
Die Geschichte mit dem verstaubten Handyvertrag – oder: Warum wir plötzlich Detektive spielten
Letzte Woche saßen wir wieder mal am Küchentisch, die übliche Zettelwirtschaft vor uns ausgebreitet. Kontoauszüge, Rechnungen, dieser eine Brief von der Krankenkasse, den man schon drei Mal zur Seite gelegt hat. Kennst du das? Martin hatte gerade seinen Kaffee umgekippt – natürlich genau auf die Unterlagen – als mir diese eine Abbuchung ins Auge sprang. 39,99 Euro. Mobilfunkanbieter.
„Sag mal", fragte ich, während ich verzweifelt versuchte, die Kaffeeflecken mit einem Küchentuch zu tupfen, „zahlen wir nicht eigentlich nur 19,99 für deinen Handyvertrag?"
Martin schaute mich an, dann auf den Kontoauszug. Stille. Diese typische Stille, wenn man merkt, dass man wahrscheinlich schon viel zu lange zu viel bezahlt hat.
Was dann folgte, war eine kleine Odyssee durch unsere Aktenordner. Wann hatten wir den Vertrag nochmal abgeschlossen? 2018? 2019? Die Unterlagen mussten doch irgendwo sein. Nach einer halben Stunde hatten wir immerhin ein zerknittertes Blatt gefunden – die Auftragsbestätigung von damals. Aber die eigentlichen Vertragsbedingungen? Die AGB? Fehlanzeige.
Ich erinnere mich noch gut an diesen Moment. Wir saßen da, zwischen Kaffeeflecken und Papierbergen, und fragten uns: Dürfen wir die überhaupt noch einsehen? Nach all den Jahren?
Die Sache mit den Altverträgen ist ja so eine Geschichte für sich. Weißt du, ein Altvertrag – das klingt erstmal wie etwas aus Omas Zeiten. Tatsächlich bezeichnet das aber einfach Verträge, die vor bestimmten Stichtagen abgeschlossen wurden. Zum Beispiel vor dem 1. März 2022, als neue Verbraucherschutzregeln in Kraft traten. Bei Telekommunikationsverträgen war das ein ziemlicher Einschnitt. Vorher konnten Anbieter ihre Verträge oft stillschweigend um ein weiteres Jahr verlängern. Du hast die Kündigungsfrist um einen Tag verpasst? Pech gehabt, nochmal zwölf Monate.
Martin hatte sich damals – typisch für ihn – erstmal in die Rechtsgrundlagen vertieft. „Hier steht", murmelte er, während er auf seinem Tablet herumscrollte, „dass Anbieter eigentlich transparente Informationen bereitstellen müssen." Das Bundesministerium der Justiz hat da wohl einiges verschärft in den letzten Jahren. Aber gilt das auch für unseren alten Vertrag?
Die Antwort ist, wie so oft im Leben: Es kommt darauf an.
Bei unserem Kaffeetisch-Telefonat mit dem Kundenservice – Martin hatte auf Lautsprecher gestellt, damit wir beide mithören konnten – bekamen wir erstmal die Standardantwort: „Die Vertragsunterlagen wurden Ihnen bei Vertragsabschluss zugesendet."
„Ja, aber das ist über fünf Jahre her", sagte ich. „Und wir haben zweimal umgezogen seitdem."
„Tut mir leid, aber..."
An diesem Punkt wurde Martin dann doch etwas deutlicher. Er hat diesen ruhigen, aber bestimmten Ton drauf, der meist Wunder wirkt. „Wir sind Ihre Vertragspartner. Wir haben ein Recht darauf zu erfahren, was genau in unserem Vertrag steht. Besonders wenn sich der Preis geändert hat."
Stille am anderen Ende. Dann: „Einen Moment bitte, ich leite Sie weiter."
