ablehnung ist oft nur der Anfang der Verhandlung. Wie beim Autokauf. Das erste Angebot ist nie das beste.

Neulich traf ich eine alte Schulfreundin. Sie erzählte, dass ihr Mann keine BU-Versicherung bekommt. Er ist Pilot. "Zu gefährlich", sagen die Versicherungen. Dabei ist Pilot statistisch sicherer als Autofahrer. Aber try telling that to an insurance company.

Sie haben jetzt eine Dread-Disease-Versicherung abgeschlossen. Die zahlt bei schweren Krankheiten wie Krebs oder Herzinfarkt. Nicht optimal, aber besser als nichts.

Das ist vielleicht die wichtigste Lektion: Irgendeine Absicherung ist besser als keine. Auch wenn sie nicht perfekt ist. Auch wenn sie teuer ist. Auch wenn sie Lücken hat.

Denn wenn wirklich was passiert – und die Wahrscheinlichkeit ist höher, als man denkt – dann ist man froh über jeden Euro.

Tobias sagt immer: "Die 234 Euro sind wie eine Wette. Ich wette jeden Monat, dass mir nichts passiert. Und ich hoffe, diese Wette zu verlieren."

Klingt paradox, ist aber so. Die beste Versicherung ist die, die man nie braucht.

Aber schön, sie zu haben. Nur für den Fall.