Während wir in der Warteschleife hingen – diese furchtbare Musik, du kennst sie sicher – erzählte mir Martin von einem Kollegen, der ein ähnliches Problem hatte. Bei ihm ging es um einen Fitnessstudio-Vertrag. Der hatte sich automatisch verlängert, obwohl er dachte, er hätte rechtzeitig gekündigt. Als er die Vertragsunterlagen anforderte, stellte sich heraus, dass die Kündigungsfrist in den AGB anders war, als ihm mündlich mitgeteilt worden war.
Das ist tatsächlich ein wichtiger Punkt, den viele nicht wissen: Bei Verbraucherverträgen müssen die wesentlichen Bedingungen klar und verständlich sein. Das hat der Bundesgerichtshof schon mehrfach entschieden. Versteckte Klauseln in seitenlangen AGB? Die sind oft unwirksam. Aber dazu muss man erstmal wissen, was überhaupt drinsteh.
Nach gefühlt endlosen zwanzig Minuten – ich hatte mittlerweile den zweiten Kaffee aufgesetzt – meldete sich endlich jemand aus der „Fachabteilung". Die Dame war erstaunlich hilfsbereit. „Ich sehe hier tatsächlich eine Preisanpassung von vor zwei Jahren", sagte sie. „Die hätten wir Ihnen mitteilen müssen."
„Haben Sie auch", gab Martin zu. „Aber in einem Brief, wo es um ganz andere Sachen ging. Kleingedruckt auf Seite drei."
Ich musste schmunzeln. Martin bewahrt tatsächlich alle Briefe auf. In Klarsichthüllen. Chronologisch sortiert. Manchmal macht es sich eben doch bezahlt, mit einem Ordnungsfanatiker verheiratet zu sein.
Was dann kam, hat mich überrascht. Die Dame erklärte uns, dass bei Altverträgen – also solchen, die vor den neuen Regelungen abgeschlossen wurden – tatsächlich noch die alten Bedingungen gelten. Aber, und das ist der Knackpunkt: Wenn Änderungen vorgenommen werden, besonders Preiserhöhungen, dann greifen teilweise die neuen Verbraucherschutzregeln. Eine Art Mischform also.
Sie bot uns an, die kompletten Vertragsunterlagen per E-Mail zu schicken. „Inklusive aller Änderungen der letzten Jahre", fügte sie hinzu. Innerhalb von drei Werktagen sollten wir alles haben.
Während wir warteten, habe ich mich ein bisschen schlau gemacht. Es gibt da diese Übergangsregelungen, die ziemlich kompliziert sind. Im Grunde läuft es darauf hinaus: Für die Grundstruktur des Vertrags gilt das alte Recht. Wurde der Vertrag also 2018 mit einer zweijährigen Mindestlaufzeit und anschließender jährlicher Verlängerung abgeschlossen, bleibt das so. Aber – und das ist wichtig – für neue Änderungen und besonders für die Art, wie Kunden informiert werden müssen, gelten strengere Regeln.
Die Bundesnetzagentur hat das alles ziemlich genau festgelegt. Telekommunikationsanbieter müssen zum Beispiel vor einer Vertragsverlängerung eine klare Zusammenfassung schicken. Was kostet der Vertrag? Was ist inkludiert? Wann kann gekündigt werden? Diese Infos müssen prominent platziert sein, nicht versteckt im Kleingedruckten.
Drei Tage später – es war ein Donnerstagabend, wir hatten gerade zu Abend gegessen – kam tatsächlich die E-Mail. 47 Seiten PDF. Ich hab erstmal geschluckt. Martin hat gelacht. „Wenigstens haben wir's jetzt schwarz auf weiß."
Beim Durchlesen wurde einiges klar. Unser Vertrag war tatsächlich ein echter Altvertrag. Abgeschlossen im November 2018, mit Bedingungen, die heute so nicht mehr zulässig wären. Zweijährige Mindestlaufzeit, danach automatische Verlängerung um jeweils ein Jahr, wenn nicht drei Monate vor Ablauf gekündigt wird.
Aber dann der interessante Teil: 2022 gab es eine „Anpassung". Der Grundpreis wurde erhöht, gleichzeitig das Datenvolumen erweitert. In dem Schreiben dazu – Martin hatte es tatsächlich aufbewahrt – stand klein gedruckt, dass wir ein Sonderkündigungsrecht hätten. Vier Wochen ab Erhalt des Schreibens.
„Das haben wir verpasst", stellte ich fest.
Martin nickte. „Aber schau mal hier." Er zeigte auf einen Absatz in den neuen Bedingungen. „Ab dem 1. Dezember 2021 gilt für alle Verträge eine maximale Kündigungsfrist von einem Monat."
Das war der Punkt, wo es spannend wurde. Unser Vertrag lief eigentlich noch bis November 2024 – mit dreimonatiger Kündigungsfrist. Aber durch die Gesetzesänderung konnten wir jetzt monatlich kündigen. Das stand sogar in dem PDF, das uns der Anbieter geschickt hatte. Nur eben auf Seite 43, in Schriftgröße 8.
Ich habe dann bei der Verbraucherzentrale angerufen. Die Dame dort war super nett und hat mir erklärt, dass das tatsächlich ein häufiges Problem ist. Viele Leute wissen gar nicht, dass sich bei ihren Altverträgen die Kündigungsbedingungen geändert haben. Die Anbieter müssen darüber informieren, aber oft geht das in der Flut von Werbebriefen und Rechnungen unter.
Sie gab mir noch einen wichtigen Tipp: Bei Unklarheiten sollte man immer schriftlich nachfragen. E-Mail reicht, aber wichtig ist, dass man eine Bestätigung hat. „Schreiben Sie ruhig: 'Ich bitte um Übersendung der vollständigen, aktuell gültigen Vertragsbedingungen inklusive aller Änderungen.' Das ist Ihr gutes Recht als Vertragspartner."
Interessant fand ich auch, was sie über die rechtliche Grundlage sagte. Es gibt kein explizites „Einsichtsrecht" im Gesetz. Aber aus dem Vertragsverhältnis selbst ergibt sich eine Informationspflicht des Anbieters. Schließlich kann man sich nur an einen Vertrag halten, wenn man weiß, was drinsteht. Logisch eigentlich.
Bei Altverträgen ist das besonders relevant. Die Rechtslage hat sich in den letzten Jahren so oft geändert, dass selbst Juristen manchmal den Überblick verlieren. 2022 die große Telekommunikationsreform. 2021 die Fair-Verbraucherverträge-Gesetz. 2020 Corona-Sonderregelungen. Da kann man schon mal durcheinanderkommen.
Martin hat dann noch etwas Interessantes entdeckt, als er die AGB von 2018 mit den aktuellen verglich. Damals stand da noch drin, dass Preiserhöhungen mit einer Frist von sechs Wochen angekündigt werden. In den neuen AGB sind es acht Wochen. „Aber welche Version gilt für uns?", fragte er.
Gute Frage. Laut Verbraucherzentrale ist das tatsächlich nicht immer eindeutig. Grundsätzlich gilt: Wurde der Vertrag unter alten Bedingungen geschlossen, gelten diese weiter. Aber wenn der Anbieter neue AGB einführt und der Kunde nicht widerspricht, können auch diese Gültigkeit erlangen. Kompliziert? Allerdings.
Wir haben dann einen Brief aufgesetzt. Ganz förmlich, mit Einschreiben. Martin wollte auf Nummer sicher gehen. Darin haben wir um eine schriftliche Bestätigung gebeten, welche Kündigungsfrist für unseren Vertrag gilt. Außerdem wollten wir wissen, ob und wann wir über Preisänderungen informiert wurden.
Die Antwort kam nach zwei Wochen. Überraschend ausführlich und – das muss man dem Anbieter lassen – durchaus kundenfreundlich. Sie bestätigten, dass für unseren Vertrag die einmonatige Kündigungsfrist gilt. Die Preiserhöhung von 2022 sei ordnungsgemäß mitgeteilt worden, das Sonderkündigungsrecht verfallen. Aber – und jetzt kommt's – sie boten uns einen Wechsel in einen aktuellen Tarif an. Gleicher Preis, doppeltes Datenvolumen.
„Warum nicht gleich so?", fragte ich mich.
Martin meinte, das sei typisch. Erst wenn Kunden nachbohren, rücken die Anbieter mit besseren Angeboten raus. Er kennt das von seiner Arbeit. Da ist er für die Verträge mit Lieferanten zuständig. „Die Kunst ist", sagt er immer, „hartnäckig, aber freundlich zu bleiben."
Wir haben das Angebot angenommen. Nicht, weil es so toll war, sondern weil wir keine Lust auf einen Anbieterwechsel hatten. Du kennst das sicher – neue SIM-Karte, Rufnummernmitnahme, das ganze Theater. Manchmal ist der Weg des geringsten Widerstands auch okay.
Was ich aus der ganzen Geschichte gelernt habe? Erstens: Es lohnt sich, alte Verträge regelmäßig zu überprüfen. Besonders wenn sie schon ein paar Jahre laufen. Die Rechtslage ändert sich ständig, meist zugunsten der Verbraucher. Aber man muss es eben wissen.
Zweitens: Anbieter sind zur Auskunft verpflichtet, aber man muss nachfragen. Von selbst rücken sie selten mit Informationen raus. Das ist keine Bosheit, sondern Business. Je weniger Kunden ihre Rechte kennen, desto besser fürs Geschäft.
Drittens: Dokumentation ist Gold wert. Martins Ordnerwahn hat sich ausgezahlt. Ohne die alten Briefe hätten wir viele Punkte nicht nachvollziehen können. Ich hab mir jetzt auch einen Ordner angelegt. Digital allerdings – ich bin ja nicht verrückt.
Letzte Woche hat meine Schwester angerufen. Sie hatte unsere Geschichte gehört und wollte wissen, wie sie bei ihrem Stromvertrag vorgehen soll. Der läuft seit 2019, und sie hat keine Ahnung, was da eigentlich drinsteht.
Ich hab ihr geraten, erstmal schriftlich die kompletten Vertragsunterlagen anzufordern. Einfach eine E-Mail an den Kundenservice: „Sehr geehrte Damen und Herren, als Ihre Vertragspartnerin bitte ich um Übersendung der vollständigen Vertragsbedingungen meines Stromvertrags (Kundennummer XY) inklusive aller zwischenzeitlich erfolgten Änderungen und Anpassungen."
Klingt förmlich, aber das muss manchmal sein. In der Regel bekommt man dann innerhalb weniger Tage eine Antwort. Falls nicht, nachhaken. Und wenn das auch nichts bringt, gibt's immer noch die Schlichtungsstelle Energie. Die helfen kostenlos bei Streitigkeiten.
Meine Schwester hat noch gefragt, ob sie ein Recht darauf hat, die Unterlagen zu bekommen. Ich musste ein bisschen rumdrucksen. Ein explizites Gesetz, das sagt „Jeder Verbraucher hat das Recht auf Einsicht in seine Vertragsunterlagen" – das gibt's nicht. Aber es ergibt sich aus verschiedenen Rechtsgrundlagen. Treu und Glauben im Vertragsverhältnis. Informationspflichten des Anbieters. Transparenzgebot bei Verbraucherverträgen.
In der Praxis heißt das: Ja, man hat ein Recht auf diese Informationen. Aber man muss es einfordern. Und manchmal auch ein bisschen Druck machen.
Übrigens, bei Versicherungen ist das nochmal eine andere Geschichte. Da gibt es oft das Problem, dass die Bedingungen bei Vertragsabschluss galten, mittlerweile aber durch neue ersetzt wurden. Welche gelten? Die alten. Es sei denn, man hat den neuen zugestimmt. Aber wer liest schon die Briefe von der Versicherung genau durch?
Neulich beim Stammtisch – ja, wir gehen tatsächlich zum Stammtisch, wie Rentner, obwohl wir erst Mitte vierzig sind – kam das Thema auch auf. Klaus, der Elektriker, erzählte von seinem Bausparvertrag. Den hat er 1998 abgeschlossen. 1998! Die Unterlagen? Verschollen. Die Bank? Dreimal fusioniert seitdem.
Er hat dann über die aktuelle Bank, die den Vertrag übernommen hat, die Unterlagen angefordert. Hat drei Monate gedauert, aber er hat sie bekommen. Sogar die ursprünglichen von 1998, eingescannt. „Die müssen das alles archivieren", meinte er. „Zehn Jahre mindestens, bei manchen Sachen sogar dreißig."
Das stimmt tatsächlich. Banken und Versicherungen haben strenge Aufbewahrungspflichten. Bei normalen Dienstleistern sieht das anders aus. Die müssen Vertragsunterlagen nur so lange aufbewahren, wie es für die Abwicklung nötig ist. Plus die gesetzlichen Verjährungsfristen. In der Regel sind das drei Jahre nach Vertragsende.
Aber, und das ist wichtig: Solange der Vertrag läuft, müssen sie Auskunft geben können. Sonst könnte man ja Verträge abschließen und dann behaupten, man wisse nicht mehr, was vereinbart wurde.
Martin hat neulich noch einen interessanten Punkt gebracht. Er meinte, das Problem sei nicht nur bei Altverträgen. Auch bei neuen Verträgen wissen viele Leute nicht genau, was sie unterschrieben haben. Online-Verträge sind da besonders tückisch. Klick hier, Häkchen da, AGB akzeptiert. Wer liest das schon?
Seit 2022 müssen Anbieter bei Verträgen mit Verbrauchern immerhin eine Vertragszusammenfassung bereitstellen. Auf einer Seite, übersichtlich, die wichtigsten Punkte. Das ist schon mal ein Fortschritt. Aber eben nur bei neuen Verträgen.
Für alle, die jetzt denken „Oh Gott, ich muss all meine Verträge überprüfen" – keine Panik. Fang mit den teuren an. Oder mit denen, die schon lange laufen. Handy, Internet, Strom, Versicherungen. Da lässt sich oft am meisten sparen.
Und noch ein Tipp aus eigener Erfahrung: Mach dir eine Liste. Excel, wenn du magst, oder einfach auf einem Blatt Papier. Welcher Vertrag, seit wann, wie viel kostet er, wann kann gekündigt werden. Wir haben das nach unserer Handyvertrags-Odyssee gemacht. War ein verregneter Sonntagnachmittag, aber es hat sich gelohnt.
Dabei sind uns noch drei weitere Verträge aufgefallen, die wir eigentlich gar nicht mehr brauchen. Der Zeitschriftenabo, das Martin mal für die Bahnfahrten abgeschlossen hat – er fährt seit zwei Jahren nicht mehr Bahn. Die Rechtsschutzversicherung, die wir doppelt haben, weil sie auch in meiner Berufsunfähigkeitsversicherung inkludiert ist. Und dieser Streaming-Dienst, den wir nie nutzen.
Zusammen waren das nochmal 47 Euro im Monat. 564 Euro im Jahr. Dafür kann man schön essen gehen. Oder in den Urlaub fahren. Oder einfach sparen.
Die Sache mit der Vertragseinsicht bei Altverträgen – das ist eigentlich nur der Anfang. Es geht darum, die Kontrolle über die eigenen Finanzen zu behalten. Zu wissen, wofür man bezahlt. Und ob das noch sinnvoll ist.
Ich weiß noch, wie meine Oma immer sagte: „Kleinvieh macht auch Mist." Sie hatte ein kleines Notizbuch, in das sie alle Ausgaben eingetragen hat. Damals fand ich das altmodisch. Heute verstehe ich es.
Nicht, dass wir jetzt jeden Cent umdrehen. Aber diese versteckten Kosten, die Verträge, die sich automatisch verlängern, die Preiserhöhungen, die man nicht mitbekommt – das summiert sich. Und oft merkt man es erst, wenn man genauer hinschaut.
Letzte Woche haben wir wieder am Küchentisch gesessen. Diesmal ohne Kaffeekatastrophe. Martin hatte ausgerechnet, was wir durch die Vertragsüberprüfungen gespart haben. Fast 100 Euro im Monat. „Das ist ein schönes Abendessen zu zweit", meinte er. „Jeden Monat."
Ich musste lächeln. Typisch Martin, alles in Restaurantbesuchen zu rechnen.
Aber er hat recht. Es geht nicht nur ums Geld. Es geht um das Gefühl, die Dinge im Griff zu haben. Zu wissen, wofür man unterschrieben hat. Und dass man jederzeit aussteigen kann, wenn es nicht mehr passt.
Die Geschichte mit den Altverträgen hat uns noch etwas anderes gelehrt: Man darf sich nicht scheuen nachzufragen. Die meisten Anbieter sind durchaus bereit zu helfen, wenn man höflich, aber bestimmt auftritt. Und wenn nicht, gibt es immer noch Verbraucherzentralen, Schlichtungsstellen und im Zweifel auch Anwälte.
Wobei, das mit den Anwälten ist so eine Sache. Bei unserem Handyvertrag hätte sich das nicht gelohnt. 20 Euro Differenz im Monat, selbst über zwei Jahre gerechnet, das sind 480 Euro. Ein Anwaltsbrief kostet schnell 200 Euro. Da muss man abwägen.
Aber allein die Drohung mit rechtlichen Schritten kann manchmal Wunder wirken. „Ich werde die Angelegenheit prüfen lassen" – dieser Satz hat schon manche Kulanzregelung bewirkt.
Gestern hat Martin einen neuen Ordner angelegt. „Verträge 2024" steht drauf. Mit Trennblättern für jeden Monat. Ich hab ihn gefragt, ob das nicht übertrieben ist.
„Weißt du was?", hat er gemeint. „Lieber einmal richtig sortiert als dreimal gesucht."
Da hat er wohl recht. Auch wenn ich immer noch nicht verstehe, warum er die Unterlagen zusätzlich einscannt. „Falls mal was passiert", sagt er dann. Als ob unsere Wohnung abbrennen könnte. Obwohl, bei unserer Kaffeemaschine...
Am Ende ist es wie mit vielen Dingen im Leben: Man muss seinen eigenen Weg finden. Für Martin sind es die Ordner und Excel-Tabellen. Für mich reicht eine einfache Liste und ein Termin im Kalender, wann ich wieder überprüfen sollte.
Wichtig ist nur, dass man es macht. Dass man nicht einfach alles laufen lässt. Dass man nachfragt, wenn etwas unklar ist. Und dass man sich nicht abwimmeln lässt.
Die Verträge, die wir alle so abschließen – das sind am Ende Vereinbarungen zwischen zwei Parteien. Und beide Seiten haben Rechte und Pflichten. Als Verbraucher vergisst man das manchmal. Man fühlt sich klein gegenüber dem großen Konzern.
Aber das stimmt nicht. Wir sind Kunden. Ohne uns läuft nichts. Und wir haben das Recht zu wissen, wofür wir bezahlen.
Diese Erkenntnis kam spät, aber sie kam. Am Küchentisch, zwischen Kaffeeflecken und Papierbergen. Manchmal braucht es eben solche Momente, um aufzuwachen.
Wenn du also auch so einen Altvertrag in der Schublade hast – oder auch nur vermutest, dass da einer sein könnte – dann schau nach. Frag nach. Besteh auf deinem Recht.
Es lohnt sich. Nicht nur finanziell. Sondern auch für das gute Gefühl, die eigenen Angelegenheiten im Griff zu haben.
Und wer weiß, vielleicht entdeckst du dabei auch die eine oder andere Überraschung. So wie wir. Die jetzt jeden Monat ein bisschen mehr Geld für die schönen Dinge des Lebens haben.
Oder für neuen Kaffee. Den brauchen wir nämlich dringend, nach all den Überstunden am Küchentisch.